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Stadtleben

Drogen ohne Zeigefinger

Das Projekt zur Suchtprävention Drug Scouts feiert seinen 15. Geburtstag

  Drogen ohne Zeigefinger | Das Projekt zur Suchtprävention Drug Scouts feiert seinen 15. Geburtstag

Da, wo die Gesetze der Realität des Drogenkonsums hinterherhinken, helfen die Drug Scouts, das Schlimmste zu verhindern – indem sie aufklären, statt zu verbieten.

Das Ladenlokal der Drug Scouts auf der Eutritzscher Straße erscheint im ersten Moment als eine Mischung aus Café und kleiner Bibliothek. An einem Tresen können sich Besucher etwas zu trinken holen, sie können an einem großen runden Tisch Platz nehmen, eine Ansprechpartnerin ist auch gleich in der Nähe.

Seit nun schon 15 Jahren gibt es die Drug Scouts in Leipzig. Gegründet wurden sie von jungen Menschen aus der elektronischen Musik- und Partyszene mit dem Anliegen, »sachlich und umfassend über legale und illegalisierte psychoaktive Substanzen und deren Konsum zu informieren und aufzuklären«, sagt Katrin Schröder, Soziologin und eine von drei Mitarbeitern der Drug Scouts.

Deren Angebot umfasst unter anderem eine Beratung im Drug Store oder anonym durch das Dr. Frühling-Team via Internet. Besucher, die eine explizite Suchtberatung wünschen, sagt Drug Scout Daniel Graubaum, leite er aber an eine andere Einrichtung weiter. »Die individuellen Entscheidungen der Konsumentinnen und Konsumenten zu akzeptieren, ist einer unserer Grundsätze,« sagt der Sozialpädagoge. »Wir beraten auch Menschen, die nicht vordergründig den Wunsch haben, abstinent zu werden.«

Mit diesem akzeptierenden Ansatz sind die Drug Scouts weit näher an der Realität der Drogenkonsumenten als Gesetze, die den Konsum von Drogen nicht verhindern können. Insbesondere synthetische Drogen verbreiten sich in Europa schnell. Im kürzlich vorgestellten Bericht der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) heißt es, dass im vergangenen Jahr 41 neue Substanzen auf dem Markt registriert wurden – im Jahr zuvor waren es 24. Dazu zählen auch die sogenannten »Legal Highs«. Als legal kann man sie nur deshalb bezeichnen, weil sie von der Drogengesetzgebung noch nicht erfasst sind. Laut deutschem Betäubungsmittelgesetz muss jede molekulare Variante eines Wirkstoffs einzeln aufgenommen werden. Solange diese Varianten noch nicht analysiert wurden, fallen die Stoffe lediglich unter das Arzneimittelgesetz. So sind die Verkäufer der »Legal Highs« mit ihren schnell synthetisierbaren Alternativprodukten dem Gesetz immer einen Schritt voraus. Problematisch ist dabei, dass viele Drogenkonsumenten oft nicht wissen, was sie einnehmen.

An dieser Stelle werden die Drug Scouts aktiv. Mit ihrem Angebot »Drug Scouts im Club« etwa, das von Partyveranstaltern gebucht werden kann, sind sie viel näher am Geschehen, als es die meisten anderen Suchtpräventionsprojekte sein können. An einem Infostand und in einem Chill-Out-Bereich können sich Clubbesucher über die Risiken des Drogenkonsums informieren. Zum Außenteam der Drugscouts gehört auch immer jemand, der Erste Hilfe leisten kann. Auf Festivals wie Fusion oder Nachtdigital arbeiten die Drug Scouts eng mit den Sanitätern zusammen. Da die meisten der 30 ehrenamtlichen Mitarbeiter selbst noch in der Partyszene unterwegs sind, entsteht nicht der Eindruck einer Autorität, die mit dem erhobenen Zeigefinger etwas verbieten möchte. Zu diesem »Safer-Use«-Konzept gehört auch, dass die Scouts Kondome und Ohrstöpsel auf den Partys verteilen.

Die Homepage der Drug Scouts gehört laut Webstatistik zu den meistbesuchten Seiten zum Thema Suchtprävention im deutschsprachigen Raum. Grund dafür ist das umfangreiche Drogenlexikon, das die Drug Scouts seit 1999 betreiben und ständig aktualisieren. Auch veröffentlichen sie sofort Meldungen, wenn verunreinigte Drogen auftauchen. Vor vier Jahren warnten die Drug Scouts zum Beispiel vor mit Blei verunreinigtem Marihuana, das in Leipzig die Runde machte, und aktuell vor sehr hoch dosierten Ecstasy-Pillen. Die Meldungen erhalten sie vom Wiener Sozialprojekt Check it, einer der Stellen, die eine Genehmigung für das sogenannte Drug-Checking erhalten haben: Es analysiert, ob aktuell im Umlauf befindliche Substanzen verunreinigt sind.

Für reichlich Diskussionsstoff sorgte der akzeptierende Ansatz der Drugscouts vor wenigen Monaten. Leipzigs Polizeipräsident Horst Wawrzynski warf der Stadt vor, mit einer »Wohlfühlpolitik« Drogenabhängige anzulocken.

Und in einem Interview mit der Leipziger Volkszeitung Mitte Mai nannte es Landespolizeipräsident Bernd Merbitz eine »Kampfansage« an die Polizei, dass ein durch die Stadt finanziertes Projekt wie die Drug Scouts auf Flugblättern Hinweise geben, wie sich Drogenkonsumenten bei Polizeikontrollen verhalten sollen. Einen Einfluss auf die Förderung ihrer Arbeit hatte die Diskussion bisher nicht.

Ihren 15. Geburtstag feiern die Drug Scouts unter anderem mit Vorträgen zum Einsatz psychoaktiver Substanzen in der Medizin oder bei religiösen Riten. Thema wird aber auch das immer wieder diskutierte Hirndoping durch Mittel sein, die eigentlich therapeutischen Zwecken dienen sollen. Das Klischee von den guten und den schlechten Drogen wollen die Drug Scouts allein schon durch die Themenauswahl der Vorträge aufbrechen. 

 


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