Eine Mehrheit des Leipziger Stadtrates hat am Mittwoch für den Teilverkauf der städtischen Tochter-Unternehmen Perdata und HL komm gestimmt. Schulden der Stadt sollen so reduziert werden, neue Spielräume gewonnen. Doch ganz so glatt, wie sich Oberbürgermeister Burkhard Jung die ganze Geschichte vorgestellt hat, lief sie dann doch nicht. Er musste Kompromisse eingehen, um den Teilverkauf auf den Weg zu bringen.
Direkt vor dem Rathaus standen dunkle Fahrzeuge auf dem Bürgersteig. Sie machten deutlich, worum es am Mittwochabend auf der Sondersitzung des Stadtrates gehen sollte. Beschriftet waren sie mit Aufdrucken der HL komm und der Perdata – jener beiden Tochterunternehmen der Leipziger Stadtwerke also, über deren Teilveräußerung im Anschluss entschieden wurde.
Die Diskussion um die Anteilsverkäufe beschäftigt die Leipziger Politik bereits seit November letzten Jahres, als Oberbürgermeister Burkhard Jung und Finanzbürgermeister Torsten Bonew den Haushaltsentwurf für das Jahr 2011 vorstellten. Darin enthalten war eben auch jene Maßnahme, die die Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (LVV), zu der auch die Stadtwerke und die Verkehrsbetriebe gehören, auf gesündere Füße stellen soll. Diese schiebt einen Schuldenberg von 760 Millionen Euro vor sich her und muss jährlich knapp 60 Millionen Euro für Tilgungsraten und Zinsen aufbringen. Bis 2014 erwarten die Verantwortlichen eine Deckungslücke von 123 Millionen Euro.
Diese hätte auch Auswirkungen auf den Haushalt der Stadt: Zum Einen, weil die LVV jährlich Tilgungsraten für ein Gesellschafterdarlehen in Millionenhöhe an die Stadt überweist, zum Anderen, weil die LVV die Finanzierung des öffentlichen Nahverkehr in Leipzig übernimmt, die andernfalls von der Stadt getragen werden müsste. So hatte Bonew denn auch den Anteilsverkauf als »alternativlos« bezeichnet und gemeint, dass im Falle eines Scheiterns vorerst kein regulärer Haushalt für 2011 beschließbar sei. Stattdessen würde ein vorläufiger Haushalt drohen, mit erheblichen Einschnitten in den freiwilligen Leistungen, was beispielsweise Investitionen in Schulen, Straßen und Kindergärten betreffen würde.
Doch die Teilprivatisierung des Breitbandanbieters HL komm und des IT-Unternehmens Perdata ist keine beliebte Maßnahme, dies zeigte auch die Stadtratssitzung. »Selten wurde eine Vorlage so intensiv beraten«, sagte Jung und bedankte sich für die überwiegend sachlich geführte Debatte. Er betonte aber auch die seiner Ansicht nach gegebene Notwendigkeit des Schritts: »Es ist keine Option weiter abzuwarten. Wir dürfen nicht wie das Kanichen vor der Schlange im Stillstand verharren.« Skeptikern, die weitere Verkäufe befürchten, versprach er, ein Ausbluten des LVV-Konzerns werde es mit ihm nicht geben.
Das Zünglein an der Mehrheitswaage spielten die Grünen. Mit Zugeständnissen war es Jung im Vorfeld der Versammlung gelungen, einen Teil der Grünen-Fraktion ins Boot zu holen. So wurde eine Verlängerung der Gültigkeit des Bürgerentscheids, bei dem sich 2008 eine Mehrzahl der Leipziger gegen die Privatisierung von kommunalen Betrieben der Daseinsvorsorge ausgesprochen hatte, mit in die Vorlage aufgenommen. Außerdem sollten, wie auch bei der Perdata, nur noch 49,9 statt 74,9 Prozent der HL komm-Anteile verkauft werden, so dass die Stadt immer noch die Mehrheit haben würde. Die FDP-Fraktion sah darin einen Schritt in die falsche Richtung und stimmte gegen die Vorlage.
Dennoch betonte Malte Reupert von den Grünen, dass seine Fraktion »Kröten schlucken« müsse: »Die Fahne des bedingungslosen 'kommunal ist optimal' weht nicht mehr auf unserer Burg, wie einige unserer Wähler das von uns erwarten würden.« An Jung gewandt meinte er, der Oberbürgermeister würde von der Mehrzahl der Grünen-Fraktion einen Vertrauensvorschuss erhalten und drückte seine Hoffnung aus, dass Jung in den kommenden Jahren eine nachhaltige Finanzpolitik betreiben würde.
Bei der namentlichen Abstimmung gab es dann erwartungsgemäß mit 37 zu 26 Stimmen ein »Ja« für den Verkauf. Erwartungsgemäß stimmten SPD und CDU sowie Teile der Grünen dafür. Beschlossen wurde zudem, die fortgesetzte Gültigkeit des Bürgerentscheides sowie eine Aussetzung der Tilgung des Gesellschafterdarlehens bis zum Jahresende. Außerdem sollen die Stadtwerke ihren Gewinn von 60 auf 65 Millionen steigern.
Finanzbürgermeister Bonew zeigte sich nach der Abstimmung »zufrieden, dass wir in die richtige Richtung laufen.« Die LVV-Geschäftsleitung habe nun den Auftrag, das Bieterverfahren in die Wege zu leiten. Dies werde in den nächsten Wochen geschehen. Bonew erwartet, dass das Verfahren kurz vor oder nach der Sommerpause beendet sein wird. Dann sollen die vorliegenden Angebote hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit überprüft werden. Ein wichtiges Kriterium dabei ist auch die Standortsicherheit und der Erhalt der Arbeitsplätze. Zum entgültigen Verkauf bedarf es dann nochmals der Zustimmung des Stadtrates.