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Filmkritik

Leben in der Warteschleife

Film des Monats: »Frances Ha« von Noah Baumbach

  Leben in der Warteschleife | Film des Monats: »Frances Ha« von Noah Baumbach

»Und was machst du?«, fragt einer der Gäste beim Abendbrot Frances (zum Verlieben: Greta Gerwig). »Schwer zu erklären«, entgegnet die 27-Jährige. Nicht etwa, weil es so kompliziert ist, was Frances macht, sondern weil sie es schlicht und ergreifend irgendwie gar nicht macht. Die sympathisch erfolglose Tänzerin Frances ist titelgebende Heldin in dem neuen Film von Noah Baumbach (»Greenberg«, 2010), der ein melancholisch-schönes wie treffendes Porträt New Yorker Endzwanziger zeichnet.

»Manchmal ist es gut zu tun, was man tun sollte, wenn man es tun sollte.« Oder? Zumindest glaubt das Frances, die gerade ihre nagelneue Kreditkarte für einen Trip nach Paris ausgereizt hat. Dabei sitzt die 27-Jährige nicht nur auf der Straße, sondern hat auch keinen richtigen Job. Vor Jahren ist Frances von Sacramento nach New York gezogen, um Tänzerin zu werden. Seither hängt sie in der Warteschleife. Statt im Ensemble einer Kompanie zu tanzen, hofft Frances – noch immer im Lehrlingsstatus verharrend – auf den großen Durchbruch. Bei Proben steht sie in der zweiten Reihe und wird auch mal vor die Tür beordert, wenn es um den Feinschliff von Attitüde und Pirouette geht. Dass Frances überhaupt noch dabei ist, liegt vor allem daran, dass die Leiterin sie mag. Wie viele andere Künstler in der Stadt hält sie sich mehr schlecht als recht über Wasser.

Frances (Greta Gerwig, »Lola gegen den Rest der Welt«, 2012) ist die titelgebende Heldin in Noah Baumbachs neuem Film »Frances Ha«. Kümmerte sich der US-amerikanische Regisseur und Drehbuchautor von Wes Anderson in »Greenberg« (2010) noch um die Neurosen und Verdrehtheiten der Ü40-Generation, widmet er sich nun liebevoll den Schieflagen von New Yorker Endzwanzigern. Genauer gesagt: den jungen Kreativen, die rund um den Big Apple ihr großes Glück versuchen und sich an den ökonomischen Zwängen der Stadt reiben. »Wer in New York Künstler sein will, muss reich sein«, hält Frances' beste Freundin Sophie (Mickey Sumner) als Ratschlag bereit. Für ausschweifende Sinnsuchen ist hier mittlerweile kaum noch Platz. Stattdessen kriseln viele um die Selbstdefinition herum und suchen vergeblich nach der Balance zwischen persönlicher Freiheit und dem Wunsch nach Sicherheit.

Baumbach läuft nicht Gefahr, seine Geschichte in einer hipsteresken Nabelschau zu ersticken. Vielmehr entwirft der Independentfilmer ein leichtes sowie melancholisch-schönes Porträt einer geradezu sympathisch erfolglosen Frau und fängt damit perfekt den Rhythmus und das Lebensgefühl einer ganzen Generation ein. Auch Frances hat eine Menge unrealistischer Erwartungen an ihre Zukunft. Nur zögerlich gesteht sie sich ein, dass sie einige davon wohl nicht umsetzen wird. Ihr Körper scheint viel zu ungelenk, um jemals der einer professionellen Tänzerin zu werden, und auch sonst driftet ihr Leben in unruhige Fahrwasser ab. Die Beziehung ist vorbei, Sophie löst die gemeinsame WG auf und der neue Mitbewohner stuft sie sofort als »undatable« ein. Frances schleppt sich von WG zu WG, von Stadtteil zu Stadtteil. Als alles nichts hilft, zieht sie für kurze Zeit jobbedingt in die New Yorker Provinz. Die Ruhe in der Natur habe etwas Inspiratives, gaukelt sie nicht nur ihren Eltern am Telefon vor, sondern auch sich selbst. »Ich versuche, mein Leben proaktiv anzugehen«, beschließt Frances. Was genau das heißen soll, weiß sie vermutlich selbst nicht. Erst eine missglückte Parisreise und die Einsicht, dass die Verwaltungsetage der Tanzkompanie vielleicht keine schlechte Zwischenlösung ist, lassen die rastlose junge Frau ein wenig zur Ruhe kommen.

Ein bisschen erinnert Baumbachs schwarz-weißes Großstadtmärchen an die frühen Filme Woody Allens. Der Filmemacher macht keinen Hehl daraus, dass ihn das New Yorker Urgestein schon seit der Jugend begleitet. Wenn Frances auf der Suche nach einem Geldautomaten durch ganz Manhattan eilt, hinfällt und wieder aufsteht, nur weil sie unbedingt die Rechnung für ein Abendessen mit einem Typen selbst übernehmen möchte, ist das eine deutliche Referenz an die Schlussszene aus Allens »Manhattan« (1979).

Greta Gerwig, die das Gesicht des amerikanischen Indiefilms – insbesondere der Mumblecore-Bewegung – mitgeprägt hat, hat das Drehbuch mit Baumbach gemeinsam verfasst. Vermutlich ist es ihr auch zu verdanken, dass Baumbachs Film im Mumblecore-Gewand daherkommt und eine Geschichte erzählt, die das Leben ganz ohne dramatische Einbrüche und Wendungen zeigt. Stattdessen konzentriert sich Baumbach auf ein realistisches New-York-Bild. Gedreht wurde in einer ehemaligen Wohnung der Schauspielerin in Chinatown. Gerwig lieh ihrer Filmfigur auch Klamotten aus ihrem Kleiderschrank.

»Frances Ha« erzeugt eine ungeheure Anziehungskraft. Schwer vorstellbar, dass jemand nicht Frances’ Charme erliegt. Was wäre es für eine Freude, mit ihr gemeinsam Pirouetten auf dem Zebrastreifen zu drehen, nachdem endlich eine Steuerrückzahlung ins Haus geflattert ist. Und natürlich würde man mit ihr den Kurztrip nach Paris des Jetlags wegen verschlafen. Einfach aus Sympathie. Plötzlich scheint doch sehr vergnüglich, sein Leben auch mit Ende zwanzig noch nicht im Griff zu haben.


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