Um es vorwegzunehmen: »Kiran« ist ein wunderschöner Film. Schon allein die Anfangsszene: Ein Junge grinst verschmitzt in die Kamera, kaut auf einigen Grashalmen herum, die er gerade im Wald gepflückt und erzählt was. Nur was? Bei der der ersten Vorstellung des Filmes auf Französisch auf dem Dok ging alles schief.
Hatte der Moderator gerade noch angekündigt, dass es zu dem Film englische Untertitel geben wird und eine deutsche Synchron-Übersetzung auf den Kopfhörern, erscheint auf der Leinwand nur das un-untertitelte Original. Ich warte, ob noch was passiert. Aber nein. Also beschließe ich, mir noch schnell Kopfhörer zu holen.Verlasse die zweite Reihe des gefüllten Saal 5 des CineStars und renne vorbei an diskutierenden Mitarbeitern, die überlegen, ob sie den Film jetzt nochmal stoppen und scheinbar zu dem Schluss kommen, das nicht zu tun.
Die Kopfhörervergebenden wollen einen Ausweis oder »irgendwas mit einem Foto« von mir. Doch alle meine Lichtbildausweise liegen in der zweiten Reihe von Kinosaal 5. Ich renne zurück. Vor dem Kinosaal weiterer Aufruhr. Der Moderator von eben telefoniert und fragt nach etwas wie einem Extra-Screening für Jury-Mitglieder. Andere Kinobesucher reden auf eine Mitarbeiterin ein, dass ihr Kopfhörer nicht funktioniert. Als ich in der zweiten Rehe in meiner Tasche wühle, sprechen mich zwei Umsitzende an, ob ich ihnen Kopfhörer mitbringen kann. Nur gegen Ausweis. Drei Leute kramen im Dunklen des Kinosaals. Auf der Leinwand lacht ein reizender Junge.
Mit einer Bahncard und zwei Studentenausweisen stehe ich wieder bei der Kopfhörerausgabe. »Kanal 5 oder 6. Hier geht's lauter«, werde ich instruiert. Zurück in den Kinosaal. Ich gebe die Kopfhörer und mein neu erlerntes Wissen an die Sitznachbarn weiter. Los geht's. Doch auf Kanal 5 nur Rauschen. Genauso wie auf Kanal 6. Ich versuche Kanal 1 bis 10. Rauschen oder nichts. Ein Blick zu den anderen. Eine hat schon aufgegeben, die zweite schaut irritiert. Ich gebe auf. Lehne mich zurück. Konzentriere mich auf die Bilder. Die Bilder sind riesengroß und sehr, sehr nah dran, wenn man in der zweiten Reihe sitzt. So nah, dass man sieht, dass mit der digitalen Umstellung nicht alles besser und qualitativ hochwertiger geworden ist. Bei Aufnahmen in dunklen Räumen beschleicht mich desöfteren die Lust, den Laptop etwas nach vorne zu klappen, damit das Bild klarer ist. Nur ist das hier eine riesige Kinoleinwand. Da klappt nichts.
Doch bei den Außenaufnahmen bin ich hin und weg. Achte sehr auf Gesten und Mimik der Darsteller. Und der Junge, der im Wald lebt, ist frech, wild, clever, witzig. Ich verstehe ihn total, obwohl ich keine Ahnung habe, was er da plappert. Auch das sorgenvolle Gesicht seiner Mutter sagt viel. Und das Toben in der Natur ist einfach nur schön anzusehen. Der Konflikt zu seiner Schulausbildung bleibt mir allerdings verborgen.
Nach 30 Minuten ist der Kurzfilm vorbei. Ein Moderator und Leute vom Filmteam kommen nach vorne, um sich Fragen zu stellen. Allein, das Mikrofon funktioniert nicht. Und während sie noch versuchen, diesen Fehler zu beheben, beginnt auf der Leinwand schon der zweite Film. »Hallo im Vorführraum, kann uns jemand hören?«, eine verzweifelte Frage des Moderators. Und dann brüllt einer, der im Nachhinein als Regisseur Alexander Riedel genannt wird: »Ach komm, lass! Wir sind total angepisst. Liebes Publikum, es tut uns leid. Natürlich hat der Film Untertitel und er sieht auch ganz anders aus. Eine Scheiße ist das.« Weg ist er. Der zweite Film läuft weiter. Mit Untertiteln.
Nach der Vorstellung meldet sich der Moderator wieder zu Wort. Es täte ihm alles sehr leid. Wieso es keine Untertitel gab, wisse man nicht, aber die Dolmetscherin auf den Kopfhörern könne kein Französisch, sie hätte auch nur die Untertitel übersetzt, aber die gab es ja nicht. Doch können alle Karten umgetauscht werden, der Film laufe noch dreimal.
Und sei hiermit allen empfohlen!