Siegfried Haller stand seit anderthalb Jahren wegen Versäumnissen seines Amtes und der Aberkennung seines Doktortitels in der Kritik. Stadtratsfraktionen fordern neue Strukturen im Jugendamt.
Die Tage von Siegfried Haller als Chef des Leipziger Jugendamtes sind gezählt. Wie die Stadt am Mittwoch bekannt gab, wird Haller zum 1. März von »von seinen Aufgaben entbunden und bis zur abschließenden Klärung über einen anderweitigen Einsatz freigestellt«. Zu den Gründen der Absetzung gibt sich die Stadt bedeckt. Bisher heißt es lediglich: »Diese Entscheidung der Verwaltungsspitze erfolgte auf Vorschlag des Beigeordneten für Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule, Thomas Fabian. Sie wurde im Einvernehmen mit Herrn Haller getroffen. Zu den Gründen wurde Vertraulichkeit vereinbart.« Bis zur Findung eines Nachfolgers sollen die Amtsgeschäfte vorerst von Hallers bisherigem Stellvertreter Thomas Schmidt übernommen werden.
Haller seit Monaten in der Kritik
Siegfried Haller, der das Amt für Jugend, Familie und Bildung seit 2000 leitete, war in den letzten anderthalb Jahren immer wieder in die Kritik geraten. So wurde dem Jugendamt etwa im Fall der Kinderbande, die bis zum vergangenen Herbst mehrere hundert Straftaten beging, vorgeworfen, zu spät eingegriffen zu haben. Haller selbst räumte im Laufe der folgenden Debatte Fehler ein.
In die Kritik geriet das Amt auch wegen des Todes einer 26-jährigen Drogenabhängigen und ihres zweijährigen Sohns im vergangenen Sommer in Gohlis. Die Frau war seit längerem vom Jugendamt und dem Allgemeinen Sozialdienst (ASD) betreut worden, doch in den Monaten vor ihrem Tod waren Besuche ausgeblieben. Im Oktober wurde ASD-Leiterin Sybill Radig von ihrem Amt entbunden, ihr Vorgesetzter Haller blieb.
Dieser hatte bereits zuvor durch den Verlust seines Doktortitels für negative Schlagzeilen gesorgt. 2011 waren auf der Internetseite Vroniplag Plagiatsvorwürfe gegen Haller laut geworden. Nach eingehender Prüfung entzog ihm die Martin-Luther-Universität Halle im Frühjahr 2012 schließlich den Doktortitel. Zur Begründung hieß es, Haller habe »grob gegen die Regeln und Standards wissenschaftlichen Arbeitens verstoßen«. Kernkritikpunkt waren die sehr vage gehaltenen Quellenangaben. Haller selbst hat die Plagiatsvorwürfe stets zurückgewiesen.
Parteien begrüßen Suspendierung und fordern Neustrukturierung des Jugendamtes
Bei Linken, Grünen und der CDU stieß Hallers Amtsenthebung auf positive Resonanz. So erklärte Katharina Krefft, sozialpolitische Sprecherin der Grünen-Stadtratsfraktion: »Die Entbindung von Siegfried Haller von der Amtsleitung im Amt für Jugend, Familie und Bildung (AfJFB) ist nach der Versetzung von Sybill Radig, der ehemaligen ASD-Leiterin, ein konsequenter und längst fälliger Schritt. Die Arbeit Hallers war immer mehr von Pleiten, Pech und Pannen geprägt, seine Kurskorrekturen wirkten eher hilflos und halbherzig, als konsequent und durchsetzungsstark.« Ihr Parteifreund Michael Schmidt hofft, dass auf die Suspendierung auch Veränderungen im Jugendamt folgen: »Durch den Rückzug Hallers ist nunmehr der Weg für eine dringend notwendige und seit längerem von uns geforderte Organisations- und Strukturanalyse des gesamten Amtes und die daraus folgende konsequente Optimierung einzelner Bereiche frei geworden. Wir erwarten dahingehend eine nunmehr konsequente und zugleich transparente Vorgehensweise, statt weiterhin nur blanken Aktionismus.« Schmidt kritisiert auch die Amtsführung Hallers: »Die vielfältigen Probleme im Bereich des ASD, des Schulhausbaus, der Kitaplatz-Kapazitäten und der Schulsporthallen, zeigen offenkundig, dass das Amt für Jugend, Familie und Bildung faktisch schon seit langer Zeit nicht professionell geführt wurde.«
Die Linksfraktion wünscht sich ebenfalls eine Überprüfung des »Megaamtes« und der Umstruktierung des Allgemeinen Sozialdienstes. In einer Pressemitteilung dankte die Fraktion Haller aber auch für seine Verdienste. Zu diesen zähle, dass Leipzig immer wieder als Projektstandort der Jugendhilfe von sich reden mache.
Auch seitens der CDU wurde Hallers Suspendierung begrüßt. Die Fraktionsvorsitzende Ursula Grimm erklärte, man habe dem Oberbürgermeister bereits im Oktober mitgeteilt, dass eine weitere Zusammenarbeit mit Haller nicht vorstellbar sei. Sie wünscht sich nun Umstrukturierungen: »Unabhängig von der Person des Amtsleiters bestehen hinsichtlich der inneren Struktur und Führung sowie bei der Organisation von Arbeitsabläufen gravierende Mängel. Vor dem Hintergrund der gigantischen Investitionsaufgaben im Bereich von Schulen und Kitas ist dieser Zustand suboptimal.«