Burkhard Jung wird weitere sieben Jahre Leipzigs Oberbürgermeister sein. Im kreuzer-Interview spricht er über die Vorteile einer Stichwahl, anstehende Herausforderungen und woran wir ihn messen können.
kreuzer: Sie haben auch im zweiten Wahlgang die 50-Prozent-Marke nicht erreicht. Sind Sie dennoch mit dem Wahlergebnis zufrieden?
BURKHARD JUNG: Sehr, angesichts des Feldes, in dem keiner, wie sonst üblich, zurückgezogen hat. Das gehörte ja über Jahre zum guten Ton, dass man, wenn man chancenlos nach dem ersten Wahlgang war, gesagt hat: »Ich mache den Weg frei, damit die Menschen auch die Möglichkeit haben, durchaus polarisierend eine wirkliche Stichwahl zu erleben.« Angesichts von fünf Bewerbern und festen Stammwählerschaften ist das ein schönes Ergebnis, insgesamt fünf Prozent mehr zu gewinnen.
kreuzer: Das Sächsische Wahlrecht sieht derzeit eine solche Stichwahl nicht vor. Wünschen Sie sich da eine Wahlrechtsänderung?
JUNG: Ja, ich fordere das seit langem. Ich bin der Meinung, dass die sächsische Wahlordnung für die Kommunen wirklich geändert werden muss, so wie viele andere Bundesländer das auch tun: Im zweiten Wahlgang wirklich die ersten beiden Kandidaten aus dem ersten Wahlgang – sofern es keine absolute Mehrheit gibt – in die Stichwahl zu schicken. Ich glaube, das könnte noch mal anders motivieren und mobilisieren.
kreuzer: Bereits zu Beginn des Wahlkampfs gab es Stimmen, die meinten, Sie könnten nur verlieren, wenn Sie große Fehler machen. Schlussendlich haben Sie zwar keine absolute Mehrheit erzielt, aber dennoch einen erheblichen Vorsprung. Haben es Ihnen Ihre Mitbewerber zu einfach gemacht?
JUNG: Ob sie es mir zu einfach gemacht haben, weiß ich nicht. Ich habe auch immer wieder auf der Straße gespürt, dass durchaus Kontinuität gesucht wird und dass man meint, man brauche doch eine gewisse Erfahrung, um das Amt auszuüben. Ich habe das ja auch lernen müssen und auch die ersten zwei, drei Jahre Lehrgeld bezahlt, bis man die große Verwaltung und die große Themenvielfalt in der Stadt überhaupt überblickt: von der Sparkasse bis zum Hundekot, von der Veterinärmedizin bis zum Ordnungsamt. Es sind eine Vielzahl von Themen, die auf dem Tisch liegen, und ich glaube, dass die Menschen sehr wohl einschätzen können, dass man keine Luftschlösser bauen darf und das Geld, was ausgegeben wird, auch erst einmal verdient werden muss.
kreuzer: Sie sind effektiv von nur knapp 15 Prozent der wahlberechtigten Leipziger gewählt wurden. Woran liegt die geringe Wahlbeteiligung?
JUNG: Ein Argument habe ich ja schon genannt: Ich glaube, dass es nicht motivierend ist, zum zweiten Wahlgang zu gehen, wenn dieselben Kandidaten wieder antreten. Ich kann darüber reden, dass wir Ferien haben, aber das nützt ja alles nichts. Und ich sage auch offen: Wenn eine deutliche Wechselstimmung in der Bevölkerung ist, gehen auch mehr Menschen zur Wahl. Was ich lerne, ist, dass wir viel besser kommunizieren müssen, was Kommunalpolitik wirklich bedeutet, wie sie eingreift in die elementaren Lebensumstände der Menschen. Ich wage die These, dass die lokalen Entscheidungen viel bedeutsamer für das Umfeld und die eigene Lebenssituation sind, als die vermeintlich großen Entscheidungen in Berlin.
kreuzer: Sie gehen Ende März in Ihre zweite Amtszeit: Heißt das für Sie, einfach weitermachen wie bisher oder gehen Sie sie mit neuem Schwung und neuen Impulsen an?
JUNG: Mein Schwung ist genauso ungebrochen wie nach dem ersten Wahlgang 2006. Wir haben ganz viel vor und müssen ganz viel schaffen. Wir müssen 2020 auf eigenen Füßen stehen. Das heißt, die Arbeitslosigkeit muss noch mal deutlich gesenkt werden. Wir brauchen dafür eine deutlich am Mittelstand orientierte Politik. Wir müssen die Kapitaldecke der hiesigen mittelständischen Unternehmen stärken. Die brauchen Aufträge, die müssen Geld von außen verdienen. Das heißt, dass wir die Vernetzung und Regionalisierung besser organisieren müssen.
kreuzer: Im Wahlkampf hatte man das Gefühl, dass einige heikle Fragen ausgeklammert wurden, wie etwa, mögliche Konsequenzen aus dem Actori-Gutachten über die Zukunft der Kulturbetriebe zu ziehen. Werden Sie derart heikle Themen jetzt auch anpacken?
JUNG: Das Actori-Gutachten hat Eingang gefunden in einen Stadtratsbeschluss, der mich beauftragt hat, in einer interfraktionellen Arbeitsgruppe im Herbst 2013 einen Vorschlag zur Neuorganisation und -strukturierung der Kulturbetriebe zu machen. Das heißt, wir sind mitten in der Arbeit und Basis dafür ist das Actori-Gutachten.
kreuzer: Sie wollen in den nächsten fünf Jahren die Arbeitslosigkeit halbieren ...
JUNG: Bis 2020. So wie in den letzten sieben Jahren die Arbeitslosigkeit halbiert wurde, ist es das ambitionierte Ziel, noch einmal die Hälfte zu schaffen. Wenn wir 2020 bei fünf Prozent einlaufen, dann haben wir die Chance, es mit Steuereinnahmen auf eigene Füße zu schaffen.
kreuzer: Gibt es Zwischenzielmarken, die Sie sich gesetzt haben, an denen wir Sie messen können?
JUNG: Die erste Zielmarke ist unter zehn Prozent 2013.