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Filmkritik

Pochende Herzen in der Männerkumpanei

Die Kinostarts der Woche im Überblick

  Pochende Herzen in der Männerkumpanei | Die Kinostarts der Woche im Überblick

Kinderwunsch und bewegte Männer, öffentlichkeitsscheue Regisseure und das Fangnetz der Geschichte, zwei Berlinale-Filme, eine Trilogie, die sich selbst zu Grabe trägt und eine Komödie, die ihr Potential nicht auszuschöpfen vermag – die Neustarts in dieser Woche sind vieles und haben einiges zu erzählen.

Katja (Sabine Wolf) und Isabella (Karin Plachetka) sind glücklich verheiratet und wollen nun ein Kind bekommen. Doch der Weg dorthin ist weitaus schwieriger als gedacht. Die meisten Samenbanken und Kinderwunschkliniken lehnen mit bizarren Argumenten eine Behandlung ab. Enttäuscht stellen sie fest, dass es vor allem für sie als lesbisches Paar schwieriger ist, an Spendersamen zu kommen als für heterosexuelle Paare. Doch die beiden Frauen finden einen Arzt, der die künstliche Befruchtung durchführt. Den einzigen, wie er selbst behauptet, der im Südwesten Deutschlands lesbische Paare mit Kinderwunsch behandelt. Doch auch nach mehreren Eingriffen ist Isabella immer noch nicht schwanger und sie beschließen, selbst nach einem geeigneten Spender zu suchen. Zunehmend gerät der Beziehungsalltag der beiden Frauen durcheinander, bis Katja die Behandlung abbrechen möchte. In ihrem ersten Langfilm erzählt Anne Zohra Berrached auf spannende Weise von den Schwierigkeiten zweier lesbischer Frauen, ein Kind zu bekommen. Sind es zu Beginn von »Zwei Mütter« noch die unaufgeregten Alltäglichkeiten, die das Leben von Katja und Isabella bestimmen, gerät mit dem Kinderwunsch und dem Versuch, schwanger zu werden, ihre Welt zunehmend aus den Fugen. Ein spannendes Erstlingswerk mit zwei wunderbaren Hauptdarstellerinnen liefert Berrached mit ihrer feinen Beziehungsstudie »Zwei Mütter« ab.

 »Zwei Mütter«: ab 30.5., Kinobar Prager Frühling, ab 8.6., Cineding, 19.6., GfZK

Lange ist ein Coming-out im deutschen Film nicht so eindringlich dargestellt worden, wie in diesem Film von Stephan Lacant, der das diesjährige Berlinale-Schaufenster »Perspektive Deutsches Kino« würdig eröffnete. Pochenden Herzens erzählt der Film die Geschichte des Höherer-Polizeidienst-Anwärters Marc (überzeugend: Hanno Koffler), dem von jetzt auf gleich die sorgfältig erarbeitete Familiengründung mit Haus und Kind unter den Füßen wegrutscht, als er sich Hals über Kopf in seinen Kollegen Kay (Max Riemelt) verknallt. Der Film konzentriert sich auf seine Figurenkonstellation, in der alle sprach- und hilflos agieren, ob Marcs Familie oder die nur langsam hinter das Verhältnis kommende Männerkumpanei bei der Polizei. Die wird hier als eine der letzten homophoben Bastionen unserer Gesellschaft gezeigt, die umso lauter brüllt, je mehr sie sich in der eigenen Männlichkeit angegriffen fühlt. Der Film reiht sich ein in das junge Kino Europas mit seinem Blick auf individuelle Lebensentwürfe, die durch welche Krise auch immer zu zerbrechen drohen. Er thematisiert ein Problem, das umso schwerer wiegt, weil es für die liberalen Städter fast unsichtbar geworden ist. Doch sind Homophobie und Mobbing gerade innerhalb männlicher Strukturen gegenwärtig. Die ganze Kritik können Sie im aktuellen kreuzer nachlesen.

»Freier Fall«: ab 30.5., Passage Kinos

Murat Kurnaz (Sascha Alexander Geršak) war fünf Jahre lang unter menschenunwürdigen Bedingungen in Afghanistan und in Guantanamo auf Kuba inhaftiert, aufgrund der Tatsache, dass er sich als junger Mensch dem Islam zuwandte. Sein Gegenspieler ist der Verhörspezialist Gail Holford (Ben Miles), der im Auftrag der amerikanischen Regierung bislang jeden zum Reden gebracht hat. Doch der 19 Jahre alte Kurnaz hält stand.

»5 Jahre Leben«: ab 30.5., Schauburg

»I can't understand, how life goes on the way it does«, singt Bobby Darin melancholisch schön. Während Darins Version des Klassikers »The End Of The World« aus den Lautsprechern hallt, tanzen die junge Sita und der israelische Fotokünstler Jocquin sanften Schrittes durch den Ausstellungsraum. Es ist vermutlich der Anbeginn einer neuen Liebe und zugleich das Ende des Films. Darins Songzeile jedoch erscheint wie ein nachträgliches Statement zu dem, was Sita zuvor erlebt hat: Eine Odyssee durch ihre eigene Familiengeschichte. In ihrem vierten Film erzählt Barbara Albert (»Böse Zellen«, 2003) von einer jungen Frau, die in der dunklen Biografie ihres Großvaters nachforscht, der als SS-Mann in Auschwitz tätig war. Immer wieder versucht Albert Sitas familiäre Spurensuche mit deren Suche nach sich selbst und nach Orientierung zu verweben. Doch so ganz wollen die Erzählstränge nicht miteinander harmonieren. Sitas Figur wirkt unausgereift, um deren Wandel glaubhaft nachzuvollziehen. Einzig, wenn Sita mit ihrem Vater über die Familienvergangenheit aneinandergerät, scheint der Film sich tatsächlich gefunden zu haben: »Wir wollen immer die Wahrheit wissen«, reagiert der Vater wutentbrannt auf die Fragen seiner Tochter. »Als ob das schon die Lösung wäre!« Und trifft damit den Kern des Films. Die ganze Kritik können Sie im aktuellen kreuzer nachlesen.

»Die Lebenden«: ab 1./2., 5., 7./8.6., Schaubühne Lindenfels

»Terrence sieht sich als jemand, der ein Haus baut, aber er will es dann nicht auch verkaufen müssen«, sagte Brad Pitt über den öffentlichkeitsscheuen Regisseur Terrence Malick bei einer Pressekonferenz zu »The Tree Of Life« 2011. Malick hatte es verweigert, sich den Fragen der anwesenden Journalisten zu stellen – und überließ dies seinem Cast. Kaum mehr als ein Jahr lag zwischen der Fertigstellung von »The Tree Of Life«, der in Cannes am Ende mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde, und der Erstaufführung von Malicks neuem Film »To The Wonder« beim Filmfestival in Venedig im vergangenen Jahr. Während das Liebesepos mit Ben Affleck, Olga Kurylenko und Rachel McAdams in den Hauptrollen gerade weltweit in den Kinos anläuft, hat Malick bereits drei weitere Filme abgedreht. Das ist ein erstaunlicher Rhythmuswechsel für den amerikanischen Filmemacher, der in fast vierzig Jahren lediglich fünf Filme machte. Malick schrieb, produzierte und drehte in den siebziger Jahren zwei Filme – »Badlands« (1973) und »In der Glut des Südens« (1978) – bevor er sich für zwanzig Jahre aus dem Filmgeschäft zurückzog und sich fantastische Mythen um den Verbleib des Regisseurs rankten. Erst 1998 kehrte er mit dem poetisch anmutenden Kriegsfilm »Der schmale Grat« erfolgreich auf die große Leinwand zurück. 2005 folgte der Abenteuerfilm »The New World« und 2011 besagter »The Tree Of Life«. Nun erzählt Malick die Geschichte von dem Amerikaner Neil und der Französin Marina, die sich ineinander verlieben. Gemeinsam mit Marinas Tochter ziehen sie von Paris in eine Kleinstadt in Oklahoma. Dort wird ihre Beziehung bald vom Alltag auf die Probe gestellt. Marina fühlt sich fern der Heimat fremd und unverstanden und sucht in Neils Liebe eine Bestätigung, die er ihr nicht geben kann. Gerade Malicks jüngste Arbeiten verlangen Geduld vom Zuschauer. Wie schon »The Tree Of Life« ist auch »To The Wonder« vor allem ein sinnlicher Bilderrausch, hinter dem die Geschichte mehr und mehr verwässert und sich die Figuren hinter ernsten Gesichtern verschanzen.

»To the Wonder«: ab 30.5., Passage Kinos

Im Jahre 1982 kehrt der israelische Basketballtrainer Max Stoller (Danny Houston) nach 30 Jahren wieder zurück in sein Heimatland Deutschland. Dort soll er die erfolglose deutsche Basketball-Nationalmannschaft trainieren, um sie auf ein internationales Niveau zu bringen. Mit dieser Entscheidung macht er sich aber nicht nur Freunde. Viele Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust sind die schrecklichen Taten der Deutschen nicht vergessen – vor allem nicht in Israel. Zudem muss sich Max Stoller auch noch mit seinen eigenen schmerzlichen Erinnerungen auseinandersetzen, als er das alte Viertel seiner Kindheit besucht. Doch Stoller ist nicht mehr länger willkommen, seit er die deutsche Mannschaft trainiert. Mit der Übernahme des Trainer-Amtes will der Basketball-Coach zur Versöhnung zwischen dem deutschen Volk und den Israelis beitragen, doch mit seinem Engagement spaltet er mehr, als dass er vereint. Filmemacher Eran Riklis (»Die syrische Braut«, 2004, »Die Reise des Personalmanagers«, 2009) hat aus dieser Geschichte eine atmosphärisch dichte Charakterstudie gemacht. Im September läuft bereits Riklis neuer Film »Zaytoun« in den deutschen Kinos an.

»PlayOff«: 30./31.5., 1., 3.-5., 24.6., Kinobar Prager Frühling

Als der adoptierte Alejandro (Ben Barnes) seine Freundin Missy (Amanda Seyfried) heiraten möchte und zur Hochzeit seine leibliche Mutter einlädt, führt dies zu allerlei Problemen. Alejandros Mutter ist streng gläubig und Alejandros Adoptiveltern Don (Robert De Niro) und Ellie (Diane Keaton) sind seit Jahren geschieden. Also entschließt sich die Familie zu einem ungewöhnlichen Schritt. Während der Feierlichkeiten sollen Don und Ellie das glücklich verheiratete Paar mimen. Konflikte sind vorprogrammiert, allen voran in der Person von Dons neuer Freundin Bebe (Susan Sarandon), die auch noch Ellies beste Freundin ist.

»The Big Wedding«: ab 30.5., Cineplex im Alleecenter, CineStar

Für Alan (Zach Galifianakis) ändert sich alles, als sein Vater stirbt und er in eine schwere Lebenskrise stürzt. Er steht kurz davor, in eine Nervenklinik für psychisch Kranke eingeliefert zu werden. Alan fehlen seine drei besten Freunde und er versucht, sich mit durchgeknallten Ideen von der Trauer und dem Frust abzulenken. Aber letztlich sind es Phil (Bradley Cooper), Stu (Ed Helms) und Doug (Justin Bartha), die ihm nur helfen können.

»Hangover 3«: ab 30.5., Cineplex im Alleecenter, CineStar, Regina Palast

In bunten, faszinierenden Bildern beschwört der französische Filmemacher Olivier Assayas (»Carlos – Der Schakal«, 2010) in seinem neuen Film »Die wilde Zeit« das Lebensgefühl der frühen siebziger Jahre herauf. In unserer Mai-Ausgabe plaudert Assayas über die Hintergründe zu seinem Film, den Pariser Mai '68 und jugendliches Aufbegehren. Hier finden Sie nun unsere Filmbesprechung.

Weitere Filmbesprechungen und -tipps finden Sie hier und in unserer Printausgabe.

Gute Unterhaltung im Kinosessel!


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