An dieser Stelle veröffentlichen wir das Editorial der Oktober-Ausgabe des kreuzer. Chefredakteur Andreas Raabe erklärt, was es in diesem Heft zu lesen gibt.
Zunächst war es nur ein Unbehagen. Eines, das schon immer von diesem Leipziger Wahrzeichen ausging, dem Völkerschlachtdenkmal mit seinem mystisch-verträumten Kriegs- und Totenkult. Als sich dann ankündigte, was zum sogenannten »Doppeljubiläum« – 200 Jahre Völkerschlacht und 100 Jahre Denkmal – von der Stadt geplant war, wurde es noch größer: Ein Salat von etwa 70 Veranstaltungen rund um die Jahrestage ist geplant, ein Bürger- und Lichtfest nebst Gelände- und Kriegsspielen, die den realen Horror zu einem Trachtenfest machen – ein großes Bohei voll Pathos. Es ist ein »Jubiläum«, das man gar nicht so nennen mag, weil Jubiläum von iubilare kommt, und zu feiern gibt es nichts bei der Erinnerung an die Völkerschlacht. Zusammen mit der Leipzig Tourismus und Marketing GmbH entwarf eine sogenannte »Steuerungsgruppe« unter Leitung des Direktors des Stadtgeschichtlichen Museums, Volker Rodekamp, ein Megaprogramm und die Idee, das Völkerschlachtdenkmal zu einem europäischen Friedensdenkmal umzudeuten. Das erinnert fatal an die Instrumentalisierung des Ortes durch inzwischen versunkene politische Systeme – das Kaiserreich, die Nazis, die Kommunisten. Das Völkerschlachtdenkmal ist und bleibt ein riesiger Leichenstein, erbaut mit deutsch-patriotischem Pathos. Auch wenn Burkhard Jung in der örtlichen Presse bekundete, es gäbe nichts zu feiern, so organisierte sein Steuerungsgruppenchef eben doch genau dies: eine Festivität rund um das Gemetzel, das innerhalb von vier Tagen 100.000 Menschen das Leben kostete und unfassbare Schrecken hervorbrachte. Wird hier eine Menschheitstragödie in den Dienst des Stadtmarketings gestellt? Eine Vermarktung des Krieges kann nicht Resultat des Gedenkens an die Völkerschlacht sein. In der kreuzer-Titelstrecke beschäftigen wir uns intensiv mit dem Thema. Darin erzählen wir die grausamen Geschichten hinter kleineren Schlachtdenkmalen, beleuchten einige der Veranstaltungen kritisch, informieren über die Rolle der Sachsen im Jahr 1813 und plädieren – man wird ja noch träumen dürfen – für eine Einebnung des Völkerschlachtdenkmals.
Ende neu heißt es ab Oktober im Schauspiel Leipzig. Mit Beginn der Spielzeit werden die ersten Ergebnisse der Arbeit des neuen Intendanten Enrico Lübbe sichtbar. Lübbe kam im Spätsommer, um Sebastian Hartmann abzulösen – und um dem Schauspiel eine neue Anmutung, ein neues Image zu geben. Wie dieses aussehen könnte, versuchten wir im Interview des Monats zu klären. Mit einer genauen Benennung hatte Lübbe noch Schwierigkeiten, zwei Dinge sind ihm jedoch wichtig: Vielfalt zu bieten und verloren geglaubtes Publikum wieder ins Leipziger Stadttheater hineinzulocken. Auf den Theaterseiten gibt kreuzer-Redakteur Tobias Prüwer zudem einen Überblick über die just begonnenen Spielzeiten in Oper und Schauspielhaus. Juliane Streich interviewt auf den Musikseiten Tobias Schurig, der als Nachfolger von Christoph Gurk das Musikprogramm im Schauspiel betreuen wird.
Ein Vernichtungskrieg würde in der Leipziger SPD toben, so berichten es einige Insider. Ihre Namen wollen sie nicht nennen, so wie viele städtische SPD-Mitglieder, die kreuzer-Autor René Loch bei seinen Recherchen befragte. Auch Spitzenkräfte der Partei verweigerten ihren Kommentar, einzig der Leipziger SPD-Vorsitzende Michael Clobes kommentierte die Vorgänge. Bei den örtlichen Sozialdemokraten rumort es seit einigen Monaten gewaltig. Zum ersten Mal ans Licht trat der Zwist im Frühling bei einer Vollversammlung nebst Vorstandswahl der SPD-Jugendorganisation Jusos, die in einem Eklat abgebrochen wurde. Die Jusos sind als Machtbasis auch für amtierende SPD-Politiker sehr wichtig, hier beginnen die Karrieren der Parteiarbeiter. Nach dem Juso-Streit entstand eine abstruse Geschichte, in der es um einen Machtkampf zwischen linkem und rechtem Flügel in der Partei geht, um einen angeblich beeinflussten MDR-Beitrag und um ein Bildungsinstitut, das der türkischen Gülen-Bewegung nahestehen soll – und das angeblich Einfluss auf die Machtverhältnisse in der Partei nehmen wollte. Einen Abriss der Geschehnisse lesen Sie im neuen Heft.
Immer wieder im Herbst startet eine der schönsten Veranstaltungen des Jahres: das Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm. Hier kann man ganze Tage im Kino verbringen und witzige, traurige, unerhörte und berührende Geschichten aus aller Welt erleben. Auch in diesem Jahr hat das Team um DOK-Chef Claas Danielsen Einiges eingesammelt für das Leipziger Publikum. Erste Informationen finden Sie im Filmressort. Und wenn das Festival gestartet ist, begleiten wir es täglich frisch auf kreuzer online im kreuzer-DOK-Blog.
Halten Sie die Augen offen!
ANDREAS RAABE