Die aktuelle Kinowoche lässt mal wieder einen lang gehegten Clinch des Cineasten mit den deutschen Verleihern aufflammen – oder vielmehr ein Film in dieser Startwoche: »Dating Queen« (Original: »Trainwreck«). Warum sich irgendwer bei Universal dazu entschlossen hat, dieser charmanten Anti-RomCom diesen selten dämlichen Titel zu verpassen, bleibt im Dunkeln des Kinosaals. Wahrscheinlich war da eher höhere Technik zur Namensgenerierung eines möglichst kassenträchtigen Titels am Werk. Wie auch immer – solange beim Verleih weiterhin solche Spaßvögel das Sagen haben, wird auch zukünftig der »Brautalarm« (»Bridesmaids«) klingeln und »Alles, was wir geben mussten« (»Never let me go«) wird unsere Intelligenz beim Kartenkauf sein. Dem betagten Kinogänger ist es eh egal, der braucht solche blumigen Ausscheidungen wie »Der Chor – Stimme des Herzens« (»Boychoir«) nicht. Der ordert statt der Karte für »Descendants« halt einfach eine für den neuen Clooney: »Ich glaub, ich steh im Wald« (»Fast Times at Ridgemont High«).
Film der Woche: »Manuscripts don’t burn« ist einer jener Filme, die man nur ungern in einer gewöhnlichen Kritik besprechen möchte. Zu wichtig ist der Entstehungshintergrund und zu schwerwiegend die Ereignisse auf denen »Manuscripts don’t burn« basiert. Um dieser politischen Filmarbeit gerecht zu werden, müsste man viel weiter ausholen, als es der Platz zulässt.
In den 90er Jahren verschwanden zahlreiche Schriftsteller und Oppositionelle im Iran. Der iranische Filmemacher Mohammad Rasoulof greift diese Mordserie filmisch auf. Im Zentrum steht der versuchte Anschlag auf einen Bus mit einer Gruppe kritischer Intellektueller. Einer davon, der Schriftsteller Kasra, hat den Vorfall in einem Manuskript festgehalten. Als Thriller angelegt, dokumentiert »Manuscripts don’t burn« die fieberhafte Suche des iranischen Geheimdienstes nach diesem Manuskript. Episodengleich und fast ausschließlich in Nahaufnahmen führt Rasoulof schrittweise unterschiedliche Charaktere ein – von weiteren Autoren über Geheimdienstmitarbeiter bis hin zu Auftragskillern. Erst im Verlauf des Films werden diese Figuren gekonnt mit dem Busunglück und dem Manuskript in Verbindung gebracht.
Bereits 2010 war Rasoulof wegen angeblicher »Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit« und Propaganda zusammen mit Jafar Panahi zu mehreren Jahren Haft und zu 20 Jahren Berufsverbot verurteilt worden. Auf der Leinwand spiegelt sich wider, was Rasoulof und auch die Filmcrew bei den Dreharbeiten selbst erlebt haben. Während Kasra und seine Verbündeten versuchen, das Manuskript heimlich zum Druck zu bringen, sich der Zensur und dem totalitären Regime zu entziehen, ist ihnen der Geheimdienst schon dicht auf den Fersen. Ausführliche Kritik von Eileen Reukauf im aktuellen kreuzer.
»Manuscripts don’t burn«: 13.–15.8., Cinémathèque in der naTo
Mike (Alex Ozerov) ist 16 und depressiv. Der Alltag in seiner öden Holzfällerheimatstadt in den Wäldern Kanadas hat ihm nichts zu bieten: Freunde und Interessen hat er keine, seinen Vater hat er nie kennengelernt und seine Mutter (Krista Bridges) ist eine stets unzufriedene Schreckschraube. Gleich zu Filmbeginn hören wir, wie er telefonisch seine eigene Traueranzeige aufgibt. Sein geplanter Selbstmord – natürlich mit einer in Nordamerika stets im gut sortierten Haushalt verfügbaren Schusswaffe – scheitert jedoch kurz darauf. Als der Junge im Krankenhaus aufwacht, sieht er sich zunächst damit konfrontiert, dass er selbst beim Sterben versagt hat, was ihn auch einige seiner Mitmenschen schnell spüren lassen. Doch zu seiner großen Freude entdecken die Ärzte bei der Behandlung seiner Kopfverletzung einen Gehirntumor, der zum Tode führen wird, wenn Mike sich nicht operieren lässt. Genau wie im ebenfalls gelungenen »About a Girl« (seit letzter Woche im Kino) geht es auch in Florian Cossens Film auf tragikomische Weise um einen lebensmüden Teenager, der beim Suizid scheitert und anschließend neue Erfahrungen sammeln darf. Der Regisseur von »Das Lied in mir« schlägt jedoch andere Töne auf der Stimmungsklaviatur an, so dass die beiden Filme sich deutlich genug voneinander unterscheiden. »Coconut Hero« ist dabei vor allem für Melancholiker die bessere Wahl. Ausführliche Kritik von Peter Hoch im aktuellen kreuzer.
»Coconut Hero«: ab 13.8., Passage Kinos
»Dating Queen« – ehrlich? Was hat sich Universal Deutschland denn da mal wieder gedacht? Erstens gibt es kein einziges Date im Film, aus dem die Protagonistin als Königin herausmarschiert (und es gibt insgesamt auch nur ein bis zwei und die sind mit dem gleichen Typen) und zweitens lässt sich doch wohl so ziemlich jeder potentielle männliche Kinogänger in der Multiplex-Zielgruppe von so einem Titel daran hindern, ins Kino zu gehen. Schade drum, denn es handelt sich um die neue, kluge Komödie von Judd Apatow. »Trainwreck« ist der Originaltitel und das titelgebende Wrack ist Amy. Die Journalistin ist in den Dreißigern und weit von einem geregelten Leben entfernt. Ständig betrunken, bekifft oder beides taumelt sie durchs Leben und jeder Beziehung aus dem Weg. Ihr mieser Job in der Redaktion eines Männermagazins macht es nicht besser. Allerdings beschert er ihr ein Treffen mit Aaron. Er ist eigentlich der langweilige Typ, allerdings ist er als Chirurg der Top-Basketballspieler Amys Gegenüber für ein Interview. Was relativ schnell im Bett endet, allerdings ist es Aaron, der sich mehr von der kurzen aber heftigen Begegnung verspricht. Amy sieht für sich und die Beziehung wenig Hoffnung und blockt ab, sieht allerdings irgendwann ein, dass sie ihr Leben in den Griff kriegen muss. Auf die wesentlichen Bestandteile heruntergebrochen ist »Dating Queen« eine klassische RomCom. Allerdings ist der doofe deutsche Titel irreführend. Judd Apatow, Regisseur und Produzent solcher Komödienhits wie »Beim ersten Mal« und »Superbad«, geht es weniger um Schenkelklopfer. Stattdessen beweist er auch hier wieder sein Händchen für gut geschriebene Charaktere und Dialoge. Eine angenehm unaufgeregte Lebenskomödie.
»Dating Queen«: ab 13.8., Cineplex, CineStar, UCI
Die Flimmerzeit im August
mit FRANK, DATING QUEEN, SOUTHPAW und ein DVD-Tipp zum Gewinnen
Weitere Filmtermine der Woche
The Truth lies in Rostock
Die Wahrheit lügt (liegt) in Rostock – Zwischen dem 22. und dem 26. August 1993 attackierte ein deutscher Mob ein mehrheitlich von Vietnamesen bewohntes Haus in Rostock-Lichtenhagen. Die Videoproduktion entstand 1993 unter maßgeblicher Beteiligung von Menschen, die sich zum Zeitpunkt der Geschehnisse im attackierten Wohnheim befanden. Mit Einführung und anschl. Gespräch durch die Initiative »Rassismus tötet«, Leipzig
14.8., 20.30 Uhr, 2cl – Sommerkino auf Conne Island
globaLE im Richard-Wagner-Hain am Elsterbecken:
Natur – Spekulationsobjekt mit Zukunft
Der französische Dokumentarfilm stellt die Frage, ob natürliche Ressourcen in einfache Handelsgüter umgewandelt werden können und welche Konsequenzen dies für die Umwelt hat. Im Anschluss Diskussion mit Gästen. 14.8., 20 Uhr
Letztes Jahr Titanic
Die Umbruchszeit in der DDR zwischen Dezember 1989 und Dezember 1990. Lebensgeschichten und Schicksale, Alltagsgeschichten, Menschen in Leipzig. 17.8., 20 Uhr
Unsere bösen Kinder
Deutscher Dokumentarfilm von 1992 über fünf Straßenkinder. 18.8., 20 Uhr
Glaube, Liebe, Hoffnung
Winter 1992/1993 in Leipzig. Der Filmemacher Andreas Voigt begleitet eine Gruppe radikaler Jugendlicher. Im Anschluss Filmgespräch und Diskussion mit Filmemacher Andreas Voigt. 19.8., 20 Uhr
Große weite Welt
Jahre nach dem Ende der DDR hat sich vieles verändert. Lebensgeschichten und Schicksale in Leipzig. Wie ist alles weitergegangen? Was ist aus den Protagonisten aus »Letztes Jahr Titanic« geworden. 20.8., 20 Uhr
Das russische Wunder
Ein DDR-verklärter Blick auf die Entstehung der Sowjetunion.
R: Annelie und Andrew Thorndike, DDR 1964, Dok : 21.8., 20 Uhr
Nicht alles schlucken
Dokumentarfilm, in dem 20 Psychiatrieerfahrene, Angehörige und Ärzte offen über ihre Erfahrungen sprechen. Im Anschluss Gespräch mit den Drug Scouts Leipzig und Peter Batura (Suchtberatungs- u. Behandlungsstelle Impuls) zu Psychopharmaka und illegalisierten Drogen.
14.8., 19.30 Uhr, Cinémathèque in der naTo
Die Liebe und Viktor
Very-Low-Budget-Komödie um die Liebeswirren eines großen, dünnen, leicht depressiven Hauptstädters. In Anwesenheit des Regisseurs Patrick Banush.
14.8., 21 Uhr, Open-Air-Kino in der Spinnerei
Delicatessen
In einer skurrilen Endzeitwelt gerät ein zurückhaltender Zirkusartist in das Haus eines Fleischers, der der Nahrungsmittelknappheit auf naheliegende Weise begegnet. Kultige, schwarzhumorige Kannibalen-Komödie.
15.8., 21.30 Uhr, Moritzbastei Sommerkino
Sonnenallee
Jungs und Mädels in einer Ost-Berliner Straße an der Mauer in den Siebziger-Jahren. Ausgelassene DDR-Gesellschaftskomödie des Theaterstars Leander Haußmann nach dem Roman von Thomas Brussig.
16.8., 21.30 Uhr, Moritzbastei Sommerkino
Lighter Than Orange
Von 1961 bis 71 wurden mehr als 80 Mio. Liter dioxinhaltiger Herbizide wie Agent Orange von der US-Luftwaffe über Vietnam versprüht, um freie Schussfelder und eine Unterbrechung des Ho-Chi-Minh-Pfades zu erreichen. Der vietnamesische Dokumentarfilm untersucht die Folgen.
18.8., 20 Uhr, Stadtgarten H17
Filmriss Filmquiz Open Air
Der Vorhang hebt sich, die Titelmusik beginnt, ein Geistesblitz und ihr seid um ein T-Shirt reicher. Ein Auto fährt vor, Bruce Willis steigt aus, ihr wisst Bescheid und die DVD gehört euch. Ihr singt die Bond-Songs unter der Dusche und werft eurem Spiegelbild nen Schwarzenegger-Spruch entgegen, wenn keiner hinhört? Dann seid ihr hier genau richtig! André Thaetz und Lars Tuncay belohnen euer Talent mit Bergen voll Goodies, Merch und Krempel aktueller Kinoproduktionen.
17.8., 20.30 Uhr, 2cl – Sommerkino auf Conne Island
Die Rätsel der Sphinx
Zahi Hawass und Mark Lehner, Archäologen, haben in den letzten 30 Jahren am Fuße der Sphinx gelebt, um deren Geheimnisse zu lüften und das Kunstwerk vor der natürlichen und schadstoffbedingten Erosion zu bewahren.
20.8., 19 Uhr, Frauenkultur
Performing Widerspenstigkeit – Kurzfilme und Diskussion
Um unterschiedliche Perspektiven auf die erstarkenden rechten Bewegungen in Europa geht es in dem Kurzfilmscreening mit Diskussion. Mehrere Künstlerinnen stellen dabei Kurzfilme und andere Projekte vor, in einem anschließenden Gespräch wird über solidarische und künstlerische Strategien gegen rechts diskutiert.
21.8., 20 Uhr, Cineding