Rick McPhail lacht viel. Eigentlich bei jeder Antwort – und auch bei jeder Frage. Er ist das vierte Mitglied von Tocotronic und inzwischen schon länger dabei als nicht dabei. Und der Einzige der Hamburger Band, der wirklich noch in Hamburg wohnt. Neben anderen Bandprojekten wie Glacier und Mint Mind betreibt er dort ein Studio. Zusätzlichen Ruhm erlangte er durch den »Rick McPhail-Song« von Tomte, in dem es unter anderem heißt: »Ich rauche, so lange Rick McPhail raucht«. Und es kann durchaus passieren, dass man nach der Hälfte des Interviews merkt, dass man mit dem Gitarristen noch gar nicht über Tocotronic gesprochen hat. Darüber lacht er dann wieder.
kreuzer: Rauchst du noch?
RICK McPHAIL: Jaaaa.
kreuzer: Hast du einen Deal mit Thees Uhlmann, dass ihr irgendwann zusammen aufhört?
McPHAIL: Nee. Kein Ahnung, ob der noch raucht.
kreuzer: In den »Tocotronic-Chroniken« behauptest du, dass du in deinem Studio in Hamburg keine deutschen Bands aufnimmst, weil die alle zu langweilig sind. Woran liegt das?
McPHAIL: Keine Ahnung. Vielleicht einfach an meinem Geschmack. Ich bin da etwas penibel. Ich finde keine Bands, die sich etwas trauen und etwas Wilderes machen. Aber ich gehe auch nicht jeden Tag auf Konzerte mit unbekannten Bands. Vielleicht gibt es sie in irgendeinem Proberaum am Arsch der Pampa. Aber sie kommen nicht zu mir. Viele Bands nehmen sehr sauber auf. Ich finde nichts, das verzerrter und psychedelischer ist.
kreuzer: Ehrlich? Gibt es nicht gerade wieder vermehrt verzerrte, psychedelische Gitarren?
McPHAIL: In Deutschland? Schick sie her.
kreuzer: Worin unterscheiden sich da die USA von Deutschland?
McPHAIL: Da gibt’s viele Komponenten. In den USA hat jede Schule eigene Bands. Hier gibt es eher Privatunterricht. Du hast nicht sofort in der Schule die Möglichkeit, ein Instrument zu lernen, sondern deine Eltern müssen entscheiden, ob sie dich zum Privatunterricht schicken. Und in den USA tritt man früher auf: Ich musste schon mit zehn Jahren live spielen. Wenn man dann jahrelang in einer Schulband spielt, will man bald seine eigenen Sachen machen und fühlt sich dadurch freier. Ich glaube, in Amerika legen die Leute einfach los, auch wenn es scheiße ist. Die Deutschen haben das Gefühl, alles muss richtig gemacht werden. Die müssen das erst richtig lernen. Das ist natürlich kein Punk. Die Selbstüberzeugung dafür haben vielleicht eher die Amerikaner oder Engländer.
kreuzer: Auch machen sich viele Bands vorher schon Gedanken, wie sie sich am besten vermarkten.
McPHAIL: Aber das bringt ja nichts, weil man nicht weiß, was erfolgreich wird. Die ausgefalleneren Sachen werden erfolgreicher als die, die nur kopieren, was gerade angesagt ist. Man fällt eher auf, wenn man nicht – sagen wir mal – Lady Gaga kopiert.
kreuzer: Es ist also der falsche Ansatz, das zu machen, was den Leuten gefällt?
McPHAIL: Ja, denn die haben irgendwann auch kein Bock mehr drauf. Bands wie die White Stripes oder Nirvana sind ja damals völlig aus dem Nichts gekommen, weil die Leute die Schnauze voll hatten von dem, was immer im Radio lief. Die ganzen Plattenfirmen und Künstler kopieren etwas so lange, bis es endlich tot ist. Wenn dann was Unerwartetes um die Ecke kommt, stürzen sich alle drauf, weil sie endlich was Neues hören wollen.
kreuzer: Psychedelische Schrammelgitarren wären jetzt allerdings auch nicht unbedingt neu.
McPHAIL: Stimmt. Dennoch ist eine Band wie Tame Impala sinzwischen sehr erfolgreich in Amerika und England. Und die kamen aus dem Nichts in Australien. Es gibt genug Leute, die Experimentelleres hören wollen.
kreuzer: Tocotronic sind hierzulande sehr erfolgreich: Feuilleton-Lieblinge und mit jedem neuen Album wieder auf den Covern aller noch verbliebenen Musikzeitschriften. Überrascht euch das selber noch oder rechnet ihr inzwischen schon damit?
McPHAIL: Mich überrascht das nicht. Mich überrascht eher, dass es die paar Zeitschriften noch gibt. Diesmal war es wirklich penetrant überall. Aber man weiß nicht, ob das wirklich was bringt. Die Musikzeitschriften sind ja alle ein bisschen am Sterben.
kreuzer: Auch hier war das rote Album »Platte des Monats«. Dennoch scheint es gleich ein bisschen eintönig, wenn sich alle so auf eine Band einigen können.
McPHAIL: Ich kriege genug Kritik und kenne natürlich auch Leute, die uns nicht gut finden. Andererseits – auch wenn ich uns jetzt nicht mit ihnen gleichsetzen will – traue ich auch Leuten nicht, die die Beatles nicht gut finden.
kreuzer: Gilt heute: Traue keinem, der Tocotronic nicht gut findet?
McPHAIL: Nee. Aber obwohl so viele Menschen die Beatles gut fanden, haben die trotzdem gemacht, was sie wollten. Und wir machen auch, was wir wollen, und haben zum Glück eine Plattenfirma, die uns nicht so viel reinredet wie vielleicht bei jüngeren Bands.
kreuzer: Wie ist das aktuelle Album entstanden, das sich nur um die Liebe dreht?
McPHAIL: Nach den ersten paar Liedern hat Dirk gemerkt, dass sie alle das Thema Liebe behandeln und man versuchen könnte, ein Konzeptalbum dazu zu machen.
kreuzer: Sagt dann jeder in der Band, was ihm zum Thema Liebe einfällt?
McPHAIL: Nee, Dirk schreibt erst mal die Texte und Musik. Ich glaube, der sitzt oft mit Jan zusammen und die machen dann so Brainstorming. Aber wir alle fanden die Idee gut, diese Konzeptplatte zu machen. Gerade bei Liebe denkt man ja, dass sei ein sehr überbenutztes Thema und im Indierock verpönt. Deswegen fanden wir es interessant, es als Indieband aufzugreifen. Und es gibt genug Stoff. Man könnte bestimmt fünf Platten zu dem Thema machen.
kreuzer: Und es wäre immer topaktuell. Wie läufts mit deiner anderen Band Mint Mind?
McPHAIL: Gut. Ich werde mal wieder ein paar neue Lieder aufnehmen. Live spielen wir immer auf Anfrage. Meisten kontaktieren die Leute uns, und wenn es terminlich passt, sagen wir Ja. Wir haben da auch keine große Erwartungen und nehmen keine Festgage. Ein sehr gutes Gegenstück zu Tocotronic, bei denen immer alles sehr lange im Voraus geplant wird. Mit Mint Mind spielen wir auch spontan und pennen privat irgendwo. Diese Balance zu haben, ist sehr nett. Aber wir suchen immer noch ein Label! Ich habe keinen Bock, das wieder selbst herauszubringen. Die letzte Glacier-Platte habe ich selber herausgebracht, das war mir zu viel Arbeit. Man kann nicht alles selber machen!
kreuzer: Apropos: kleine Konzerte. Ihr spielt jetzt im Haus Auensee. Habt ihr auch wieder vor, im Conne Island zu spielen?
McPHAIL: Vielleicht. Ich weiß nicht, ob ich was dazu sagen kann, daher sage ich: Vielleicht!