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Stadtleben

Er muss auf Klo

Ein Tag auf der Buchmesse – zwischen Bart Simpson und Adolf Hitler

  Er muss auf Klo | Ein Tag auf der Buchmesse – zwischen Bart Simpson und Adolf Hitler

Wieso gehen Menschen zu Buchmessen? Könnte man sich fragen, während man auf der Buchmesse rumläuft.

Es ist wie immer voll, man schiebt sich durch und überlegt, was man denn jetzt essen will, um sich dann zu ärgern, dass das Essen eklig und völlig überteuert ist. Dazwischen Bücher. Und Menschen mit Tüten. »Habt ihr Beutel?«, wollen auch ständig Leute am kreuzer-Stand wissen. Das also ist es, was sie wollen. Um dann Lesezeichen reinzutun und Tageszeitungen und was es halt so umsonst gibt.

»Bücher zum Mitnehmen«, steht an einem Stand und darunter liegt massenweise Hitler. »Hitler und die Aufklärung« heißt das Buch, das sich scheinbar nicht so gut verkauft hat. Gleich daneben das Schild: »Manuskripte hier abgeben!« Wenn es nicht so traurig und schlecht wäre, würde man ja den ganzen Tag bei den Eigenverlagen sitzen und zuhören. Dem Volk aufs Maul hören quasi, um zu wissen, was den kleinen Mann so bewegt. Ein älterer Herr hat den Erlkönig umgeschrieben und trägt seine Version hier vor. Der reitet jetzt nicht mehr durch Sturm und Wind, sondern ganz woanders hin. Etwa zehn Menschen im ähnlichen Alter hören zu. Das sind zehn Menschen mehr, als beim Stand daneben stehen, an dem ein Buch namens »Der Impfwahnsinn« angepriesen wird. Schlechtes Timing.

Gegenüber dagegen drängen sich die Menschen, man kommt kaum durch. Hier im Angebot: Pesto, Brot, Käse, Salami, Wein, Sekt – alles zum Probieren jetzt und sofort. Ein Feinschmeckerladen wirbst für sich. Sichershalber mal kurz nachgefragt: »Habt ihr auch Bücher?« Ja, eins über die Toskana. Wir gehen. Eine Mitarbeiterin rennt uns hinterher. Weil wir so nett seien, schenkt sie uns Nudeln. Sogar im Beutel.

Peer Steinbrück läuft an uns vorbei. Ganz allein, zwei Bücher unterm Arm. Man erkennt nicht, welche. Gregor Gysi ist auch da. Da, wo er ist, sind immer viele. Ossi-Heimvorteil. »Wenn schon die Bundeskanzlerin und der Präsident aus dem Osten sind, dann sollte es der Oppositionsführer auch sein«, sagt er in ein Mikrofon der ARD. Nach ihm kommt Sybille Berg, was zu einer amüsanten Publikumsdurchmischung führt. Denis Scheck schleimt sie voll. Berg lächelt und sagt auf die Bemerkung, dass sie ja zwei Systeme erlebt hätte (jaja, auch die DDR): »Und zwei Weltkriege. Beide gewonnen.« Supersybille. Sie ist überall heute. Auf dem blauen Sofa, bei 3sat, beim dicken Scheck (Selbstbeschreibung). »Ich frage mich, wieso überhaupt andere Leute außer mir Bücher schreiben«, sagt sie, um später zu erklären, warum Bücher gut sind: Damit man sich nicht so alleine fühlt.

Neben Superheldin Sybille rasen natürlich noch die echten Heroes rum. Aus Mangas und Comics und Phantasialand. Free Hugs gibts in der Comichalle, lange Schleier und Elfenohren, küssende Monster und jammernde Hasen. Auf der Bühne erklärt jemand, wie man Bart Simpson malt. Scheint gar nicht so schwer zu sein.

Tex Rubinowitz gibt am taz-Stand Tipps für Small-Talk (»falls Sie heute noch ein kleines Gespräch führen wollen«). Zahnlücken und Beachvolleyball böten sich an. Außerdem erzählt er, dass er auf Klo muss und dann dass Peter Wawerzinek in Klagenfurt schon mal mit einem Tisch getanzt hat, weil er keine Frau gefunden und der ja auch Beine hat. Vorlesen will Rubinowitz nicht mehr. Er könne aber gerne was in die Bücher malen.

Am kreuzer-Stand hat eine Frau ein Abo gewonnen. »Ach, danke«, lehnt sie höflich ab. »Aber ich lese nicht.« Keine Ahnung, wieso Menschen zu Buchmessen gehen. Immer noch nicht.


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