In seinem Regiedebüt hat Drehbuchautor William Monahan (»The Departed«) die drei zentralen Klischeefiguren des Gangsterfilmes schon bald vor der Kamera versammelt: Da ist der coole Kleinganove Mitchel (Colin Farrell), der gerade eine dreijährige Haftstrafe verbüßt hat und nun seinem kriminellen Tun ein Ende bereiten will. Sein labiler Freund Billy (Ben Chaplin) zieht ihn jedoch mit kleinen Gefälligkeitsforderungen immer wieder hinein in den Sumpf des Verbrechens und der gefährliche Unterweltkönig Gant (Ray Winstone) will Mitchel unbedingt unter Vertrag nehmen und wird ein »Nein« als Antwort nicht akzeptieren.
Und so könnte eine klassische britische Gangsterballade mit lässigen Dialogen, philosophierenden Mobsterbossen und einer bis zum Finale exponential zunehmenden Zahl von Toten ihren Lauf nehmen – und tut es auch. Nur dass Monahan, der hier einen Roman des irischen Krimiautoren Ken Bruen verfilmt, in den gut geölten Genreplot noch eine ganz andere Welt implantiert, die einen interessanten Gegenpol zum gewohnten Setting bildet. Um sein Leben in legale Bahnen zu lenken, heuert Mitchel als Haus- und Leibwächter bei Charlotte (Keira Knightley) an, die sich als Filmstar schon seit geraumer Zeit aus dem Geschäft in ihre Londoner Villa zurückgezogen hat, aber immer noch von Stalkern und Paparazzis belagert wird.Viele Regisseure haben die fragile Schönheit der jungen Schauspielerin zu schätzen gewusst und sie als Opferfigur in Gebrauch genommen. »Gäbe es nicht Monica Bellucci, wäre sie die am häufigsten vergewaltigte Frau im europäischen Kino«, sagt ihr dauerbekiffter Assistent Jordan (David Thewlis), der das zupackende Wesen des Ex-Sträflings im Umgang mit den Fotografen zu schätzen weiß. Beim Zusammenprall von Unter- und Promiwelt kommt es nicht nur zu einer langsam sich vortastenden Liebe zwischen Filmstar und Beschützer, sondern auch zu Loyalitätskonflikten und kriminellen Verwicklungen, als Gant mit Mitchels Hilfe Charlottes Haus ausrauben will.
Mit der Figur der Schauspielerin, die sich in die Einsamkeit ihres Luxus zurückgezogen hat, lehnt sich Monahans Regiedebüt lässig an Billy Wilders Klassiker »Sunset Boulevard« an, ohne daraus ein hippes Remake formen zu wollen. Denn der Fokus des Filmes liegt hier weniger auf dem schwindenden Glamour als auf dem rauen Charme des Londoner Gangstermilieus. Wie schon in seinem oscarprämierten Drehbuch zu Martin Scorseses »Departed« überzeugt Monahan erneut durch seine schnellen, scharfkantigen Dialoge. Allerdings kommen hier die Figuren ohne jene großen Posen aus, mit denen sich Wahlberg und DiCaprio in »Departed« um Kopf und Kragen spielten. Vielmehr übt sich der Amerikaner Monahan mit einem entspannten Inszenierungsstil in britischem Understatement, das mit tiefschwarzem Humor versetzt wird. »London Boulevard« orientiert sich eher an Indiefilmen wie »Brügge sehen…und sterben« von Martin McDonagh als an den Werken von Großmeistern wie Scorsese und Ridley Scott, für die Monahan bisher seine Drehbücher schrieb. Auf diesem bescheidenen Wege ist ihm eine ebenso frische wie stilsichere Genrevariation gelungen.