Die Sonne brennt auf eine der immer weniger werdenden Brachen in Plagwitz, der Tonmeister ist unter seinen Kopfhörern leicht genervt: »Und jetzt warten wir noch mal, bis auch der Bagger vorbeigefahren ist.« Das Baustellenfahrzeug rumpelt langsam an der Straße neben dem Set vorbei, jetzt kann die Tonaufnahme beginnen. »Hoch auf dem gelben Wagen« soll im Chor gesungen werden, Regisseur Karl-Friedrich König dirigiert die anwesenden Statisten, alle singen ein wenig zu zögerlich – und das Ganze bitte noch einmal von vorne.
Ich bin am Set zur Vorproduktion des Trailers der Groteske »Der schwarze Nazi«. Dieser Trailer ist der Startschuss für die Produktionsphase des Langspielfilms, der im Sommer 2014 von den beiden unabhängigen Leipziger Regisseuren Karl-Friedrich und Tillmann König produziert wird. Außerdem dient er als optischer Appetithappen für eine noch gesuchte Koproduktionsfirma und potentielle Förderer. Das Low-Budget von 20.000 bis 30.000 € soll außerdem über Crowdfunding organisiert werden.
Gleich dem Statistenchor, der den Audio-Take für das Volkslied wiederholt, wiederholen die König-Brüder ihr gesamtes Vorhaben: Die Geschichte von Sikumoya, dem schwarzen Nazi, verfilmten sie bereits 2006. Wieso noch einmal? Den ersten Film wollten trotz einiger handwerklicher Schwächen 6.000 Menschen sehen, die absurde Idee des Films hatte wohl einen Nerv getroffen und trifft immer noch einen Nerv, sagt Karl-Friedrich König. Also: Auf ein Neues, diesmal mit professionellem Cast und Crew. Als Hauptdarsteller haben die Brüder den Berliner TV-Schauspieler Aloysius Itoka an der Hand, ein hochgewachsener Mann mit eleganten Bewegungen, der sagt, er fühle sich von der komplexen Thematik des Drehbuchs angesprochen. Ihn reize es, dass die Gesinnung seiner Figur noch nicht eindeutig klar ist und sich im Arbeitsprozess ergeben wird.
Sikumoya ist Kongolese und Geschichtslehrer. Eifrig macht er einen Einbürgerungskurs, beschäftigt sich mit der Frage »Was ist deutsch?«, will er doch unbedingt »deutsch« sein, als Deutscher anerkannt werden – nur leider klappt es nicht. Er bleibt konfrontiert mit alltäglichen Ressentiments: Leute reden Ausländerdeutsch mit ihm, er wird abschätzig gemustert, im Bus setzt man sich weg von ihm. Schließlich bricht er zusammen, wandelt sich vom Opfer zum Täter, wird nationaler Deutscher, ja sogar Integrationsbeauftragter in der NPO (Nationale Partei Ost), kontrolliert Ausweise, wettert gegen Träger von Thor-Steinar-Jacken, die in Asien produziert wurden.
Die beiden Regisseure sind seit jungen Jahren schon von dem Thema Rassismus umgeben. Als Söhne des Jenaer »Anti-Nazi-Pfarrers« (taz) Lothar König hatten sie stets Kontakt zu ausländischen Jugendlichen und Flüchtlingen, die zum Teil im eigenen Haus quartiert waren. Auch aus diesem biografischen Fundus der Brüder gestaltete sich die groteske Idee des schwarzen Nazis, bei der das ideologische Anlernen von Identitäten gezeigt und ad absurdum geführt wird. Wir wünschen bestes Gelingen und warten gespannt.