Nach zwölf Tagen räumen »Die Amputierten« das Rektorat der Leipziger Uni. Die Besetzer hatten gegen die bevorstehende Schließung des Instituts für Theaterwissenschaft demonstriert. Möglicherweise folgt nun eine Klage.
Die Isomatten und Schlafsäcke lagen noch im Rektorat und auch das Türschild zum Büro von Rektorin Schücking war mit einem »Besetzt«-Aufkleber verziert. Aber die Protestierer in ihren neonfarbenen Gesichtsmasken waren nach 268 Stunden »performativen Wohnen und Schlafen« mit ihrer Geduld am Ende. Die Dialogversuche mit dem Rektorat über die Zukunft der Theaterwissenschaft an der Uni Leipzig und die Rücknahme der Kürzungspläne sahen sie auf einer Pressekonferenz am Freitag als gescheitert an: »Dieses Rektorat ist nicht zukunftsfähig.«
Als Hauptkritikpunkte nannten die Besetzer, dass bis zum Schluss keine wirklichen Argumente für die Schließung genannt worden. »Geschlossen wird nach Alter der Professoren, es gibt keine inhaltlichen Gründe«, schlussfolgerten die Protestierenden und nannten das Ganze ein Glücksspiel, in dem das Rektorat eine zynische Haltung einnehme, weil es erst kürze und dann evaluiere. Aber auch das Sächsische Ministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK) bekam sein Fett weg. Das Hochschulfreiheitsgesetz habe mit Freiheit nichts zu tun, stattdessen rütteln Landesregierung und Rektorat gemeinsam an den Grundfesten des Systems, indem es die Prekarisierung der Arbeitsbedingungen und den Umbau der Universitäten nach Kriterien von Unternehmen vorantreibe. Tatsächlich hatte erst am Vortag eine Übersicht des Statistischen Landesamtes gezeigt, wie sich die Arbeitsbedingungen verschlechtern und immer mehr Personal in befristeten halben Stellen darben muss. Eines versicherten die Amputierten gegen Ende: »Der Protest geht weiter bis zur Landtagswahl.«
Ob das die Regierung interessiert, bleibt unklar. Laut Aussage einer Aktivistin habe ein CDU-Landtagsabgeordneter ihnen gegenüber geäußert, dass sich die Union ohnehin nicht für Studierende einsetzen würde, weil die ja auch nicht CDU wählen würden. Bei den Oppositionsparteien hingegen stoßen die Forderungen auf Rücknahme der Sparbeschlüsse, die für Sachsen einen Gesamtstellenabbau von 1.042 bis 2020 bedeuten würden, auf offene Ohren, wie erst jüngst eine Veröffentlichung von Wahlprüfsteinen der Landesrektorenkonferenz ergab.
Einen abschließenden Coup hatten die Amputierten auch vorbereitet. Nach Ansicht von ausgewiesenen Rechtsexperten sei der bisherige Wirtschaftsplan, in dem auch die Stellenstreichungen stehen, nichtig, da der Hochschulrat diesen nicht genehmigt habe. Dazu wäre er aber laut Hochschulfreiheitsgesetz verpflichtet. Im schlimmsten Fall droht in der Folge die Zwangsverwaltung der Uni durch das Land. Damit liege dann der Schwarze Peter endgültig beim SMWK, auch wenn dies bedeutet, dass das Rektorat sich selbst amputiert. Ob das Institut aber den Rechtsweg einschlägt, ist noch nicht entschieden, es sei nur eine von vielen Möglichkeiten.
Auch das Rektorat hat sich gegenüber dem SMWK erneut positioniert und fordert die Rücknahme der Stellenstreichungen, indem die frei gewordenen BAföG-Mittel dafür aufgewendet werden, die dem Land ab diesem Jahr zustehen. Eine Zukunft für die Theaterwissenschaft, trotz des Streichens von drei der vier Professuren, sieht das Rektorat auch, etwa in Form eines neuen Instituts für Kunstwissenschaften. Die Studierenden wollen aber nicht ein Stück vom Kuchen, sondern den Erhalt der ganzen Bäckerei – und setzen dabei offenbar auf einen Regierungswechsel nach der Landtagswahl.