Vom Boom der Comic-Verfilmungen hat sich Steven Spielberg als Regisseur und Produzent bisher fern gehalten. Superhelden sind nie seine Sache gewesen. Aber nun hat er sich mit Hergés »Tim und Struppi« einen Klassiker der Comic-Geschichte vorgenommen, der sich seit seiner Entstehung im Jahre 1929 über verschiedene Generationen hinweg eine breite und loyale Fanbasis aufgebaut hat.
Der junge, abenteuerlustige Reporter mit der markanten Haartolle und seinem treuen Foxterrier kommt ganz ohne übernatürliche Fähigkeiten und zentnerschwere Muskelpakete aus. Im Vergleich zu seinen amerikanischen Kollegen war Tim immer ein ganz normaler, jungenhafter, fast schon naiver Held, der seine Abenteuer hauptsächlich durch Mut und Verstand bestanden und für seine Leser stets ein hohes Identifikationspotenzial geboten hat. Schon kurz vor Hergés Tod bemühte sich Spielberg um die Filmrechte, nachdem ihn die französische Filmkritik auf die Parallelen zwischen »Indiana Jones« und dem ihm bis dahin unbekannten belgischen Comichelden hingewiesen hatte. Aber es sollte noch weitere dreißig Jahre dauern, bis das Projekt Gestalt annahm. Spielberg hat den nostalgisch anmutenden Comic nun mit modernster Filmtechnik für die Leinwand adaptiert. Die abenteuerliche Reise, die vom belgischen Festland über die Weltmeere hinweg bis in die marokkanische Wüste führt, wird nicht nur in 3D umgesetzt, sondern auch im sogenannten Motion-Capture-Verfahren, bei dem Schauspieler wie Jamie Bell (Tim), Andy Serkis (Kapitän Haddock) und Daniel Craig (Sakharin) den Figuren Stimme, Mimik und Bewegung verleihen, die dann in den Computer eingespeist und mit den digital entworfenen Comicwesen zusammengerechnet werden.
Etwas gewöhnungsbedürftig ist das visuelle Ergebnis zunächst, weil die animierten Figuren zwischen menschlichen Antlitz und Comic-Verfremdung etwas surreal anmuten. Aber gerade diese zwischenweltartige Ästhetik verleiht Spielbergs »Die Abenteuer von Tim und Struppi« ihren eigenen visuellen Charme. In einer scheinbar zeitlosen Welt angesiedelt, wo es keine Handys, Computer oder moderne Autos gibt, bleibt der Film in seiner Farbgebung sehr nahe an den Comicvorlagen und kommt wie ein farbenfroher Film Noir daher. Die Geschichte, die sich um versunkene Schiffe und einen Piratenschatz rankt, wurde aus drei Hergé-Bänden (»Die Krabbe mit den goldenen Scheren«, »Das Geheimnis der >Einhorn<« und »Der Schatz Rackhams des Roten«) zusammengesetzt und verbindet Elemente der klassischen Detektivgeschichte mit Slapstick und spektakulären Digitalgemälden von Seeschlachten und arabischen Palaststädten. Dabei unterscheidet sich Spielbergs konzentrierte Art des Geschichtenerzählens wohltuend vom hektischen Action-Gehopse, das in den meisten Comicverfilmungen veranstaltet wird. Vor allem aber überzeugt der Film durch seine visuelle Gestaltung, die zwischen der Verneigung vor dem stilvollen Original und den Ansprüchen des modernen Unterhaltungskinos einen eigenen kreativen Weg findet.