Zäune streichen für die Kunst – so soll es sein am Samstag zum Westpaket in Leipzig Plagwitz. Für einen Euro dürfen Arbeitswillige jeweils eine Latte anstreichen. Finanziert werden sollen mit der Aktion die letzten beiden noch fehlenden »Hohen Worte« an der Karl-Heine-Straße. »Liebe«, »Lust« und »Angst« sind schon da, leuchten wunderbar in Rot, Pink und Gelb. Nun braucht es nur noch ein paar fleißige Helfer, um auch die letzten fehlenden Schriftzüge »Mühe« und »Sorge« an die Wand zu bringen.
Jetzt, wo die Nächte länger werden, leuchten die »Hohen Worte« wieder heller als sonst von den Häusern der Karl-Heine-Straße: geschwungene Neonschriftzüge, illuminierte Worte wie »Liebe«, »Lust« und »Angst« in Rot, Pink und Gelb. Was da leuchtet, ist schnell erklärt. Die Kunstpädagogen Rosi Riemann, Jan Apitz und Christa Mihm zogen vor gut zehn Jahren unter dem Namen Volkskunstkomitee los, um den Leipziger Westen künstlerisch zu verändern. Ihre Idee: Leuchtende Schlagworte an Plagwitzer Häuserfassaden sollten die Anwohner im seinerzeit darniederliegenden Stadtteil zum Nachdenken anregen.
Im Jahr 2000 konnte das Volkskunstkomitee das erste von sieben geplanten »Hohen Worten« montieren, zunächst in der Innenstadt, über der Pinguin Eisbar. »Glück« stand da – und blieb die nächsten Jahre alleine. Das Volkskunstkomitee musste arbeiten gehen und legte das Projekt »Hohe Worte« vorerst auf Eis. 2005 gründete Rosi Riemann zusammen mit Jan Apitz den Kunstraum Delikatessenhaus auf der Karl-Heine-Straße. Die beiden nahmen die Verwirklichung der sechs fehlenden Begriffe wieder auf. Mit Erfolg: Seit mittlerweile vier Jahren leuchtet ein rotes »Lust« direkt über dem Deli, »Liebe«, »Sorge« und »Angst« folgten.
Mittlerweile sind auch Plagwitzer Kulturschaffende und Gewerbetreibende in die Finanzierung der »Hohen Worte« eingestiegen. Um das Geld für die beiden letzten noch fehlenden Schriftzüge »Mühe« und »Sorge« zusammenzubekommen, möchte Delikatessenhaus-Mitbetreiberin Riemann jetzt das Tom-Sawyer-Prinzip anwenden. Ab dem nächsten Westpaket, dem mittlerweile traditionellen Straßenmarkt auf der Karl-Heine-Straße, müssen Passanten Geld bezahlen, wenn sie eine der Zaunslatten anstreichen wollen, die Riemann und ihre Mitstreiter vor dem Stadtteilladen in der Hausnummer 54 aufgestellt haben. Für einen Euro dürfen Arbeitswillige jeweils eine Latte anstreichen.
»Für die komplette Finanzierung reicht das natürlich nicht«, sagt Riemann, die in der Aktion eher einen symbolischen Startschuss sieht. Die »Mühe« wird wie ihre Geschwister etwa 1.000 Euro kosten. Riemann hofft daher über die Westpaket-Aktion hinaus auf Gleichgesinnte, die sich für die großen Gefühle in der Karl-Heine-Straße begeistern können. Bis dahin macht auch Kleinvieh Mist: Nach dem Westpaket kann auch weiterhin jeder während der Öffnungszeiten des Stadtteilladens den Pinsel schwingen und so zum Mäzen der Leipziger Kunstszene werden.