Herrn Bond lassen wir erstmal beiseite: Das Kino Lateinamerikas zusammen zu fassen, ist fast ein Frevel. Aber den Guten von Sudaca sei es gewährt. Immerhin öffnen sie ein weites Fenster in die Vielfalt der südamerikanischen Kinokultur. Sowohl inhaltlich als auch stilistisch. Die außergewöhnliche Essayfilm »El botón de nácar« (»Der Perlmuttknopf«) ist da der perfekte Auftakt für eine faszinierende Reise durch über 30 Lang- und Kurzfilme und ein Rahmenprogramm aus Workshops, Lesungen und Diskussionsrunden. Was es aktuell sonst noch im Kino gibt, erfahrt ihr bei uns.
Film der Woche: 300 Millionen Dollar soll der neue Bond gekostet haben. Damit wäre er teuerste Film der jetzt 24-teiligen Reihe, die 1962 mit »Dr. No« ihren Anfang nahm und seitdem Filmgeschichte geschrieben hat. Dass er nicht billig war, sieht man „Spectre“ auf jeden Fall an. Allein für die Pre-Title-Sequenz hat Regisseur Sam Mendes einen enormen Aufwand betrieben: Über 1.500 Statisten setzten mitten in Mexico City, der bevölkerungsreichsten Stadt der Welt, eine Parade zum Dia del los Muertos in Szene. Später jagen zwei Autos durch die Straßen Roms, die ein kleines Vermögen kosten, gefilmt in nicht weniger als 18 Nächten vor Ort in der Ewigen Stadt. Und Bonds Wagen, einen Aston Martin DB10, hat der britische Automobilhersteller extra für den Film entworfen. Bei all den teuren Requisiten und aufwendigen Settings fällt jedoch auf, dass die Action im neuen Bond wohl dosiert ist. Wie in den ersten drei Filmen geht es wieder einmal um die inneren Befindlichkeiten des Protagonisten. James Bond wird mit seiner Vergangenheit konfrontiert, was Sam Mendes Gelegenheit gibt, auch nochmal auf die ersten drei Filme mit Daniel Craig Bezug zu nehmen, von denen er den letzten, »Skyfall«, auch selbst inszeniert hat. Judi Dench hat nochmal einen kurzen Auftritt per Videobotschaft aus dem Jenseits, Bonds große Liebe Vesper Lynd (Eva Green) taucht auf. Aber auch die titelgebende Verbrecherorganisation Spectre hat eine lange Tradition im Bond-Universum. Für den neuen Film wurde sie fit für das 21. Jahrhundert gemacht und strebt die Weltherrschaft nun mittels der totalen Überwachung der modernen Informationsgesellschaft an. An ihrer Spitze steht der Österreicher Franz Oberhauser, gespielt von einem großartigen Christoph Waltz. Waltz gegen Craig, davon lebt »Spectre«. Wenn die britische Titelrolle nach »Bond 25« für den Craig noch unterzeichnet hat, tatsächlich neu besetzt wird, kann man nur hoffen, dass wenigstens der österreichische Antagonist in einem kommenden Bond wieder einen Auftritt hat.
ALEXANDER PRAXL
»Spectre«: ab 5.11., Passage Kinos, Cineplex, Schauburg, Regina Palast, CineStar (auch OmU)
Ein Leben im Pulverfass: Die 11. Klasse des Leon Blum Gymnasiums im Pariser Vorort Creteil ist im wahrsten Wortsinn vielfältig. Doch tummeln sich hier viele, die wissen, dass sich der Rest der Welt nicht für sie interessiert. Der junge Muslim Malik, die aggressive Mélanie oder der stille Théo nehmen nicht teil am Wohlstand der Mitte und sie haben sich damit abgefunden. Das Klassenzimmer ist ihre politische Bühne, hier begegnen sich mit voller Wucht kulturelle und persönliche Konflikte. Etwas zu lernen, scheint reine Zeitverschwendung. Als die engagierte Lehrerin Anne Gueguen die Klasse übernimmt, begegnen ihr selbstbewusster Unwille und große Provokationslust. Doch die kluge Frau versteht es, mit geschickten Fragen die Muster der Jugendlichen zu durchbrechen. Ohne mit der Wimper zu zucken, meldet sie die Klasse bei einem renommierten, nationalen Schülerwettbewerb an. Mit großer Beharrlichkeit gelingt es ihr, die Schüler in eine gemeinsame Aufgabe zu verwickeln. Obwohl die meisten sich noch nie mit Geschichte befasst haben, entdecken die Jugendlichen, dass die längst vergangenen Schicksale auch ihnen viel zu erzählen haben. Für sie beginnt eine Reise in die Vergangenheit, die sie schließlich zu einer Gemeinschaft macht. Mit viel Sensibilität zeigt ihnen Madame Gueguen, dass sie Teil von etwas viel Größerem sind. Das sehenswerte Drama aus Frankreich leidet unter chronischer Titelgeschmacksverwirrung des Verleihs. Trotzdem sollte man »Die Schüler der Madame Anne« (Originaltitel: »Les héritiers«) gesehen haben. Es ist bewegend, aber nie kitschig, mit anzusehen, wie die Lehrerin Zugang zu ihren schwierigen Schülern mit einem Wettbewerb sucht, der die Auseinandersetzung mit dem Leid von jungen Juden im Nationalsozialismus fördert. Sehr authentisch schildert die Regisseurin die wahren Ereignisse und kann auf eine starke Hauptdarstellerin bauen. Leider leidet die Authentizität unter der Synchronisation und dem langweiligen deutschen Verleihtitel.
»Die Schüler der Madame Anne«: ab 5.11., Passage Kinos
kreuzer verlost einen Reiseführer MERIAN live! Paris & 2 Freikarten. Email an film@kreuzer.leipzig.de (Betreff: »Erben«)
Die Flimmerzeit im Oktober
Flimmerzeit_Oktober mit ALLES STEHT KOPF, BLACK MASS und DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER plus DVD-Tipp SPRING.
Weitere Filmtermine der Woche
Filme gegen das Vergessen
Die Reihe in der Kinobar Prager Frühling erinnert an Holocaust und 26 Jahre Fall der Mauer am 9. November 1989.
Erich Mielke - Meister der Angst
In dem Dokudrama nähern sich die Regisseure der Karriere und dem Privatleben Erich Mielkes auf dokumentarischer Ebene, zeigen Interviews und Archivmaterial, aber auch auf Spielfilmebene.
5., 11.11., 17 Uhr, 9.11. 19.30 Uhr
Holocaust light... gibt es nicht! Im Anschluss Filmgespräch mit Sara Atzmon
Der Film begleitet die Holocaust-Überlebende Sara Atzmon und ihre zwölfjährige Enkelin Schachaf zu den Orten, wohin Sara mit ihrer Familie während des Holocaust von den Nazis verschleppt wird. Saras Geschichte ist die Geschichte der ungarisch-jüdischen Familie Gottdiener, die von den Nazis kreuz und quer durch halb Europa gejagt wird.
5.11., 19 Uhr
Der letzte der Ungerechten - In Kooperation mit der Gedenkstätte für Zwangsarbeit in Leipzig und dem Bündnis gegen Antisemitismus Leipzig
Filmporträt des ehemaligen Rabbiners Benjamin Murmelstein von Claude Lanzmann. Murmelstein erzählt von der erzwungenen jüdischen Kollaboration mit den Nazis in Form sogenannter Judenräte, die gezielt in die Vernichtungsmaschinerie eingebunden wurden.
8.11., 17 Uhr
183 Tage. Der Auschwitz-Prozess. Zur Erinnerung an die Reichspogromnacht am 9. November 1938
Dokumentation über vier verschiedene Angehörige des Wachpersonals im Konzentrationslager Auschwitz und ihre Stellungnahmen in dem Prozess, in dem sie sich verantworten mussten.
9.11., 16 Uhr
Die Hälfte der Stadt
1890 erblickte der polnisch-jüdische Fotograf Chaim Berman in der Kleinstadt Kozienice das Licht der Welt. Bereits in jungen Jahren begann Berman damit, Fotos von dem Leben und den Menschen seiner Heimatstadt anzufertigen - vorzugsweise Porträts der Einwohner von Kozienice. Er hielt damit fest, wie Polen, Deutsche und Juden friedlich miteinander lebten. Ab den 1930er Jahren begann sich diese einträchtige Koexistenz dann jedoch umzukehren. Mit Filmgespräch.
6.11., 17 Uhr, 10.11., 19 Uhr
A man can make a difference
Benjamin Ferencz, Chefankläger im Nürnberger Einsatzgruppen-Prozess gegen die Mordbanden der SS: Ullabritt Horn erzählt seine unglaubliche Geschichte von Nürnberg bis heute.
11.11., 19 Uhr
Märkische Trilogie
Dokumentarfilmreihe von Volker Koepp. In der märkischen Kleinstadt Zehdenick an der Havel bestimmen seit 1888 Ziegeleien den Lebensrhythmus der Bewohner. Im Frühjahr 1988 besucht Volker Koepp mit seinem Kameramann Thomas Plenert zum ersten Mal die Zehdenicker. Die kommende politische Veränderung ist noch fern.
5.11., 20 Uhr, Pöge-Haus
On/Off the Record - Featuring The Notwist & An Ton Kaun
Als Vorbereitung für die Konzerte im Dezember gibt es die Notwist-Doku »On/Off the Record« zu sehen, die die Band bei den Arbeiten zu ihrer Platte »Neon Golden« begleitet. - Vorfilm: An Ton Kaun (D 2014)
5.11., 21 Uhr, UT Connewitz
Filmriss Filmquiz
Ihr steht auf leinwandsprengende Action und große Gefühle? Ein Kinosaal ist für euch erst ab 500 Sitzen und 200 Quadratmeter Leinwand, 3D & Dolby so richtig gemütlich? Dann seid ihr hier richtig: Das nächste Filmriss Filmquiz wird groß! André Thaetz und Lars Tunçay fragen quer durch die die Geschichte des Popcornfilms und es gibt haufenweise feine Preise abzuräumen.
5.11., 20.30 Uhr, Conne Island
Turkish Passport
Zur Nazizeit wurden türkische Diplomaten in ganz Europa positioniert und retteten zahlreiche Juden.
5.11., 19 Uhr, Ariowitsch Haus Leipzig
Voll Paula
Das Leben von Paula, Louise, Max, Randolf und Donnie gerät aus den Fugen. Liebes- und Karriereaussichten eröffnen sich. Doch es kommt anders als erwartet und das Ende könnte auch wieder der Anfang sein. - Premiere in Anwesenheit des Regisseurs Malte Wirtz
6.11., 20 Uhr, LURU-Kino in der Spinnerei
Ein Sechstel der Erde
Stummfilmklassiker und filmisches Manifest aus dem Jahre 1926, kunstvoll montiert aus Material der von Vertov in alle sowjetischen Regionen entsandten Filmkorrespondenten. Sie sind euphorische Boten der revolutionären Wende zur Moderne im »sechsten Teil der Erde«. - Livevertonung durch die Post Rock Band We Stood like Kings
7.11., 21 Uhr, UT Connewitz
The Navigator + A Sea Dog's Tale
Stummfilmkino mit Buster Keaton und Billy Bevan. - Kinoorgel live - Einführungen: Claudia Cornelius, Thierry Gelloz
7.11., 18 Uhr, Grassi-Museum Leipzig
Heuschrecke
Reihe russischer Filme im Original
8.11., 20 Uhr, Cineplex
Bildnis einer Trinkerin
Eine reiche, elegante Frau geht nach Berlin, um sich dort vollkommen dem Alkohol zu ergeben. Dabei begegnet sie einer anderen, jedoch armen Trinkerin. Zusammen ziehen sie durch die Stadt. Experimenteller Spielfilm von Ulrike Ottinger.
9.11., 19 Uhr, Cinémathèque in der naTo
Freies Land
Der zweite deutsche Spielfilm der Nachkriegszeit behandelt das Schicksal von Flüchtlingen in einem in der Mark Brandenburg gelegenen Dorf in der Westprignitz.
9.11., 19 Uhr, Zeitgeschichtliches Forum
6. Lateinamerikanische Tage
10.–25.11., Schaubühne Lindenfels
Eröffnungsfilm: El Boton de Nacar
Poetisches Filmessay, das mit dem Silbernen Bären für das beste Drehbuch ausgezeichnet wurde. Eine fiktive Reise durch die reale Geschichte Chiles, das mit seinen 4.300 Kilometern Küste und dem größten Archipel der Welt eine übernatürliche Landschaft besitzt. Berlinale 2015 - 6. Lateinamerikanische Tage - Eröffnungsfilm
10., 12.11., 19.30 Uhr
Four Moons
Sexuelles Erwachen. Das erste Mal. Sehnsucht, Lust und Leid. Freundschaft. Tovar Velardes' Filmdebüt erzählt den Jahreszeiten gleich vier Geschichten über die Liebe: vom ersten Verliebtsein bis hin zur Suche nach sexuellen Abenteuern in einer langjährigen Beziehung.- 6. Lateinamerikanische Tage
11.11., 19:30 Uhr
Heute gehe ich allein nach Hause
Leo ist blind, aber sonst ein ganz normaler Teenager. Er will keine Sonderbehandlung, sondern geküsst werden. Da kommt Gabriel in seine Klasse. Er begleitet Leo nach Hause, bringt ihm das Tanzen bei und beschreibt ihm die Mondfinsternis. Und so gehört Leo bald zu den Jungs, die schon mal geküsst wurden. - 6. Lateinamerikanische Tage
11.11., 22 Uhr
La nina de tacones amarillos
»Das Mädchen mit den gelben Absätzen« spielt in dem kleinen Ort Tumbayá, wo ein großes Hotel gebaut wird. Für die Einwohner bedeutet das einen kulturellen Schock, den die 15-jährige Isabel unmittelbar miterlebt. In ihrem Verhalten spiegelt sich die ambivalente Beziehung zwischen den Dorfbewohnern und den Neuankömmlingen wider: Der Wunsch auszubrechen prallt mit dem Verlust der Unschuld aufeinander. Im Anschluss an beide Vorstellungen: Publikumsgespräch mit der Regisseurin. - 6. Lateinamerikanische Tage
12.11., 21.30 Uhr
Feinkost - Deutsch-Tschechisches Kurzfilmprogramm
Die Deutsch-tschechische Kurzfilmrolle.
12.11., 19:00 Uhr, Kinobar Prager Frühling
Alki Alki
Seit Tobias denken kann, ist er mit Flasche befreundet. Doch nachdem Tobias einen geschäftlichen Auftrag in den Sand gesetzt hat und betrunken am Steuer einen Autounfall verursacht, wird ihm eines klar: Er muss sich von Flasche trennen. Die Sucht als menschlicher Charakter. Premiere mit Regisseur Axel Ranisch und den Darstellern und Koautoren Heiko Pinkowski und Peter Trabner
11.11., 20 Uhr, Passage Kinos
Go Home
Ein grimmiger Tenor in der Pekingoper muss sich um seinen Enkel kümmern.
11.11., 19 Uhr, Konfuzius-Institut Leipzig
Warschauer Aufstand
Neben der Spielfilmvariante »Miasto 44« hat Regisseur Jan Komasa auch eine direkte, dokumentarische Aufbereitung der Ereignisse rund um den Warschauer Aufstand gedreht, die nun in der Reihe »Film Polska« zu sehen ist.
11.11., 20 Uhr, Cinémathèque in der naTo
Kurdische Filmtage
12.–14.11., Cineding
Eröffnung: Half Moon
Ein alternder kurdischer Musiker will nach dem Sturz Saddam Husseins ein letztes Konzert im Norden Iraks geben, muss sich dazu aber auf eine äußerst beschwerliche Reise machen, auf der er immer wieder Visionen von seinem Tod hat. Magisch-poetisches Roadmovie, das seine Geschichte mit traumhaften Bildern und sehr eigenwilligem Humor erzählt. - Kurdische Filmtage - Eröffnung
12.11., 19 Uhr, Cineding
Der Imker
Bewegende Dokumentation über einen kurdischen Imker, der seine Familie und seinen Beruf verliert und einen Neubeginn wagt. - Kurdische Filmtage
12.11., 22 Uhr, Cineding
Drei Patienten
Das Drama erzählt die Geschichte des Notarztes Matthias Kurowski, der mühelos, schwerelos, teilnahmslos durch die Hektik des Medizinbetriebes und des Lebens im Allgemeinen zu gleiten scheint. Für all die Dinge, die er nicht verstehen kann, die zu kompliziert und zu widersprüchlich sind, hat er eine Lösung gefunden: Er trifft keine Entscheidungen mehr. - in Anwesenheit von Regisseur Gregor Eichhorn und Schauspieler Peter Schneider
12.11., 19.30 Uhr, LURU-Kino in der Spinnerei
Du vent dans mes mollets
Rebellische Mädchenfreundschaft zwischen zwei Neunjährigen. Romanverfilmung von Raphaële Mousaffir.
12.11., 18.30 Uhr, Institut Français (OF)
Im Durchgang - Protokoll für das Gedächtnis
Ein Jahr lang beobachtet Regisseur Kurt Tetzlaff den 18-jährigen Pfarrerssohn Alexander, der nach der 10. Klasse von seinem Elternhaus in Brielow nach Potsdam zog, um dort die Helmholtz-Oberschule zu besuchen. Der angedachte Film sollte die Geschichte eines nicht angepassten Jugendlichen in der DDR zeigen. Durch die eingetretenen Ereignisse 1989 werden die Dreharbeiten zu einem exemplarischen Dokument der Wendezeit.
12.11., 20 Uhr, Pöge-Haus
Shoah
Umfassender Dokumentarfilm über die systematische Verfolgung der osteuropäischen Juden durch die Nazis. Der Film zeigt kein historisches Material, sondern die Reaktionen von Überlebenden, die bis an die Grenze des Erträglichen dazu befragt werden, was sich auf den Transporten und in den Todesfabriken des »Dritten Reiches« abgespielt hat. Einer der besten Filme, die je zu diesem Thema gedreht wurden. - Filmvorführung Teil 1 (ca. 5 Stunden) in Raum 2.41
12.11., 16 Uhr, Hochschule für Grafik und Buchkunst