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Filmkritik

Schwarzer Siegfried im wilden Süden

Glückliche Fügungen bestimmen Quentin Tarantinos Filmspektakel »Django Unchained«

  Schwarzer Siegfried im wilden Süden | Glückliche Fügungen bestimmen Quentin Tarantinos Filmspektakel »Django Unchained«

Den Passanten in der texanischen Kleinstadt fällt die Kinnlade runter. So etwas haben sie noch nicht gesehen. »Ein Nigger auf einem Pferd«, haucht einer, als würde ihm gleich vor Entsetzen das Herz stehen bleiben. Man schreibt das Jahr 1858 in Quentin Tarantinos neuem Film »Django Unchained«.

Die Abschaffung der Sklaverei erscheint in den Südstaaten ebenso unwahrscheinlich wie der Fall der Mauer im Berlin des Jahres 1987. Ein Schwarzer, der stolz und frei und hoch zu Ross in die Stadt einreitet – das ist ein Affront gegen die Selbstverständlichkeit menschenverachtender Verhältnisse und natürlich auch ein klassisches Westernbild, das Tarantino zitiert und in seinem ganz eigenen subversiven Sinne umdeutet. Nachdem er in seinem letzten Film »Inglourious Basterds« tollkühn die Geschichte des Zweiten Weltkrieges umgeschrieben hat und Adolf Hitler von einem jüdisch-amerikanischen Spezialkommando einfach abknallen ließ, nimmt sich Tarantino nun die dunkelste Seite der amerikanischen Geschichte vor, um sie durch den Häcksler der Popkultur zu jagen. Dabei bedient sich der bekennende Genrekinofan der Formelsprache des Spaghetti-Westerns genauso wie des afroamerikanischen Blaxploitation-Kinos der sechziger Jahre.

Im Zentrum steht Django (Jamie Foxx), der zu Beginn mit einigen anderen Sklaven in Ketten durch die Prärie getrieben wird, bis der deutsche Handlungsreisende Dr. King Schultz (Christoph Waltz) seinen Weg kreuzt. Der ehemalige Zahnarzt verdient seinen Lebensunterhalt als Kopfgeldjäger und Django soll drei Plantagenaufseher, die wegen Mordes gesucht werden, für ihn identifizieren. Die Verkaufsgespräche mit den Sklavenhändlern bleiben trotz des eloquenten Auftretens des Interessenten ohne Ergebnis und müssen schließlich mit der Waffe ausgetragen werden. Danach ist Django ein freier Mann und schließt sich Schultz an, von dem er einen ertragreichen Winter lang ins Kopfgeldjägerhandwerk eingewiesen wird. Aber eigentlich ist Django auf der Suche nach seiner Frau Broomhilde von Shaft (Kerry Washington). Ihre früheren Besitzer waren deutscher Herkunft, was die skurrile Namensgebung erklärt und der germanischen Mythologie den Weg in die Geschichte bahnt. Denn bald reitet hier nicht nur »ein Nigger auf einem Pferd«, sondern auch ein schwarzer Siegfried durch den wilden Süden, um die Liebe seines Lebens aus den Fängen der Sklaverei zu befreien. Der Weg dahin ist blutig und führt nach »Candyland«, dem Anwesen des gefürchteten Plantagenbesitzers Calvin Candy (Leonardo DiCaprio), der als Hobby ein Sportwettengeschäft betreibt, indem er Sklaven wie Bluthunde aufeinanderhetzt und bis zum Tode kämpfen lässt. In der Höhle des Löwen versuchen Schultz und Django zunächst mit List und sehr viel später auch mit entschiedener Waffengewalt Broomhilde zu retten.

Mit »Django Unchained« ist Tarantino erneut ein cineastischer Coup gelungen, in dem er ins großformatige Unterhaltungskino ein gerütteltes Maß an Subversivität mixt und das uramerikanische Genre des Westerns dazu nutzt, einen Rachefeldzug gegen die Sklavenhaltergesellschaft des 19. Jahrhunderts im Süden der USA zu führen. Noch nie wurde mit diesem Kapitel der amerikanischen Geschichte derart respektlos umgegangen. Wie in »Inglourious Basterds« wird das Kino auch hier zum Ort der Illusion, in der eine ausgleichende Gerechtigkeit hergestellt werden kann, die den Opfern der Historie verweigert blieb. Die eindeutige Parteinahme für die Sache der Sklaven hat bei Tarantino natürlich nichts mit politisch korrektem Bekenntniskino zu tun, sondern mit einer spürbaren Lust an subversiver Provokation, die sich hier wieder mit einer unbändigen Liebe zum Filmemachen verbindet. Erneut werden hier die Versatzstücke des Genrekinos zu einem ureigenen Erzählstil komponiert, zu dem die wunderbar wortreichen, aber nie geschwätzigen Dialoge genauso gehören, wie die treffend choreografierten Szenen der Gewalt, in denen die Brutalität der amerikanischen Sklavenhaltergesellschaft ungeschönt ins Bild gefasst wird. Vor allem aber ist auch dieser Tarantino-Film ein Geschenk an die Schauspieler: Christoph Waltz, der durch Tarantinos »Inglourious Basterds« zu Oscar-Ehren gekommen ist, darf hier erneut seine verbale Kunstfertigkeit und schauspielerische Präzision beweisen. Waltz und Tarantino sind tapfere Ritter des Wortes und ihr Zusammentreffen ist eine der glücklichsten Fügungen der jüngeren Filmgeschichte. Aber auch Leonardo DiCaprio in der Rolle des finsteren Plantagenbesitzers und Samuel L. Jackson, der mit dem Klischee des gutmütigen Haussklaven gründlich aufräumt, hat man lange nicht mehr so gut gesehen.


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