Seit »The King’s Speech« sind auch die Nachgeborenen mit den Thronfolgeproblemen des britischen Empires am Vorabend des Zweiten Weltkrieges vertraut. Schon nach kurzer Zeit dankte Edward VIII. ab, nachdem seine Liebe zu der geschiedenen Amerikanerin Wallis Simpson zur Staatsaffäre hoch gekocht war, und überließ seinem jüngeren Bruder George die königlichen Pflichten. Madonnas zweite Regiearbeit »W.E.« beschäftigt sich nun nicht mit den Problemen des stotternden Nachfolgers, sondern mit dem, was damals als die größte und skandalöseste Liebesgeschichte des Jahrhunderts gefeiert wurde.
Der Verzicht auf den Thron zugunsten einer Beziehung zu einer geschiedenen Frau – das war nicht nur im England der dreißiger Jahre eine äußerst couragierte Entscheidung, die in der Öffentlichkeit den Raum für eine Vielzahl von Projektionen öffnete. Das ist ein viel versprechendes Filmthema, in dem man aus der sicheren historischen Distanz heraus über die Radikalität der Liebe, über die strukturelle Gewalt des Öffentlichen und über das Verhältnis zwischen Privatem und Prominenz nachdenken könnte – Fragen, die in unserer durchmedialisierten Welt heute aktueller sind denn je. Aber damit gibt sich Madonna leider nicht zufrieden.
Krampfhaft um einen gegenwärtigen Zugang zum historischen Stoff bemüht zieht sie in ihrer zweiten Regiearbeit eine zweite Erzählebene ein, auf der im Jahre 1998 die Amerikanerin Wally Winthrop (Abbie Cornish) in einer glücklosen Ehe mit einem trinkfreudigen und gewalttätigen Psychiater (Richard Coyle) gefangen ist. Der Kinderwunsch blieb unerfüllt und so pilgert Wally Tag für Tag zum Auktionshaus Sotherby’s, wo gerade der Nachlass von Prinz Edward und Wallis Simpson versteigert wird. Während ihre Hände über die feinen Damast-Tischdecken streichen, der Blick sich in teuren Kristallgläsern verfängt, träumt sich die obsessive Wallis-Simpson-Verehrerin in die historischen Welten des vermeintlichen Traumpaares hinein. Auch das könnte ein interessanter Ansatz sein, aber wer zwei Geschichten in verschiedenen Zeitsträngen erzählen will, sollte sein narratives Handwerk beherrschen und auf beiden Ebenen etwas zu sagen haben. Leider trifft weder das Eine noch das Andere auf Madonna und ihren Film zu.
Die Emanzipationsgeschichte, in der eine moderne Frau, die auf seltsame Weise von feministischen Errungenschaften vollkommen unbeleckt zu sein scheint, aus ihrer gewalttätigen Ehestruktur ausbricht, wird derart bieder erzählt, dass man kaum glaubt, dass hier eine exzentrische Powerfrau wie Madonna am Werk gewesen sein kann. Schlimmer jedoch wiegt, dass die Regisseurin mit ihrer Ping-Pong-Dramaturgie eine der schillerndsten Liebesgeschichten des letzten Jahrhunderts auf der Leinwand versaubeutelt. »Niemand fragt, was Wallis Simpson für diese Liebe geopfert hat«, sagt Wally irgendwann zu dem verständnisvoll nickenden Nachlassbesitzer. Genau darüber hätten wir uns gern einen Film angeschaut – einen Film, der sich nicht in dramaturgischem Firlefanz, eitlen visuellen Posen und überteuerter Garderobe erschöpft. Einen Film ganz anders als »W.E.«.