Die Kneipenmeile soll komplett erneuert werden. Inhaber von Bars und Geschäften machen sich wegen der langen Bauarbeiten Sorgen um ihre Existenz.
»Jetzt sperrn die hier alles ab, aber machen tut keiner was.« Zwei Radfahrer auf der Karl-Liebknecht-Straße, die wir im Folgenden liebevoll Karli nennen, regen sich auf. Sie sind gezwungen, auf dem Bürgersteig zu fahren, die Straße ist wegen Schienenarbeiten gesperrt. Andere Radfahrer ignorieren die Sperrung und die Gefahr, in schwer sichtbare Löcher zu fallen.
Als Vorgeschmack auf das, was da noch kommen wird, konnte man diese kurze Bauphase im November bezeichnen. Denn für 2014 ist die Komplettsanierung der sogenannten Flanier-Meile zur Südvorstadt geplant.
»Den Buggy zum Café schieben, die Brille zum Optiker bringen, Konzertkarten holen am Peterssteinweg? Nicht möglich. 24 Monate lang«, die IG Karli, ein Verbund ansässiger Geschäftsleute, zeichnet mit dramatischen Worten das Horrorszenario für diese Zeit. Dass es wirklich zwei Jahre lang nicht mehr möglich sein wird, einen Laden zu betreten, scheint etwas übertrieben, doch sind die Befürchtungen der Gastronomen und Ladenbesitzer durchaus ernst zu nehmen.
Läden in ihrer Exitenz bedroht
24 Monate lang soll die Karli um- und ausgebaut werden, damit alles besser und schöner wird: Schienen, Verkehrsführung, Gehwege, Kanalisation und Leitungen, Ampeln und Parkplätze. Die gesamte Straße soll vom Peterssteinweg bis zum Südplatz gesperrt werden. »Dadurch sind die meisten Läden in ihrer Existenz bedroht«, sagt Falk Weinrich und vergleicht die Folgen der Karli-Bauarbeiten mit den Auswirkungen der Langzeitbaustellen Lützner Straße oder des Citytunnels: »Straßen veröden. Nebenstraßen werden verstopft von den Lieferfahrzeugen der Läden und Lokale, Mieter kündigen.«
Weinrich ist Chef des mexikanischen Restaurants Acapulco, er hat die IG Karli unter dem Motto »Die Karli muss leben« wieder zusammengebracht. Zu den IG-Mitstreitern gehören Kneipen vom Killywilly übers Volkshaus bis zum Flowerpower sowie Läden wie die Filmgalerie Alpha 60, Comic Combo oder das Culton.
Dessen Inhaberin Ines Wangemann stellt klar: »Zwei Jahre Vollsperrung geht nicht!« Doch man müsse mit der Stadt zusammenarbeiten, »konstruktiv, nicht einfach streiten«. Das sieht man auch im Tiefbauamt so. »Wir wollen alles unter einen Hut bringen«, sagt Amtsleiterin Edeltraut Höfer. Sie prüft nun zwei mögliche Szenarien. Vorschlag A sieht eine großflächige Sperrung der Karli vor, bei der die Straßenbahn auf einem Gleis fahren kann. »Das ist aber keine komplette Vollsperrung, es gäbe auch in eine Richtung Möglichkeiten für Verkehr«, sagt Höfer. Vorschlag B kommt von der IG Karli. Er sieht kleinere Bauabschnitte vor, damit die Läden nicht jahrelang eine Baustelle vor dem Eingang haben, sondern nur ein paar Monate.
Schon ein halbes Jahr mit Baustelle könnte einigen Läden das Genick brechen, meint Weinrich. Die Comic Combo hat jetzt schon unter anderem aufgrund der Baumaßnahmen beschlossen, im Frühjahr in die Riemannstr. 31 zu ziehen, andere Läden überlegen, ihre Mietverträge nicht zu verlängern.
Interessenbeirat stimmt für Vorschlag der Stadt
Alles wegen einer Baustelle? Gehen deswegen Menschen ihre Konzertkarten woanders kaufen, ihren Film woanders ausleihen und ihr Bier woanders trinken? »Wir sind letztens an der Baustelle am Wilhelm-Leuschner-Platz vorbeigelaufen«, erzählt Weinrich. »Hinter dem Bauzaun war Hochbetrieb, wir haben kein Wort mehr verstanden und das Kind hat geschrien.« Andere Straßen wie die Delitzscher oder Lützner hätten sich nie von den langwierigen Bauarbeiten erholt. »Da ist kein Geschäft mehr, die haben alle gerade mal ihre Mietschulden durch die Entschädigungen der Stadt zurückzahlen können.
Dass die Karli erneuert werden muss, ist offensichtlich, da sind sich alle einig. Wie sie nach den Bauarbeiten aussehen soll, hat ein Interessenbeirat, zu dem unter anderem auch Vertreter von Fahrradfahrern, Autofahrern, Fußgängern, Menschen mit Behinderung zählen, in gemeinsamer Kompromissfindung erarbeitet. »Die Zusammenarbeit mit der Stadt lief sehr gut«, sagt Weinrich. Der Interessenbeirat hat inzwischen beide Vorschläge geprüft und sich für Vorschlag A der Stadt ausgesprochen, um ihm dem Stadtrat zu empfehlen. Die IG Karli fühlt sich davon aber nicht ausreichend vertreten. »Es entspricht nicht der Wahrheit, dass dass eine Einigung mit den Gewerbetreibenden erzielt wurde. Es ist lediglich die Meinung von acht Mitgliedern des Beirates«, heißt es auf der Seite der IG Karli. Nun soll der Vorschlag wird mit Vertretern von Gastronomie, Einzelhandel, Eigentümern und Anwohnern weiterentwickelt werden.
Aber was spricht gegen Vorschlag B? »Die Straßenbahn könnte in dem Fall nicht mehr fahren«, erklärt Höfer. Die LVB will den Straßenbahnverkehr aber fortsetzen, schließlich würde der Schienersatzverkehr Mehrkosten von rund drei Millionen Euro pro Jahr bedeuten. »Das wäre auch für die Läden und Kneipen gut«, meint LVB-Sprecher Reinhard Bohse. Am Tag steigen 3.000 Fahrgäste am Südplatz aus, im Jahr sind das etwa eine Million Passanten, rechnet er vor. Die LVB würden aber eine Lösung, in der nur in einem jeweiligen Abschnitt gebaut wird, nicht ausschließen. »Der darf nur nicht zu klein sein. Abschnitte von 150 bis 200 Metern lassen sich preisgünstig realisieren.« Bohse denkt zum Beispiel schon an die Fußball-WM 2014 und die Menschen, die in die Kneipen strömen. Für diesen Zeitraum ist eine Baupause geplant.