Dreimal französisches Kino, wie es unterschiedlicher kaum sein könnte. Während »Eine ganz ruhige Kugel« gefällige Komödienkost bietet, wie sie spätestens seit den Sch’tis auch hierzulande bestens ankommt, orientiert sich »2 automnes 3 hivers« angenehm am Kino der Nouvelle Vague. »Jack und das Kuckucksuhrherz« schließlich verzaubert durch seine ganz eigene Animationskunst. Ein schöner Ausblick auf die 20. Französischen Filmtage, die vom 19. bis 26. November wieder beweisen werden, was Kino aus Frankreich kann. Vorfreudige Kinostunden mit der kreuzer-Filmwoche.
Film der Woche: Am kältesten Tag, den Schottland je erlebte, kommt der kleine Jack mit gefrorenem Herzen zur Welt. Seine Hebamme Madeleine ersetzt den Eisklumpen kurz entschlossen durch eine Kuckucksuhr und ticktack, bummbumm: Jack kann leben. Drei wichtige Regeln gilt es jedoch fortan für Jack zu beherzigen: niemals an den Zeigern drehen, niemals in Rage geraten und sich niemals verlieben, denn sonst spielt das Uhrwerk verrückt und das kann den Tod für Jack bedeuten.
Doch wie schafft man es, sich niemals zu verlieben? Und so kommt es, wie es kommen muss: Jack trifft auf die bezaubernde Sängerin Acacia, singt mit ihr ein Liebeslied und sein Kuckucksuhrherz dreht durch. Kurz darauf kommt er wieder zu sich, aber die Schönheit ist verschwunden. Die Suche nach seiner Angebeteten führt den Jungen zusammen mit dem faszinierenden George Méliès durch ganz Europa, bis er sie schließlich auf einem Rummelplatz bei Sevilla findet. Dort setzt Jack alles dran, das Herz seiner Geliebten für sich zu gewinnen.
Auf der Berlinale lief dieses französische Animationskleinod in der Sektion Generationen unter den Kinderfilmen. In Leipzig feierte »Jack« seine Premiere beim WGT. Das verdeutlicht, wie schwer es Animationsfilme hierzulande immer noch haben, ernst genommen zu werden. Dabei bietet das melancholische Märchen viel für alle: Romantik, Witz und Spannung mit dem morbiden Charme der Werke von Tim Burton und Henry Selick. Der Film von Mathias Malzieu und Stéphane Berla ist zwar nicht ganz so abgedreht wie deren Werke und mit Computertechnik realisiert, aber allemal ein außergewöhnliches Sehvergnügen.
Jack und das Kuckucksuhrherz: ab 3.7., Passage
Arman und Amélie treffen sich zum ersten Mal beim Joggen. Wortwörtlich, denn als sie zusammenstoßen, ist ihre Welt nicht mehr wie vorher. Von der ersten Szene an verbeugt sich Regisseur Sébastien Betbeder vor dem gesprächigen Kino der Nouvelle Vague. Die Protagonisten sprechen in die Kamera, kommentieren, quatschen über ihr Seelenleben und füllen die Leerstellen in der Handlung. Die Monologe sind dabei ebenso pointiert und entlarvend wie die Dialoge, und die Chemie zwischen Vincent Macaigne und Maud Wyler stimmt. Betbeder umkurvt geschickt die Kitschfallen und lockert die eigentlich recht konventionelle Boy-meets-Girl-Story mit einigen überraschenden Ideen und zahlreichen cineastischen Querverweisen auf. Dabei zitiert er Robert Bresson ebenso wie Judd Apatow, erinnert in seinem Stil aber vor allem an das Kino von Éric Rohmer. Hier bleibt nichts unausgesprochen, die Stille ist der Feind. Das verlangt dem Kinogänger einiges an Ausdauer ab, die aber auf ganzer Linie belohnt wird. Ein höchst charmanter Independentfilm, wie ihn nur das französische Kino hervorzubringen vermag. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.
2 Automnes 3 Hivers: ab 3.7., Schaubühne
Momo, Sohn algerischer Einwanderer, und sein bester Freund und Mentor Jacky schlagen sich mit Gelegenheitsjobs und als Kleinkriminelle durchs Leben. Als der schmierige Stéphane Darcy eine internationale Boule-Meisterschaft mit 500.000 Euro Preisgeld ankündigt, wittern Momo und Jacky ihre große Chance. Fortan trainiert Jacky seinen Zögling Momo Tag und Nacht. Trotz aller Ressentiments und mit Hilfe der selbstbewussten Caroline wird Momo ins französische Team gewählt und avanciert bald zum Star und Teamchef. Doch der Sponsor hat etwas gegen den algerisch-stämmigen Momo und so sind noch einige Hürden vor dem Grande Finale zu nehmen.
Gérard Depardieu und Atmen Kelif beweisen eine gute Chemie in dieser unterhaltsamen Komödie um die Freundschaft zweier Männer, die einige Spitzen auf die französische Gesellschaft und ihre latente Fremdenfeindlichkeit zu bieten hat. Boule, der französische Volkssport, spielt aber die Hauptrolle. So ist die Begeisterung für Außenstehende etwas schwer zu begreifen, entwickelte sich aber an den französischen Kinokassen erwartungsgemäß zum Selbstläufer.
Eine ganz ruhige Kugel: ab 3.7., Passage