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Konzertkritik

So langsam wie möglich

In der Philippuskirche wurden John Cages Klänge mit denen von New York verbunden

  So langsam wie möglich | In der Philippuskirche wurden John Cages Klänge mit denen von New York verbunden

Während die Zuschauer bier- und weintrinkend in der Philippuskirche sitzen, singen Arpen (A Forest) und Eva Milner (Hundreds) begleitet von einem Streicherquartett darüber, dass sie Tag und Nacht davon träumen, Liebe zu machen. Am Samstagabend fand im Rahmen der Veranstaltungsreihe »Konzert am Kanal« das kontrastreiche Benefizkonzert mit dem Namen »As Slow As Possible – New York City Sound 2« statt.

Die Orgel, an der Daniel Beilschmidt sitzt, ist eigentlich kaum noch spielbar. Dennoch hat er auf der Jehmlich-Orgel der Philippuskirche den ersten Part des Stücks »ORGAN²/ASLSP« (As Slow As Possible) von John Cage beendet. Das Publikum, eine Mischung aus kunstinteressierten Menschen, sonntäglichen Kirchengängern und Hipstern zwischen 20 und 70 Jahren, wirkt leicht verwirrt, applaudiert aber heftig. Es ist nicht zuletzt auch von dem immer noch tollen Klang der über 100 Jahre alten Orgel angetan.

Der Soloorganist und das Ensemble, das aus den vier Streichern des Lipsia Quartetts und den zwei Sängern Arpen und Eva Milner besteht, wechseln sich nach jedem Stück ab. Beilschmidt spielt Cage, sie covern New Yorker Musiker wie Lou Reed, Fiona Apple und David Byrne. Doch was heißt covern? Die Stücke wurden komplett neu arrangiert und sehr geschickt auf diese, für Pop und Rocksongs, ungewöhnliche Instrumentalisierung abgestimmt. So ergibt sich ein ständiger Wechsel zwischen Pop, Klassik und experimenteller Musik. Zum Beispiel wenn Eva Milner und Arpen beim Song »This Mess We’re In« von Thom Yorke und PJ Harvey zu den klassischen Klängen des Streicherquartetts über ihre Liebe und das Bedürfnis, damit einhergehende Triebe zu befriedigen, singen.

Doch obwohl das Konzept dieses Konzertabends, der letztes Jahr zum ersten Mal stattfand, der Sound und die neu arrangierten Songs viel Wirkung zeigen, fangen irgendwann einige Zuschauer an, sich bei den immer wiederkehrenden Orgelstücken von Cage zu langweilen. Anfangs sind diese Parts aufgrund des Kontrasts zum anderen Teil des Programms und dem Klang der Orgel interessant und schön, doch so ungewöhnlich das Stück, dessen Ansatz es ist, so langsam wie möglich gespielt zu werden, auch sein mag, fängt es dadurch mit der Zeit an, seinen Reiz zu verlieren, da es über seine insgesamt acht Parts relativ ähnlich und ungreifbar bleibt. So machen letztendlich vor allem die gemeinsamen Songs der Streicher und Sänger den Reiz des Programms aus – auch wenn das Stück von Cage ins Zentrum des Konzerts gestellt wurde.

Das Konzert endet wie es begonnen hat: Daniel Beilschmidt verwirrt und begeistert das Publikum, in dem er as slow as possible auf der Jehmlich-Orgel spielt. Die wird allerdings hoffentlich bald wieder wie neu scheinen, da der Spenden-Erlös des Konzerts für ihre Restaurierung verwendet wird.


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