Die Leipziger könnten in diesem Jahr erneut an die Urnen gebeten werden, um eine Grundsatzentscheidung über den Umgang mit ihrem kommunalen Eigentum zu fällen. Die Antiprivatisierungsinitiative Leipzig (APRIL) sammelt seit Mitte Januar Unterschriften für ein Bürgerbegehren, mit dem sie eine »Privatisierungsbremse« in der Stadt einführen will.
Konkret sieht der Text des Begehrens ein generelles Privatisierungsverbot kommunalen Eigentums vor. Es sei denn, der Stadtrat entscheidet sich mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit dafür.
Bereits 2008 war APRIL mit einem Bürgerbegehren erfolgreich. Damals plante die Stadt, 49,9 Prozent der Anteile an den Stadtwerken für 540 Millionen Euro an das französische Energieunternehmen Gaz de France zu verkaufen. APRIL sammelte binnen weniger Wochen 42.000 Unterschriften, um einen Bürgerentscheid zu der Frage, ob kommunale Unternehmen der Daseinsvorsorge auch weiterhin vollständig im Besitz des Stadt verbleiben sollen, zu erzwingen. 87 Prozent der Wähler bejahten dies.
2011 entschied der Stadtrat, den nur drei Jahre geltenden Beschluss auch weiterhin beachten zu wollen. Dennoch sei es immer wieder zu Teilausgliederungen von Tochterunternehmen gekommen, die dann verkauft wurden, moniert Mike Nagler von APRIL. »Das Problem ist, dass der Begriff der Daseinsvorsorge unterschiedlich interpretierbar ist. Deshalb haben wir überlegt, wie wir das Ergebnis des Bürgerentscheids fester ziehen können – auch unter der Maßgabe, dass die Entscheidungen über den Verkauf von Perdata und HL komm im vergangenen Jahr sowie für die Privatisierung des Bestattungswesens im Stadtrat jeweils nur mit knapper Mehrheit erfolgten.«
Als Vorbild für die Privatisierungsbremse diente Bremen. Dort änderte die rot-grüne Regierung im vergangenen Jahr die Verfassung, so dass der Stadtstaat künftig keine kommunalen Unternehmen ohne vorherigen Bürgerentscheid verkaufen kann. Eine identische Lösung für Leipzig sei jedoch nicht möglich gewesen, da dafür eine Änderung der Landesverfassung notwendig wäre, die jedoch mit sehr hohen Hürden verbunden sei, erklärt Nagler. Deshalb habe man sich für die Lösung mit der Zwei-Drittel-Mehrheit im Stadtrat entschieden.
Bis zum Sommeranfang wollen die Initiatoren des Bürgerbegehrens nun die notwendigen knapp 22.000 Unterschriften sammeln. Dazu hat die Initiative ein Büro im Haus der Demokratie eingerichtet, in dem Unterschriftenlisten abgeholt und abgegeben werden können. Sollte die erforderliche Zahl an Unterstützern erreicht werden, hätte der Stadtrat drei Monate Zeit zur Prüfung. Ginge der Plan von APRIL auf, könnte ein neuerlicher Bürgerentscheid dann zeitgleich mit der Bundestagswahl im September erfolgen.
Dies dürfte für einen Erfolg wichtig sein, denn Nagler ist sich bewusst: »Es wird schwieriger als 2008, denn die Situation ist eine andere. Man muss stärker erklären, warum man ein solches Begehren macht, da gerade kein Aufreger wie der Verkauf der Stadtwerke vor der Tür steht. Aber die große politische Richtung der Stadt hat sich seit damals nicht verändert, sondern lediglich die Taktik.«