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Kultur

Neonfarbene Ü-30-Werbung und grauer DDR-Alltag

Der Kunstverein sensibilisiert für Schrift im öffentlichen Raum

  Neonfarbene Ü-30-Werbung und grauer DDR-Alltag | Der Kunstverein sensibilisiert für Schrift im öffentlichen Raum

Die Löffelfamilie an der Feinkost ist nur ein Beispiel für Leuchtreklame aus DDR-Zeiten. Mit der Ausstellung »Meine Linie« widmet sich nun der Kunstverein der Schrift und Reklame im öffentlichen Raum.

»Erich, bei euch in der DDR sieht’s ganz schön grau aus!«, sagte der jugoslawische Staatschef Josip Broz Tito laut Legende bei einem Besuch zu Erich Honecker. Dieser nahm sich die Kritik an der tristen Farblosigkeit der DDR zu Herzen: Die Partei-Initiative »Leipzig – Stadt des Wassers und des Lichts« sollte Farbe in die Stadt bringen. Bis heute haben sich in Leipzig eine ganze Reihe von Leuchtreklamen aus der DDR erhalten, wie zum Beispiel die Löffelfamilie auf dem Feinkostgelände.

Schrift im öffentlichen Raum ist auch Thema der Ausstellung »Meine Linie« des Kunstvereins Leipzig. Sie ist nach »Mein Block« und »Mein Typ« die dritte Ausstellung in Folge, die sich anlässlich der Leipziger Buchmesse mit Gestaltung in und aus Leipzig beschäftigt. »Wir wollen eine neue Wahrnehmung zu Schrift als Kultur und Kunst im öffentlichen Raum entwickeln, Historisches zeigen und neu interpretieren«, sagt Britt Schlehahn vom Kunstverein.

So bringt die österreichische Video- und Installationskünstlerin Dorit Margreiter in dem zweiminütigen Film »Zentrum« den Schriftzug »Brühlzentrum« von 1966 wieder zum Leuchten, während eine Arbeit des Grafikdesigners Toni Schönbuchner unter dem Titel »Probelauf am Brühl« in die Zukunft weist. Fotos, Diaprojektionen von Archivmaterial und kurze Filme zeigen historische Schriften und Reklamen: »Für die Originalschriften sind die Räume schlichtweg zu klein oder ein Transport war nicht möglich«, sagt Britt Schlehahn. So zeigt die Ausstellung die Reproduktion einer Reklameburg, die sich von 1921 bis 1923 auf dem Marktplatz befand und eine »Kultur der Reklame« nach künstlerischen Gesichtspunkten etablieren sollte. Neonfarbene Poster, die heute am Straßenrand für Flohmärkte, Reptilienschauen oder Ü-30-Partys werben, dienten der Dresdner Künstlerin Ute Richter als Basis für ihr Plakat »Die Eigenbewegung des Materials«.

Die Verbindung von Schrift und Architektur bildet schließlich den letzten Schwerpunkt von »Meine Linie«: Der Kunstverein nutzt dafür nicht nur die eigenen Räume in der Kolonnadenstraße, sondern auch den Stadtraum selbst. Im Rahmen einer Stadtwanderung geht es zu Schriften im Petershof und der Mädlerpassage, zum ehemaligen Standort der Reklameburg und in die Höfe am Brühl. Josip Broz Tito hätte daran sicher seine Freude gehabt.


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