An dieser Stelle veröffentlichen wir das Editorial der Mai-Ausgabe des kreuzer. Interimschefredakteur Tobias Prüwer berichtet, was es im neuen Heft zu lesen gibt.
»Unterdessen seyd vergnügt, / lasst den Himmel walten! / Trinkt bis euch das Bier besiegt, nach Manier der Alten.« – Lyriker Johann Christian Günther war nicht der Einzige, der während seiner Leipziger Unizeit zum Lob des Hopfensaftes anhob. Auch trinkfreudige Nichtakademiker schätzen seit Langem dessen vielfältige Vorzüge – denn Bier macht die Haare schön und ist nur eines vieler berauschender Kult(ur)getränke. Alkohol ist besonderer Treib- und Triebstoff. Anthropologen sehen das Brauen als frühe Zivilisationsleistung, die Sumerer etwa verbrauchten ein Drittel ihres Getreides fürs Flüssigbrot. Und schmückt sich nicht Leipzig mit dem Zitat eines betrunkenen Frosches aus »Faust«, ist aufgrund eines Weinkellers in die Literaturgeschichte eingegangen? Hübsch Asche machen werden die Bierstände auch auf dem 1.000-jährigen Stadtfest und wenn Sie sich schon einmal gewundert haben, warum es in Oper, Gewandhaus und Theater eigentlich diese Pausen gibt … Auch diese haben etwas mit Querfinanzierung der Kultur zu tun.
Alkohol also; Genuss und Sucht. Unsere Autoren Juliane Streich und Tobias Ossyra haben sich auf die Spur dieser ebenso offensichtlichen wie verdrängten Kultur begeben. In ihrer prismenartigen Titelgeschichte erscheint der Alkohol mal als berauschend-beschwingender Motor, dann als Schmiermittel des Alltags, als torkelnd machende Stresskompensation und klar kalkulierter Wirtschaftsfaktor.
Alkohol oder Abendland, Illegalisierung oder Islamisierung? Nicht nur diese Frage unterscheidet Legida das Original und Legida die besorgten Rassisten. Weil es inhaltlich über die »Politischen Autisten« (kreuzer 04/2015) nichts weiter zu sagen gibt, als die grundsätzliche Kritik an der Mischung aus menschenfeindlicher Verbohrtheit und gefährlicher Ahnungslosigkeit zu erneuern, haben wir einmal geschaut, wer unter den wöchentlichen Montagsdemonstrationen eigentlich alles leidet. Die Einzelhändler klagen, die Polizei hat die Schnauze voll – profitiert eigentlich auch jemand von den Aufmärschen? Apropos Politik: Der kreuzer hat einen neuen Politik-Redakteur! Wir freuen uns, Clemens Haug an Bord begrüßen zu dürfen, der uns als freier Autor schon länger treu ist. Er beschäftigt sich in dieser Ausgabe mit dem bisschen Stadthaushalt, der sich nicht von selbst macht, und erklärt, warum die Polizei gern Handys einsammelt. Willkommensstövchen!
Grund zum Anstoßen haben in diesem Monat zwei Leipziger Lokalradios: Sie werden 20 Jahre! Ihren verschiedenen Temperamenten entsprechend, würdigen wir beide in unterschiedlichen Formaten. Während uns ein ehemaliger Mephisto-Mitarbeiter über die Stärken und Schwächen des Redaktionsapparats aufklärt, hat kreuzer-Cartoonist James Turek für Radio Blau ein Wimmelrätsel als Liebeserklärung gezeichnet. Tusch und Punsch für die zwei ätherischen Lokalmatadore!
Wie schwarz Leipzig auch außerhalb des Wave-Gotik-Treffens ist, hat für uns der Adversus-Sänger Rosendorn aka Torsten Schneyer aufgeschrieben. Der grünen Seite im Stadtland von Pleiße, Elster und Parthe widmet sich auch in diesem Jahr das beiliegende »Gartenprogramm« des Netzwerks für Stadtnatur. Es handelt von wilden Orten, stellt Landpartien vor und erklärt, was eine essbare Stadt ist.
Egal, ob es Sie nun ins Grüne oder Schwarze, hinaus oder nach drinnen treibt, ob Sie nüchtern oder beschwippst in den Mai tanzen: Kommen Sie gut hinein. Ich verabschiede mich an dieser Stelle als Ersatz-Kapitän und heiße schon einmal für die Redaktion Andreas Raabe als Chefredakteur aus der Elternzeit willkommen. Er wird sich für Sie wieder in die Riemen werfen, um das Juniheft noch schicker zu gestalten.
Adieu und slainte!
TOBIAS PRÜWER
chefredaktion@kreuzer-leipzig.de
Was sonst noch im Heft steht: Inhaltsverzeichnis, Monatstipps und Einblicke zeigt die Leseprobe unseres ePapers.