Rumänien und Bulgarien sind seit fünf Jahren in der EU – was hat sich getan? Vier junge Journalisten aus Leipzig und ihre osteuropäischen Kollegen mit einem Ziel: Facing Europe. In zwei Teams sind sie vier Wochen in Rumänien und Bulgarien unterwegs und berichten hier, was sich dort tut.
Woche 4, Team Bulgarien
Klein-Griechenland und Zarenbriefe
Die Mitbringsel für Zuhause sind inzwischen besorgt. In Sofia haben wir den perfekten Laden dafür gefunden. Alte Zeitungen schmeißen wir normalerweise in den Papiermüll, nicht aber Julian Kirilov. Für ihn sind die bedruckten Seiten ein wertvoller Rohstoff. Aus Zeitungen, die teilweise mehr als 100 Jahre alt sind, Autoreifen, Milch- und Safttüten stellt er Taschen, Portemonnaies und allerlei Kleinigkeiten her. Sein Laden liegt in der Angel-Kantchev-Straße, eine alternative Straßenmeile in Sofia. Wir können uns kaum an seinen Werken sattsehen: gruselig dreinschauende Kuscheltiere, Umhängetaschen in jeglicher Form und Größe, Ketten aus Zeitungspapier und Ohrringe aus abgestempelten Metro-Karten. Alle Stücke sind Unikate, die er mit seinen fünf Näherinnen in Handarbeit produziert. Die alten Zeitungen findet er vor allem auf einem großen Trödelmarkt. Einzelne Händler sammeln extra für ihn Magazine, Comics, Zeitungen und Briefe, die sie bei Entrümpelungen finden. Sein besonderer Schatz sind diplomatische Briefe von einem bulgarischen Zaren. Die hat er zufällig in einem ganzen Stapel von alten Briefen gefunden. Er hat es noch nicht übers Herz gebracht, sie zu verarbeiten, vielleicht bringt er sie auch in ein Museum.
Wir verlassen Sofia und machen uns auf in den Süden. Unser Ziel: Petritsch. Wirtschaftsminister Delian Dobrev zufolge haben sich seit dem vergangenen Jahr rund 1.000 Griechen in Bulgarien angesiedelt. Grund dafür seien die geringen Steuern, niedrigen Lohnkosten und die wirtschaftliche Stabilität, die Unternehmer in Griechenland nicht mehr sehen. Ihre Präsenz merken wir gleich beim Abendessen: Die Speisekarten gibt es nicht nur auf Bulgarisch und Englisch, sondern auch auf Griechisch. Untermalt wird das Ambiente von griechischen Schlagern.
Das jüngste griechische Unternehmen ist gleich in der Innenstadt – ein Unterwäscheladen. Gefertigt werden die knappen Höschen in einer kleinen nahen Fabrik. Zwölf Bulgaren haben dort Arbeit gefunden. Anders als in anderen ländlichen Teilen Bulgariens erleben wir Petritsch als eine Stadt, in der viele Menschen auf den Straßen unterwegs sind. Die Grundstimmung erscheint uns optimistischer, vielleicht weil die Arbeitslosigkeit hier aufgrund internationaler Investoren weit geringer ist.
Woche 4, Rumänien
Bukarest im Tunnelblick

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