Ein filmisches Experiment, kollektiver Fettabbau, queere Musikszene und ein kleines Krematorium – die Filmstarts dieser Woche haben allerhand zu erzählen. Dazu wird eine Prinzessin in ein verborgenes Reich katapultiert. Und während ein paar Jugendliche finstere Dämonen herbeirufen, lehrt Donis mit dem Kannibalentum das Fürchten.
Dieser Film ist ein Experiment! Mittendrin im Bermudadreieck aus Drogen und Sex-Exzessen, Armutsporno und Freakshow angesiedelt, ist »Mondomanila« eine destruktive Ode ans Leben. Der Underground-Filmemacher Khavn hat ein Porträt über Teile der philippinischen Hauptstadt zusammengestellt, die man getrost die Schattenseite nennen kann. Und doch kommt diese absolut bunt daher, ist eine schäbig-schillernde Parallelwelt. Khavn zeigt in manchmal dokumentarisch anmutenden, wild aneinander geschnippelten Sequenzen kleinwüchsige Enteneier-Verkäufer und andere Tagelöhner, einen dauergeilen Gänseliebhaber und verstümmelten Breakdancer, dann mal eine Schlammcatchszene zwischen einer Hochschwangeren und deren Vermieterin. Dazwischen taucht immer wieder ein Junge namens Baby Jesus auf, der wie ein Kommentator durch den grotesken, manchmal auch ungelenken Totentanz führt. Das gibt dem Film aber den Anschein des Authentischen. Dass hier gecastet wurde, muss man erst nachlesen, um es zu glauben! Die ganze Kritik finden Sie im aktuellen kreuzer.
»Mondomanila«: 16., 18./19.5., Cinémathèque in der naTo
Die Hoffnung steht am Schluss von Ulrich Seidls »Paradies«-Trilogie, die mit »Liebe« in Cannes, »Glaube« in Venedig und mit dem letzten Teil in Berlin hintereinander bei den drei wichtigsten Filmfestivals im Wettbewerb vertreten war. Gemeinsam ist den miteinander verbundenen Frauenporträts die Suche nach den uneingelösten Sehnsüchten der Figuren, die an den Standards der gesellschaftlichen Verhältnisse zu scheitern scheinen. Dabei dient das verwandtschaftliche Verhältnis der Mutter, die in »Paradies: Liebe« (siehe kreuzer 01/2013) in Kenia das sextouristische Angebot erkundet, der Schwester, die in »Paradies: Glaube« (siehe kreuzer 03/2013) mit der Marienstatue unterm Arm auf Bekehrungstour durch die Wiener Außenbezirke geht, und der Tochter, die nun in »Paradies: Hoffnung« über die Sommerferien in ein Diät-Camp geschickt wird, als Scharnier für die dramaturgische Verbindung der Geschichten. Mit 16 anderen übergewichtigen Jungen und Mädchen soll die 13-jährige Melanie (Melanie Lenz) durch körperliche Ertüchtigung und Ernährungsberatung einige Pfunde verlieren und ihr Äußeres den gesellschaftlichen Schönheitsidealen angleichen. Im Abnehmlager herrscht ein Drill wie auf dem Kasernenhof. Seidl inszeniert den kollektiven Fettabbau als einen Prozess autoritärer Zurichtung. Das passt ins Seidl’sche Weltbild, das die körperliche Normierung der Jugendlichen anklagt, dürfte aber heute kaum der Realität solcher Diät-Camps entsprechen. Authentisch wirkt der Film, wenn er den Mädchen bei ihren Doppelstockbett-Gesprächen über die ersten Erfahrungen in Sachen Liebe zuhört und die Laiendarstellerinnen in den improvisierten Szenen das Ruder übernehmen. Denn wie die Mutter in Kenia und die Tante in ihrem religiösen Fanatismus sucht auch Melanie Trost in den Unmöglichkeiten der Liebe. Die ganze Kritik können Sie im aktuellen kreuzer nachlesen.
»Paradies: Hoffnung«: ab 16.5., Schauburg
In »And You Belong« zeichnet Julia Ostertag ein künstlerisch-dokumentarisches Porträt des Hiphop-Electro-Duos »Scream Club« und ein farbenfrohes Zeitdokument aktueller Strömungen in der queeren Musik-Szene. Über vier Jahre gedreht, erzählt der Film nicht nur die Geschichte zweier charismatischer Frauen und ihrer Freundschaft, er zeigt ein kreatives Umfeld in Berlin, wo nach wie vor Kultur ohne Kommerz möglich ist, und reflektiert dabei Gender Roles und individuelle Kreativität jenseits des Mainstreams. (Text: Cinémathèque)
»And You Belong«: 18./19.5., Cinémathèque in der naTo, am 18. in Anwesenheit der Regisseurin
Künstler-Kollektiv, Avantgarde-Band, so richtig weiß man bis heute nicht, als was man die Gruppe von vier jungen Leuten aus dem grauen Karl-Marx-Stadt bezeichnen soll. Ende der achtziger Jahre in der DDR. Schon kurze Zeit später tourte die Band durchs Land. Ihre Auftritte waren eher Performance als Konzert. Der Film zeigt Live-Mitschnitte, noch vorhandenes Film- und Videomaterial und Gespräche mit den Protagonisten. Ein Portrait der Band AG Geige finden Sie im aktuellen Heft.
»AG Geige – Ein Amateurfilm«: 16./17., 19.5. im LURU-Kino auf der Spinnerei und am 28./29.5. im Cineding
Tief im Wald, im Herzen der Wildnis, tobt seit ewigen Zeiten ein Krieg zwischen den Kräften des Guten und den dunklen Mächten des Bösen, ausgetragen von Schnecken, Vögeln und Insekten, winzigen Waldmenschen und brutalen Kriegern. Die Menschen bekommen nichts von diesen Kämpfen mit. Doch durch einen Zauber wird die junge Mary Katherine mitten in dieses verborgene Reich katapultiert.
»Epic – Verborgenes Königreich« (3D): ab 16.5., Cineplex im Alleecenter, CineStar, Regina Palast
Mia ist eine junge Frau, die mit ihrem Bruder David und Freunden zu einer entlegenen Waldhütte aufbricht, um dort ein paar freie Tage zu verbringen. Sie finden dort das Buch des Todes und rufen damit ungewollt düstere Dämonen herbei – und ein erbitterter Kampf ums Überleben beginnt.
»Evil Dead«: ab 16.5., CineStar
»Gegenwart« ist eine kommentarlose Beobachtung des anstrengenden Arbeitsalltags zwischen Heiligabend und Neujahr in einem kleinen Krematorium, das rund um die Uhr arbeitet. Die mittelständische Firma garantiert die Abfertigung eines Toten innerhalb von drei Tagen. Das ermöglicht den Bestattern sichere Planung. Hinterbliebenen wird so die Chance gegeben, rasch in den Alltag eigener Produktivität zurückzufinden. Zeitnahe Einäscherung hilft bei der frühzeitigen Trauerbewältigung, heißt es im Prospekt. Es gibt viel zu tun. (Text: Schaubühne Lindenfels)
»Gegenwart«: 16.–20.5., Schaubühne Lindenfels
Deutsche Sprache, schwere Sprache. Die Wahrheit dieses Gemeinplatzes erfahren die Teilnehmer des Berliner Integrationskurses am eigenen Leib. Über Grammatik und Vokabelpauken hinaus gibt es für die Kursteilnehmer Landeskunde, Geschichte, Unterhaltsames – und vielleicht sogar eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Auf zurückhaltende Weise erforscht Beyer die Motivationen der Schüler für den teilweise späten Lernstart. Diese sind so vielfältig wie die Zahl der Länder, aus denen die Schüler kommen. Sobald die Filmemacherin die Schüler in deren Privatleben begleitet und die weiteren Lebensumstände aufzeigt, stellt sich die Frage nach erfolgreicher Integration und den zahlreichen, auch vom Staat gelegten Steinen auf dem Weg dahin. Der Film ist ein kluges Plädoyer für das Öffnen der Augen und Hinterfragen oft nur politischer Sprechblasen. (Text: Dok.Ma 2011)
»Werden Sie Deutscher«: ab 16.5., Cineding
Unser Autor hat sich für uns Baz Luhrmanns neues Filmspektakel »Der große Gatsby« angesehen.
Der kreuzer-Liebling beim letztjährigen DOK Leipzig – »MansFeld« von Mario Schneider – feierte vor zwei Tagen seine Premiere und wurde deswegen bereits letzte Woche vorgestellt.
Filmfutter fernab der Neustarts:
Horror-Doppel mit DONIS
Dieses Mal widmet sich Donis dem Kannibalentum und schockiert mit Umberto Lenzis Filmen »Mondo Cannibale 1« (1972) und »Mondo Cannibale 2« (1977), die für Kontroversen sorgten, weil sie Tötungsszenen von Tieren teilweise in Großaufnahmen zeigen. 22.5., LURU-Kino in der Spinnerei
Weitere Filmbesprechungen und -tipps finden Sie hier und in unserer Printausgabe.
Gute Unterhaltung im Kinosessel!