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Eurodance im Sicherheitssystem

  Eurodance im Sicherheitssystem |
Rumänien und Bulgarien sind seit fünf Jahren in der EU – was hat sich getan? Vier junge Journalisten aus Leipzig und ihre osteuropäischen Kollegen mit einem Ziel: Facing Europe. In zwei Teams sind sie vier Wochen in Rumänien und Bulgarien unterwegs und berichten hier, was sich dort tut.
Woche 1, Team Rumänien Sechs Obstler und ein Gartenzwerg Deutschland verlassen wir bei 15 Grad, der Regen prasselt gegen die Scheiben der Propellermaschine, wir landen bei 35 Grad in Timisoara im Westen Rumäniens. Die Information am Flughafen ist keine große Hilfe, sie kennt weder die Straße, zu der wir müssen, noch den richtigen Bus. Also nehmen wir ein Taxi, fragen vorher nach einer Quittung und los geht es. Leider ist der Taxameter unter einem Stück Stoff versteckt. Versteckt ist da genau genommen nichts, merken wir, als sich die Taxifahrerin umständlich entschuldigt. Im Hostel wartet unser rumänischer Begleiter Anton und lacht, als er den Preis hört, den wir bezahlt haben. Zugegeben: Wir hätten es wissen können. Im Hostel, in dessen Garten reife Trauben, ein Pfirsichbaum und saftige Tomaten wachsen, treffen wir Mihai, der ein unerschöpfliches Adressbuch voll nützlicher Kontakte hat. »Ach, ihr wollt etwas zum Gesundheitssystem machen? Da kenne ich jemanden.« Und so geht das weiter und weiter. Hostel Costel, die Schaltzentrale Rumäniens. Vom trockenen Westen aus schlängeln wir uns über Serpentinen bis in den kühlen Norden. Bei einem Fernsehkoch machen wir Zwischenstopp. Er verköstigt uns mit drei Gängen, sechs Obstlern und vier Likören – alles traditionell rumänisch, versteht sich. Unsere Pension dagegen könnte ebenso in den Alpen stehen: Holz, Gartenzwerge und ein deutsches Schild »Biker willkommen« empfangen uns, auch die unfreundlichen Angestellten passen ins Bild. Nebenan wohnen meckernde Deutsche: »Diese Straßen! Schlimm!« Über staubige Wege, vorbei an Pferdewagen, geht es zur Wassertalbahn. Die letzte Waldbahn Europas bringt seit 1932 Holz aus den Bergen von Viseu de Sus – für Lokführer und Bremser eine Herausforderung. Der Besitzer der Waldbahn bringt uns an die Grenzen unserer Geduld. Er kann oder will keine Frage beantworten, besonders wenn es um Zahlen zu Holzmengen und -preisen geht. Stattdessen erzählt er ausschweifende Sagen über die Region oder von seinen Plänen, die Waldbahn weiter als Touristenattraktion zu vermarkten. Das Aufnahmegerät läuft und läuft, Anton kommt mit dem Übersetzen kaum noch hinterher und wieder einmal stellen wir fest: Ein Statement dauert mehr als fünf Minuten. Klare Antworten gibt es erst, als wir selbst im Führerhäuschen der Diesellok mitfahren. Vom Schaffner erfahren wir, wie er Unfälle verhindert und was das Schöne an der Arbeit mitten im Wald ist. Zehn Stunden Zugfahrt bei 10 km/h: genug Zeit, um zuzuhören. Rumänien – alles braucht seine Zeit.   Woche 1, Team Bulgarien Heilung im Wasser und Drogen in der Ananas [caption id="attachment_18660" align="alignleft" width="295" caption="Innenminister Zwetanow bei der Eröffnung des Sicherheitssystems"][/caption] »Welcome to Sofia«, erklingt die freundliche Frauenstimme aus den Lautsprechern im Flugzeug. Auf dem Gepäckband finden wir neben einem gescheckten Kaninchen (!) auch unsere Rucksäcke. Sofia ist trotz der Einwohnerzahl von 1,3 bis zwei Millionen eine eher ruhige Hauptstadt mit einer charmanten Mischung aus jahrhundertealter Architektur, Resten der kommunistischen Ära und modernen Bauten. Die Besiedlung lässt sich 6.000 Jahre zurückverfolgen, bis in die Zeit der Thraker, wie wir auf der Free Sofia Tour erfahren, die junge Menschen hier täglich und kostenlos organisieren und bei der wir schmackhaftes, 40 Grad warmes Thermalwasser trinken, welches heilende Wirkung haben soll. Mit dem Verlassen Sofias betreten wir eine andere Welt. Nicht umsonst sagen die Bulgaren oft, ihr Land bestehe aus zwei Teilen, der Hauptstadt und dem Rest. Auf dem Weg an die türkische Grenze erhalten wir eine Ahnung von der reichen Natur des Landes – wunderschöne Ebenen und Berglandschaften, die den Vergleich mit klassischen Touristenzielen in Spanien, Italien oder Kroatien nicht scheuen müssen. An einem Grenzübergang zur Türkei treffen wir den Innenminister Zwetan Zwetanow, der dort ein modernes Sicherheitssystem eingeweiht hat, das Bulgarien dem Beitritt zum Schengener Abkommen näher bringen soll. Die Präsentation rutscht ein wenig ins Kuriose ab, als das System in einem mehrminütigen Werbevideo mit Eurodance-Musik unterlegt angepriesen wird. Beim Zoll und der Grenzpolizei bekommen wir einen Eindruck von den scharfen Kontrollen: Drogenfunde (beispielsweise in einer Ananas), interessante Verstecke für Schmuggelzigaretten (in einem Hohlraum unter dem Seitenspiegel) und eine Röntgenanlage für Lkw. Inzwischen sind wir im Naturpark Strandža angekommen, dem touristischen Geheimtipp im Süden des Landes, am Schwarzen Meer. Der totale Gegenentwurf zur überlaufenen Goldstrandküste. Hier werden wir einen privaten Schnapsbrenner besuchen.

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