Der sächsische Landtag verabschiedet das sogenannte Hochschulfreiheitsgesetz. Kritiker sprechen jedoch von einem »Hochschulkontrollgesetz«. Sie monieren das neue Austrittsrecht aus der Studierendenschaft und die Einführung von Langzeitstudiengebühren.
Mit der Regierungsmehrheit von CDU und FDP hat der sächsische Landtag am Mittwoch das »Gesetz zur Änderung hochschulrechtlicher Bestimmungen« beschlossen. Mit dem neuen Hochschulfreiheitsgesetz gibt es erstmalig Studiengebühren in Sachsen. Studenten, die ihre Regelstudienzeit um mehr als vier Semester überschritten haben, müssen künftig 500 Euro pro Halbjahr zahlen.
Angriff auf die Hochschuldemokratie?
Für großen Unmut bei Studierendenvertretern und Oppositionspolitikern sorgte im Vorfeld eine kurzfristige Änderung des Gesetzesentwurfs: Studierende ab dem 2. Semester sollen künftig die Möglichkeit erhalten, aus der verfassten Studierendenschaft auszutreten. Bisher waren Studenten dort automatisch Mitglied und mussten den entsprechenden Beitrag von fünf bis acht Euro pro Semester entrichten. Den entsprechenden Antrag brachten CDU und FDP erst Mitte September ein. Bereits drei Tage später wurde er vom zuständigen Wissenschaftsausschuss in den Gesetzentwurf übernommen. Kritiker sehen in der neuen Regelung einen Angriff auf die Hochschuldemokratie und fürchteten eine Erosion der Finanzierungsgrundlage der vielfältigen Service- und Beratungsangebote der Studentenräte. Wie viele Studenten von der Möglichkeit letztlich Gebrauch machen werden, ist schwer zu prognostizieren. Möglich ist jedoch, dass die Zahl schlussendlich relativ gering bleibt.
An der Martin-Luther-Universität in Halle – in Sachsen-Anhalt existiert eine entsprechende Regelung seit 1996 – machten lediglich 0,7 Prozent der Studenten von dieser Regelung Gebrauch. Änderungsanträge von den Linken, Grünen und der SPD, die eine Streichung des Austrittsrechts und der Langzeitstudiengebühren vorsahen, wurden von der schwarz-gelben Mehrheit abgelehnt.
Hitzige Debatte über Austrittsrecht
Das Austrittsrecht stand auch im Zentrum der teils sehr hitzig geführten Landtagsdebatte zum Hochschulfreiheitsgesetz. So verlas der hochschulpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Geert Mackenroth, Meinungsbeiträge aus Foren sächsischer Zeitungen, die er sich zwar ausdrücklich nicht zu eigen machen wollte, in denen jedoch die demokratische Legitimation in Abrede gestellt und das Handeln der Studentenvertreter scharf kritisiert wurden. Zudem bezeichnete er die Proteste der Studenten gegen die Einführung des Austrittsrechts aus der verfassten Studierendenschaft als »organisierte Empörung der Studierendenvertreter«, die auch von einem Mitarbeiter des SPD-Abgeordneten Holger Mann mitkoordiniert gewesen sei. Die Empörung komme auch nicht von den Studenten, sondern nur von den Studierendenvertretern. Karl-Heinz Gerstenberg (Grüne) warf Mackenroth vor, mit dem Zitieren der Forumsbeiträge im Parlament, das Ansehen der Studenten als Ganzes in der Gesellschaft zu schädigen. Holger Mann und Julia Bonk (Linke) sahen in den Äußerungen des CDU-Politikers eine Diffamierung der Studentenvertreter.
In der Sache verteidigte Mackenroth das Austrittsrecht als Freiheitsgewinn für die Studenten. Das Gesetz schaffe die verfasste Studentenschaft nicht ab. Vielmehr sieht er durch die dann freiwillige Mitgliedschaft eine erhöhte Legitimation der Studentenvertreter. Das Credo laute: »Freiwillige Teilnahme ist allemal besser als Zwang.« Andreas Schmalfuß (FDP) lobte das neue Hochschulfreiheitsgesetz als »Meilenstein zur Weiterentwicklung der sächsischen Hochschullandschaft«. Mit dem Gesetz sollen die Hochschulen mehr Flexibilität im nationalen und internationalen Wettbewerb erhalten. Schmalfuß hob diesbezüglich insbesondere die Einführung von Globalbudgets und mehr Autonomie bei den Personalbudgets hervor. Zudem lobte er die Erleichterungen bei der Anrechnung von im Ausland erbrachten Prüfungsleistungen und die Einführung von Zielvereinbarungen.
»Fünfjahrespläne« statt Autonomie
Letztere waren einer der Kernkritikpunkte der Opposition. So bewertete Karl-Heinz Gerstenberg (Grüne) zwar die leichtere Anrechnung der Studienleistungen, den erleichterten Hochschulzugang und die Möglichkeit der Verwaltung der Liegenschaften durch die Hochschulen, die mit dem Gesetz eingeführt würden, positiv, warf der Regierung jedoch vor: »Sie legen die Hochschulen in entscheidenden Punkten stärker an die Leine als bisher.« Konkret verwies er auf die Möglichkeiten der Regierung bei ausbleibendem Verhandlungserfolg über Zielvereinbarungen, Ziele einseitig festzulegen und bei Nichteinhaltung die Hochschulen zu sanktionieren. Zudem kritisierte Gerstenberg die fehlende rechtliche Grundlage für Promovierendenvertretungen, die Abschaffung des Freiversuchs für Prüfungsleistungen sowie die Einführung der Langzeitstudiengebühren, die er als Schritt auf dem Weg zu allgemeinen Studiengebühren sieht.
Ähnlich äußerten sich auch SPD und Linke. Holger Mann monierte insbesondere, dass in den Zielvereinbarungen nicht nur Immatrikulationszahlen festgelegt werden sollen, sondern auch die Zahl der Absolventen: »Das Gesetz erinnert mehr an Fünfjahrepläne als an moderne Hochschulsteuerung die Freiheit und Autonomie gewähren soll«, so Mann, der die alternative Bezeichnung »Hochschulkontrollgesetz« vorschlug. Gerhard Besier (Linke) fürchtet das die Langzeitstudiengebühren kontraproduktiv wirken und zur Erhöhung der Abbrecherquoten führen werden.