Wie sichern wir unabhängigen Journalismus? Anlässlich der aktuellen Ausgabe des kreuzer und der Gründung der Initiative Stadtjournalismus luden wir zur Podiumsdiskussion. Neben Finanzierungsideen und Diskussion der aktuellen Lage des Lokaljournalismus, bekam nicht nur die LVZ Schelte. Auch der kreuzer müsste einiges besser machen, war der Tenor im Publikum.
Es war ja schon nicht einfach, überhaupt hinzukommen. Etwa eine halbe Stunde bevor die Podiumsdiskussion beginnen sollte, ging auch das Gewitter los, das unter anderem Brückenunterführungen und damit auch Zufahrtswege zur Halle 14 unpassierbar zuspülte. Nichtsdestotrotz hatten sich knapp 40 Menschen am Donnerstagabend in der Spinnerei versammelt – einige von ihnen bis auf die Haut durchnässt – und wurden von Geschäftsführer Stephan Schwardmann als »Helden« begrüßt. Anlässlich der aktuellen Ausgabe und der Frage »Wie doof sind wir eigentlich« wollte der
kreuzer die Situation des unabhängigen Lokaljournalismus diskutieren.
Chefredakteur Andreas Raabe erklärte den Anlass für die selbstreferenzielle Themensetzung damit, Transparenz zeigen zu wollen. »Bei einer Blattkritik war ein externer Journalist einmal ganz überrascht, dass die meisten von uns das nicht als ihren richtigen Job machen.« Die Schwierigkeit war natürlich, wie man solch eine Titelgeschichte über sich selbst angeht. »Wir wollten keinesfalls jammern, keinen Fatalismus verbreiten und das Ganze nicht allzu schwer aufarbeiten.«
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Auch die
Stadtrevue, das Kölner Stadtmagazin, hat ähnliche Probleme, sich zu finanzieren, veranstaltet daher jährlich eine Museumsnacht und bringt einen Gastroführer heraus, wie Geschäftsführerin Monika Peters erklärt. Die
taz hat mit ihrer Genossenschaft ein eigenes, funktionierendes Modell gefunden. Doch das lasse sich nicht einfach kopieren, berichtet die Leiterin der
taz-Genossenschaft Konny Gellenbeck, da es über Jahrzehnte gewachsen ist. »Wir sind ja seit 30 Jahre in der Krise.« Aber auch die
taz musste einen »Gemischtwarenladen« zur Finanzierung erbauen – von taz-Kaffee bis zur freiwilligen Paywall auf der Website.
Ursprünglich sind sowohl die
taz als auch die Stadtmagazine entstanden, um eine Gegenöffentlichkeit darzustellen. Doch längst bilden auch die Mainstreammedien Subkulturen ab, sind Themen wie Feminismus oder Atomkraft etabliert, zumal das Internet hervorragende Möglichkeiten auch für Minderheiten bietet, sich eine Öffentlichkeit zu schaffen. Raabe sieht daher den heutigen Ansatz darin, überhaupt erstmal eine Medienvielfalt in der Stadt zu schaffen, Peters fordert dazu auf, mehr Stellung zu beziehen. »Nicht immer dieses Sowohl-als-auch«.
Diese Ansätze gehen Michael Haller, Journalist und Medienwissenschaftler, nicht weit genug. »Mit Verlaub, Medienvielfalt allein reicht nicht.« Magazine wie der
kreuzer bräuchten einen eigenen »Sound« und ein klares journalistisches Profil. Haller fordert mehr gut erzählte Geschichten, neue Herangehensweisen, mehr Hintergründe und Engagement, um die Lücke zu füllen, die »das Grauen« der
LVZ hinterlässt. »Das hätte einen Markt, dächte ich.« Ein gutes Beispiel sei Stuttgart, wo sich aus der Stuttgart 21-Bewegung heraus ein eigenes Medium entwickelt hätte als Gegenpol zu den beiden dominierenden Zeitungen.
Zum Ende der Diskussion unter der Moderation von Philipp Amelungsen melden sich die Leser zu Wort, die durch spezielle Abonnements oder Mitgliedschaft in der neu gegründeten
Initiative Stadtjournalismus die Arbeit des
kreuzer unterstützen können. »Dazu müsste ich sehen können, was ihr machen würdet, wenn ihr denn könntet«, sagt eine Zuhörerin. Das sei oft nicht zu erkennen. Ein weiterer Besucher hat nicht den Eindruck, dass der
kreuzer allen eine Stimme gibt. »Es gibt zum Beispiel so viele Karikaturisten in Leipzig, die nie vorkommen.« Einer, der fälschlicherweise denkt, er sei hier auf einer Veranstaltung des Lindenthaler (»Oh, da war ich wohl auf dem falschen Dampfer«) kann im
kreuzer kaum ein »Dagegen« ausmachen. Konkrete Vorschläge und Forderungen hat der Grünen-Politiker Jürgen Kasek: Mehr Facebook und Twitter, mehr Meinung, mehr Selbstbewusstsein, mehr Mut. »So wie die Debatte um Hermann Nitsch. Das hat der
kreuzer gut begleitet, hätte aber auch die Podiumsdiskussion dazu präsentieren müssen. Oder mehr beim Roten Stern präsent sein, nicht nur durch ein Banner.« Dass der
kreuzer sich »Subjektiv. Selektiv« auf die Fahenen geschrieben hat, kann ein Gast nicht nachvollziehen. »Ich kann keinen Autor mit einem eigenen wieder erkennbaren Stil ausmachen. So wie Guido Schäfer bei der
LVZ – egal,was man von ihm hält.« Ein ehemaliger Handverkäufer erzählt, dass er den
kreuzer nie wegen seiner redaktionellen Geschichten losgeworden ist. »Und bei Studenten habe ich es gar nicht mehr versucht.«
Nach zwei Stunden ist die Veranstaltung vorbei, doch die Diskussionen gehen weiter. Und inzwischen ist die Brückenunterführung auch wieder freigepumpt.
Gegenöffentlichkeit erhalten. Für unabhängigen Journalismus! - Das kreuzer-Podium from
michael doelitzsch on
Vimeo.