Die Konzertreihe »Hof Klang« spielt mit Neuer Musik an Orten, die gar nicht als Klangräume gebaut wurden.
Was ist für Arthur Schopenhauer der größte Unterschied der Künste Architektur und Musik? Es ist der Zusammenhang von Raum und Zeit. Während »die Architektur allein im Raum ist, ohne irgendeine Beziehung zur Zeit, ist die Musik allein in der Zeit, ohne irgendeine Beziehung auf den Raum«.
Seit 2007 zeigt die Konzertreihe »Hof Klang« am Beispiel der Innenhöfe von Selter- und Bosehaus, dass Musik und Architektur sich sehr wohl gegenseitig beeinflussen.Das beweisen zum einen die im Rahmen eines Kompositionswettbewerbs eigens für die Aufführungsorte von »Hof Klang« geschriebenen Stücke. Zum anderen nehmen bereits gespielte Werke in den Innenhöfen mit ihrer speziellen Akustik völlig neue Dimensionen an.
»Mit jeder Aufführung und jeder räumlichen Veränderung wird dasselbe Werk zu einem völlig neuen musikalischen Erlebnis«, sagt Hendrik Reichardt vom Posaunenquartett Trombonova, das diesmal als Interpret dabei ist. Auf dieses klangliche Experiment lassen er und seine Mitmusiker Burkhard Götze, Hans-Martin Schlegel und André Stemmler sich gerne ein. So ist Reiner Bredemeyers Werk »Still leben …? … mit Gitarre« bereits mehrfach aufgeführt worden, jedoch noch nie so, wie Trombonova es im blau gekachelten Innenhof des Selterhauses inszenieren werden: Eine Gitarristin – laut Partitur muss es unbedingt eine Frau sein – spielt allein und scheinbar für sich selbst im Innenhof, bis sich vier Posaunisten aus der Ferne annähern. Und das nicht nur räumlich, indem sie auf die Frau zugehen und auf einem Balkon erscheinen, sondern auch musikalisch, indem sie ihre anfangs sehr verschiedene Dynamik und Spielweise nach und nach einander angleichen.
Im Bosehaus, dem Sitz des Bach-Archivs, spielen die Posaunisten ein zweites Konzert: Friedrich Schenkers »Kommunizierende Röhren II«. Schenker erlebte Trombonova bei ihrem ersten Auftritt im Jahr 2003 und war so begeistert vom Quartett, dass er ein Werk für die Musiker schrieb. In der viersätzigen Komposition verteilen sich die Posaunisten räumlich: Ein Spieler bleibt in Sichtweite auf dem Hof, die anderen entfernen sich nach eigenem Ermessen und spielen mit dem so entstehenden akustischen Effekt. So wird die Aufführung im Bosehaus auch für die Interpreten zu einem klanglichen Erlebnis.
Schenkers Stück ist politisch motiviert, in einem Interview äußerte er Parallelen zum letzten Irak-Krieg. Gerade die Aktualität und die Reflexion der Gegenwart findet Posaunist Reichardt wichtig: »Neue Musik ist unangenehm, weil sie die aktuellen gesellschaftlichen Zustände widerspiegelt. Darin liegt für mich ihr Reiz.« Vielleicht wären sich »Hof Klang« und Schopenhauer hier wieder einig.