»Volksverräter? Ich bin doch kein Volksverräter, ich sitz’ nicht im Parlament!« Fast scheint die Situation schon im Vorspiel zu kippen, dann schneidet ein souveräner Schauspieler dem Zuschauer-Querulanten das Wort ab: »Parlament? Das haben wir zum Glück lange hinter uns.« Willkommen bei »Adolf Südknecht – Im Keller«!
Die geschilderte Szene skizziert schon die Gratwanderung, die das inszenierte Historienformat mit sich bringt. Der Zuschauer wird angesprochen, weil er sich nicht in eine Luftschutzbunkergruppe einfügen will. Er, der auch später nicht einsehen will, sich in einer Inszenierung zu befinden, und nervt – versteht offenbar »Volksverräter« als aktuelles wie zulässiges Vokabular. Er bleibt an diesem Abend der Einzelfall und der Adolf-Südknecht-Gruppe gelingt ein frappierender Balanceakt. Im Abfüllkeller der ehemaligen »Branntwein- und Likörfabrik Wilhelm Horn« in Gohlis versuchen sie, die Konstellation in einem Luftschutzkeller am Ende des Zweiten Weltkriegs verständlich zu machen. Natürlich stößt alle historische Einfühlung an ihre Grenzen, gerade wenn sie auch mit Unterhaltungsmitteln arbeitet. Aber die Grundstimmung der Bedrückung, die Menschen zwischen Angst und Verblendung hineingeworfen in eine Situation der Machtlosigkeit befällt, im Publikum zu erwecken, schaffen sie erstaunlich gut.
Die Gastromfamilie um Adolf Südknecht betreibt eine Weinstube in der Arndtstraße – das reguläre Kulttheaterformat spielt sich dort monatlich mit zu Dreivierteln improvisierten Theaterabenden durch die Jahrzehnte Leipziger Lokalgeschichte. Bei »Im Keller« befindet man sich – imaginiert – unter dem Gebäude in der Südvorstadt. Die Sirenen heulen und das Publikum eilt in den Luftschutzkeller, wo man zusammen mit Teilen der Südknecht-Belegschaft sein Heil sucht. Zu solcher Zwangsgemeinschaft verurteilt, muss man nun ausharren und das aushalten. Mit dem Mut auch zu leisen Momenten bis hin zum Nichtspassieren agieren dabei die Theatermacher. Sicher, sie führen auch manch ideologische Debatte über Endsieg und Durchhaltewillen. Aber es sind viele berührende Momente darunter, wenn der Südknechtsohn etwa mit Gasmaske erscheint, der fatalistische Klavierspielnachbar lieber Jazz spielt, als in den herunterzukommen, oder der Luftschutzwart im manischen Mantra fragt: »Wann hört das endlich auf?« und man spürt, er meint nicht nur diesen einen Luftangriff. Wohl dosiert finden sich hier historische Details und Zeitkolorit eingestreut. Sie sind genauso wenig überbordend wie die manchmal zur Auflockerung gegebenen humoristischen Momente. Dank dramaturgischem wie darstellerischem Feingefühl kommt hier vor allem kollektive Beklemmung jenseits des Historien-Kitsches auf. Keine kleine Leistung.