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Kultur

Frierende Crashtestdummys

Thorsten Mense und Thomas Ebermann kämpfen gegen die Norm

  Frierende Crashtestdummys | Thorsten Mense und Thomas Ebermann kämpfen gegen die Norm  Foto: Gegen die Normalität: Ebermann&Mense / Promo

Eine Handvoll Menschen wohnt im Besser Leben »Der Besichtigung des Wahns« bei. An einem Tisch sitzend beginnen der Publizist Thomas Ebermann und der Soziologe Thorsten Mense (der hin und wieder auch für den kreuzer schreibt) ein Gespräch über die Untiefen der Zeit. Videoeinspieler unterstützen ihre Arbeit im Steinbruch der Irrationalität, die sie mit einer Kritik der instrumentellen Vernunft verbinden.

Denn weder dürfen Unvernunft noch pure Vernunft jemals siegen. Das Duo streift Vieles: Pandemie, Klimakatastrophe, falsch abgebogene Antideutsche und zähfließenden Verkehr. Genau genommen, zerfällt das intellektuelle Programm in zwei Teile: Erst werden von Qanon über Aluhüte bis Incels diverse Varianten von Verschwörungsmythen vorgeführt. Nach dieser etwas zu langen Einführung geht es dann über zum Problem Normalismus und Volksgemeinschaft: Menschen halten ihr Bauchgefühl für den gesunden Menschenverstand und den Durchschnitt für normal.

Die daraus folgenden Projektionen der Nichtzugehörigkeit haben nicht nur Auswirkungen auf die Rechte von Minderheiten. Denn die Konzentration auf den Durchschnittsmenschen führt dazu, dass er als Blaupause für Ingenieure dient. Das kann Dysfunktionalitäten für Menschen bedeuten, die dieser nicht entsprechen. Wenn zum Beispiel der Sensor eines Seifenspenders nur auf helle Haut reagiert, ist das nicht beabsichtigt – kann aber tödliche Folgen haben, wenn man an die Sensortechnik selbstfahrender Autos denkt. Crashtestdummys waren lange simulierte Normmänner mit einer Körpergröße von 1,75 Metern. Dadurch steigt für kleinere Menschen das Verletzungsrisiko bei Unfällen. Für Frauen ist das Risiko aufgrund anatomischer Unterschiede noch größer.

Letztlich ist Normalismus auch nur verschleierte Identitätspolitik. Das wollen seine Vertreterinnen und Vertreter nur nicht wahrhaben. Ebermann und Mense nehmen das aufs Korn in einer Mischung aus Analyse und Satire. Nach den zweieinhalb Stunden Probeaufführung im Januar versprachen sie noch, ordentlich zu kürzen und zu straffen.

Dass Normalismus problematisch ist, erfahren übrigens alle, die in Büros nur deshalb frieren, weil sich die »ideale« Raumtemperatur am Stoffwechsel eines durchschnittlichen 40-Jährigen orientiert. 

 

> »Normal – Eine Besichtigung des Wahns: Ein Abend gegen Irrationalismus und instrumentelle Vernunft«: 24.4., 20 Uhr, Conne Island


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