Da ist sie also. Pünktlich kurz nach acht steht Patti Smith ohne Vorbandgeplänkel auf der Bühne, so dass die Raucher von draußen etwas in Eile geraten, um sich durch das ja leider immer so schlauchförmige Werk 2 nach vorne zu kämpfen. Restlos ausverkauft ist es hier, aber schließlich ist Patti Smith fast schon vierzig Jahre nach ihrem Debüt »Horses« zum allerersten Mal in Leipzig. Und wenn grauhaarige Menschen neben einem vor Begeisterung kreischen, kann man nahezu fühlen, wie lange einige hier darauf gewartet haben.
Aber es bleibt einem auch kaum etwas anderes übrig, als sofort in eigene Total-Begeisterung zu verfallen, sobald sie auf der Bühne steht. Solche Kraft, solche Wut, aber auch solche gute Laune strahlt sie aus, dass ich ein Handyfoto machen muss, obwohl ich Menschen nicht ausstehen kann, die auf Konzerten Fotos machen, weil das immer die Stimmung zerstört. Aber da ist Patti Smith und sie ist etwa fünf Meter von mir entfernt. Alles verwackelt. Eine Frau hinter mir tippt mich an: »Ich bin nicht hier, um dein Handy zu sehen.« Sofort erwischt. Handy weg und aufgepasst jetzt.
»Happy Independence Day, Edward Snowden«, sagt Patti Smith oben auf der Bühne und bringt mit diesem kurzen Statement die ganzen Widersprüche um den Freiheitsfreund USA und seine Datensammlungen einfach auf den Punkt. Immer wieder macht sie Ansagen, winkt ins Publikum und freut sich sichtlich. Ihr Stil hat sich seit den alten New York-Zeiten kaum verändert, in Jeans, T-Shirt, Weste und Jackett und mit langen, leicht zerzausten Harren tanzt sie, ballt die Faust, spielt die Gitarren. Und singt. Viele alte Lieder der frühen Alben bis zum Titelsong ihres aktuellen Albums »Banga«, der zeigt, dass die Wut noch längst nicht vergangen ist.
Johnny Depp und seiner Mutter, Amy Winehouse oder einem treuen Hund, ihnen widmet sie ihre Lieder. Und natürlich Bach und Leipzig. Begeistert zeigt sie sich von der Tatsache, dass es hier ein Kaffeemuseum gibt, wie sie in einem improvisierten Akustikgitarren-Song über ihre Liebe zum Kaffee erwähnt. Zwischendurch lässt sie ihren Bandkumpanen Lenny Kaye alleine mit den Musikern singen und spielen, begibt sich zum Publikum und schaut ihm dabei zu, klatscht mit.
Bevor sie selbst wieder auftaucht und Hits wie »Because the night«, »Gloria«, »Rock’n’Roll Nigger« oder »People have the Power« spielt. Und verdammt, ihr glaubt man sogar, dass das Volk doch noch Macht hat. Nicht nur in Ägypten, wohin sie von hier aus ihre Unterstützung schickt. Und uns dann alle ermahnt, uns unsere Freiheit zu nehmen. Immer mehr Fäuste im Publikum werden geballt. Ja, wir alle sind fucking nigger, nicht nur Jesus. Und dann noch mal Snowden. »They don’t want you/But we are here/ Thinking of you« dichtet sie ihre Lyrics um.
Und man hat das Gefühl, bei etwas Relevantem dabei zu sein. Einem Konzert, das mehr ist als beste Unterhaltung. Die Hoffnung, dass nicht nur der Rock’n’Roll nie sterben wird, sondern auch die Rebellion.