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Filmkritik

Eine Pistole in jeder Hand

Die Kinostarts im Überblick und was sonst noch so Filmisches in der Stadt geschieht

  Eine Pistole in jeder Hand | Die Kinostarts im Überblick und was sonst noch so Filmisches in der Stadt geschieht

Was hat Zauberpop mit acht leidvollen Männern zu tun? Hm, wissen wir auch nicht, aber die Neustarts ganz sicher. Die wissen auch, was blauäugige Straßenmusiker mit einer Mülltonne treiben, warum es manchmal doch so etwas wie eine zweite Chance gibt und reichen etwas Nervenfutter aus einer Notrufzentrale. Unser Tipp der Woche: Verbringen Sie etwas Zeit im Kinosessel mit der kleinen Maisie.

Üblicherweise sollten sich Mütter und Väter den Kopf zerbrechen, was das Beste für das Kind nach einer Trennung ist. Doch Susanne (Julianne Moore) und Beale (Steve Coogan) scheren sich vor allem darum, wer die Nase vorn hat im Sorgerechtsstreit um die gemeinsame Tochter, die sechsjährige Maisie (Onata Aprile). Die Beziehung der beiden liegt erschöpft am Boden, das Mädchen dient als Spielball. Ihr üppig eingerichtetes Kinderzimmer ist lediglich Kulisse eines vermeintlich behüteten Elternhauses. Der Roman »Maisie« (1897) von Henry James über ein Scheidungskind lieferte die Vorlage für die neueste Arbeit von Scott McGehee und David Siegel (»Trügerische Stille«, 2001). Das Regie-Duo hat die Geschichte aus dem historischen Setting gekonnt ins heutige New York und mit einem überzeugenden Schauspielerensemble, allen voran Onata Aprile als Maisie, übertragen. Statt daraus ein hollywoodübliches Scheidungsdrama zu basteln, bei dem sich alle Tragik um die streitenden Parteien schnürt, konzentriert sich der Film ganz auf Maisie und erzählt konsequent aus deren Perspektive. Damit verbündet sich der Film auch auf inszenatorischer Ebene mit seiner jungen Heldin. So bruchstückhaft sich die Ereignisse für die Kleine zusammensetzen – plötzlich ist der Vater mit dem Kindermädchen (Emma Holzer) verheiratet, die Mutter hat einen Alibi-Ehemann (Alexander Skarsgard) – so puzzlegleich fügt sich für uns die Geschichte zu einem Ganzen. McGehee und Siegel liefern ein klares und vor allem wichtiges Statement zu aktuellen Sorgerechts- und Erziehungsdebatten. Denn wer hat eigentlich behauptet, dass vier Hände bei der Kindeserziehung ausreichen und dass leibliche Eltern immer die besseren sind? Die ganze Kritik können Sie im Juli-kreuzer nachlesen.

»Das Glück der großen Dinge«: ab 11.7., Schauburg

»Eine Pistole in jeder Hand« – so lautet die Übersetzung des spanischen Originaltitels. Das klingt nach rauchenden Colts und heißblütigen, spanischen Frauenhelden. Doch genau dieses Klischee vom selbstbewussten spanischen Mann ist, zumindest wenn man Cesc Gays ironischem Komödienreigen Glauben schenken darf, längst überholt. Der deutsche Titel des Films lautet inhaltsleer »Ein Freitag in Barcelona«. Darin lässt der Regisseur je zwei seiner acht Hauptfiguren in kammerspielartigen Situationen aufeinandertreffen und über Beziehungen und das Leben philosophieren. Die Männer – alle um die 40 – ziehen ein ernüchterndes Resümee ihrer aktuellen Lebenssituation. So etwa G. (Ricardo Darín), der mehr oder minder zufällig den Liebhaber seiner Ehefrau kennenlernt, aber keine Ahnung hat, was er nun mit dieser neuen Information tun soll. Schließlich wusste er schon lange, dass seine Frau ihn betrügt. In den Rollenklischees des Films erscheinen die Frauen als das starke Geschlecht, die die selbstmitleidigen Jammerlappen um sie herum in ihre Schranken weisen.»Ein Freitag in Barcelona« ist eine kurzweilige Komödie, besetzt mit Stars des spanischen Kinos wie Luis Tosar oder Javier Cámara. Ihr fehlt – ähnlich wie den Hauptfiguren – der Mut, sich auszuprobieren und Risiken einzugehen. Die ganze Kritik können Sie im Juli-kreuzer nachlesen.

»Ein Freitag in Barcelona«: ab 11.7., Kinobar Prager Frühling, am 19.7. Sommerkino auf der Feinkost

Mit David Copperfield wurde die Zauberkunst modern. Er spazierte schnurstracks durch die Chinesische Mauer und ließ vor laufender Kamera die Freiheitsstatue verschwinden. Nur zu gern gab sich sein Publikum dieser Illusion hin. Doch das Staunen und Wundern von damals ist einem abgeklärten Gähnen gewichen. Längst weiß man, welche banalen Tricksereien hinter den unglaublichen Illusionen steckten. Im Kino sorgt nun der Film »Die Unfassbaren« für eine Art Wiederbelebung der magischen Faszination von damals. Denn der französische Regisseur Louis Leterrier mischt den fast verloren geglaubten Zauber mit der Coolness eines Teams à la »Ocean's Eleven« und verortet sein Geschehen in poppig bunten Bildern. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen »The Four Horsemen«, ein Zauberquartett, das durch die mysteriöse Nachricht eines geheimnisvollen Unbekannten zusammengeführt wurde. Vor den staunenden Augen des Publikums rauben sie eine Bank aus und lassen ihr millionenschweres Diebesgut durch die Arena wirbeln. Hier verbindet sich die Illusion mit der Wirklichkeit, denn Diebstahl und Beute sind real. Natürlich bleibt ein solcher Raubzug auf offener Bühne vom FBI nicht unbeobachtet. Doch je näher die Polizisten den Zauberkünstlern und ihren Tricks zu kommen scheinen, desto leichter ist es für die Magier, ihre Verfolger zu täuschen. Die ganze Kritik können Sie im Juli-kreuzer nachlesen.

»Die Unfassbaren«: ab 11.7., Cineplex im Alleecenter, CineStar, Regina Palast

Jordan (Halle Berry) arbeitet bei der Polizei von Los Angeles in der Notrufzentrale. Eines Tages macht sie während eines Gesprächs einen Fehler und ein Einbrecher tötet ein Mädchen. Monate später erhält Jordan einen ähnlichen Anruf: Ein unbekannter Mann hat die 16-jährige Casey (Abigail Breslin) entführt. Jordan setzt alles daran, ihren Fehler wieder gutzumachen. In »The Call – Leg nicht auf« von Brad Anderson (»Der Maschinist«, 2004) wird Oscar-Gewinnerin Halle Berry als Notruf-Telefonistin in ein nervenaufreibendes Katz-und-Maus-Spiel mit einem Serienkiller verwickelt – der sich leider zum Ende hin auf zunehmend lächerliche Handlungspfade begibt.

»The Call – Leg nicht auf«: ab 11.7., CineStar

Investmentbanker Frank (Hans-Werner Meyer) ist ein Überflieger. Der Job seines Lebens, der ihm den endgültigen Durchbruch in die Chefetage bringen würde, bahnt sich an. Am Flughafen auf dem Weg nach Paris leiht er der Schriftstellerin Patrizia Munz (Jessica Schwarz) spontan das Geld für ein Upgrade ihres Tickets. Die junge Frau hat es ebenfalls eilig, nach Paris zu kommen. Ihr Geliebter liegt nach einem Autounfall im Koma. An seinem Bett auf der Intensivstation muss sie feststellen, dass dort bereits dessen Ehefrau Françoise (Sandrine Bonnaire) sitzt. Die erkennt, dass sie die Entscheidung über Leben und Tod ihres Mannes nur gemeinsam mit Patrizia treffen kann. Doch Patrizia will sich damit nicht auseinandersetzen. Auch Frank kommt wieder nach Deutschland, sein Millionendeal hat nicht geklappt. Beide kehren jedoch nach Paris zurück, um neu anzufangen und erneut kreuzen sich ihre Wege. »Adieu Paris« schildert die außergewöhnliche Geschichte von drei Menschen, die durch einen Unfall, einen Zufall und Paris verbunden sind und alle auf eine zweite Chance hoffen.

»Adieu Paris«: ab 11.7. Passage Kinos, ab 1.8. Schauburg

»Das Leben ist doch viel zu schön. Wenn wir die ganze Zeit in unserer Wohnung rumhockten, würden wir doch alles verpassen.« An Schönwetter-Tagen fällt es Elias Gottstein und Carl Louis Zielke leicht, sich das Leben und Musizieren auf der Straße schönzureden. Denn dann ist es schön. Das Duo trifft auf hilfsbereite Menschen, kann im Freien schlafen, das Leben genießen. Bei Regen und Kälte ist das Straßenmusikerdasein weniger attraktiv. Die Höhen und Tiefen, auch die Downer, des Duos Guaia Guaia zeigt der Film »Unplugged:Leben«. Ein Kamerateam um den Regisseur Sobo Swobodnik hat die zwei Musiker begleitet, die beschlossen, 2010 ihre Wohnung in Frankfurt am Main aufzugeben. Seitdem ziehen sie umher, als wichtigstes Reisegepäck immer eine Mülltonne dabei. Wenn das zigste Lied das freie Leben am Strand und anderes Hippieskes in sanft gekräuselten Melodiewellen besäuselt, hilft eigentlich nur die Fast-Forward-Funktion. Der Film konterkariert solche Romantisierungen immer wieder, wenn er die Jungs beim Frieren in einem besetzten Bahnhäuschen zeigt oder beim Flüchten vor der Polizei. Insgesamt ist der Film zu lang geraten, wiederholen sich die blauäugigen Botschaften der Protagonisten. Aber zwischendurch blitzt auch Hochlustiges auf. Die ganze Kritik können Sie im Juli-kreuzer nachlesen.

»Unplugged: Leben – Guaia Guaia«: 11.-13., 15./16.7., Cinémathèque in der naTo

Indierocker trifft auf Idealistin, arroganter Ehrgeiz prallt auf nerdiges Öko-Strebertum – das sind Max und Inge. Und die beiden hassen sich amtlich, spätestens seit er den ebenso erfolgreichen wie beleidigenden Song »Wenn Inge tanzt« über sie geschrieben hat.

»Systemfehler – Wenn Inge tanzt«: ab 11.7., Cineplex im Alleecenter, CineStar, Regina Palast

 

Filmfutter jenseits der Neustarts:

Filmriss Filmquiz:

Denn sie quizzen nicht, was sie tun. Lars Tunçay & André Thätz fragen sich quer durch die Filmgeschichte und haben jede Menge toller Preise im Gepäck.

12.7., Conne Island Freisitz

Weitere Filmbesprechungen und -tipps finden Sie hier und in unserer Printausgabe.

Gute Unterhaltung im Kinosessel!


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