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Essen & Trinken

Eine Frau sucht ihren Weg

Ein Zwiegespräch über einen Monolog – oder wie bewertet man Restauranttheater?

  Eine Frau sucht ihren Weg | Ein Zwiegespräch über einen Monolog – oder wie bewertet man Restauranttheater?

Das Theater der Jungen Welt ist für die Inszenierung von »My Name is Peggy« ins Stelzenhaus gezogen – dort wird nebenbei oder mittendrin gegessen. Wir haben eine Gastro-Redakteurin und einen Theaterredakteur hingeschickt. Zurück kam ein Dialog.

A: »Warten auf Mr. Right« könnte man den Abend auch nennen. Das trifft es sogar besser, denn eigentlich führt der Titel »My Name is Peggy« in die Irre. Die namenlose Frau, die hier allein auftritt, heißt gar nicht so. Sie spricht einen Audio-Sprachkurs nach – und seltsamerweise tritt dort eine depressive Peggy auf.

B: Vielleicht ist aber auch Peggy ihr eigentliches Ich und die auf ihre männliche Begleitung zum Menü wartende Frau nur eine Erfindung der Depressiven? Und: Wartet sie denn wirklich auf ihren Mr. Right oder fabuliert sie nur von ihm und seinen verschiedenen Ausführungen – Seitenscheitel, Mittelscheitel, Muskeln, blondes Haar?

A: Stimmt, man weiß es nicht, und das ist auch der Gewinn des Textes von Marc Becker: Alles bleibt in der Schwebe. Ob Ms. X ihren Hund wirklich durch ein Auto verloren hat, ob dessen Fahrer nun in der Tat an ihr amourös interessiert ist und sie nun an diesem Abend auf ihn wartet, weiß man nicht und tatsächlich ist das nicht so wichtig.

B: Am Ende bekommt man sogar Zweifel, ob es den Hund überhaupt jemals gegeben hat. Mich würde schon interessieren, was jetzt wie gewesen ist: Wenn es keinen Hund gab, hat den auch keiner überfahren – und dann kann sie mit dem Hundekiller auch kein Date haben. Aber stimmt, weil es gut gespielt und eben ein guter Text ist.

A: Der eigentlich noch ganz andere Themen verhandelt und gerne ein Rätsel bleiben darf. Regisseur Jürgen Zielinski hat das Stück, das eigentlich in der Ankleide spielt und die Frau beim Anprobieren der passenden Garderobe für den Abend zeigt, ins Restaurant verlegt.

B: Und dazu gleich noch ein hübsches Büffet aufgefahren, das sich wirklich sehen lassen konnte.

A: Aber das ist doch die Nachspeise, wir wollen erst mal übers Theater reden.

B: Für mich war das Stück die Vorspeise, der Aperitif. Man geht doch ins Restaurant, um zu essen, nicht, um Theater zu sehen. Das haben auch die Restaurantgäste gezeigt, die vor allem zu hören waren.

A: Das war ja nur ein Mann, der ein bisschen lauter war als die anderen.

B: Man kann eben nicht den einen Teil des Saales zum Theaterort machen und im anderen den Restaurantbetrieb weiterlaufen lassen. Schließlich geht man doch nicht nur zum Essen ins Restaurant, sondern weil man einen schönen Abend haben will. Dazu gehört auch, dass man sich unterhält oder unterhalten wird, so wie es beim Theater vorm Essen der Fall ist. Der Regisseur hat sich ja auch überrascht davon gezeigt, dass da noch andere Gäste sind. Insofern war es schon krass, wie sich die Schauspielerin Sonia Abril Romero geschlagen und sich ganz allein auf der Bühne gegen das plappernde und Besteck klappernde Rauschen gestemmt hat. Das war gut, keine Frage.

A: Aber eigentlich war für dich das Theater Beiwerk, wenn du es Aperitif nennst?

B: Nein, das Theater war großartig, aber vielleicht nicht der Hauptgang. Wenn ich allein an die Rosenkohlsuppe als ersten Gang denke …

A: Das waren genau genommen Rosenkohlsüppchen und Karottensüppchen. Soup in the soup, da hat die Küche sich direkt von Shakespeare inspirieren lassen.

B: Shakespear'sche Ausmaße hatte ja auch die Szene, in der die namenlose Frau als Mensch einen Papagei nachahmt, der einen sprechenden Menschen nachahmt.

A: Wobei der Papagei nur Männernamen aufsagt. Vielleicht gibt es auch den Papagei nicht wirklich und es handelt sich um eine weitere Facette der Dame, die nur an Männer zu denken scheint, sei es der Briefträger oder der Chef, und ihre – fiktiven oder tatsächlichen – Haustiere nach ihren Verflossenen benennt.

B: Vor allem denkt sie darüber nach, wie man miteinander glücklich sein kann.

A: Vielleicht hat sie Angst davor, sich ins Abenteuer zu stürzen, weil es ja auch blöd ausgehen kann. So eine trinkt Sekt, während sie sich laut fragt, wer sie ist und vor allem warum.

B: Was ist denn bitteschön »so eine«?

A: Na, eine, die bereit ist, Rollen zu spielen, wenn es denn der Anbahnung einer Beziehung und ihrem Gelingen dient, muss sich doch ihre Lage schön saufen. So als Selbstvergewisserung. Wenn sie schon nicht in den Armen eines Mannes glücklich sein kann, um ihr Dasein zu rechtfertigen, bekommt sie mit dem Alkohol die komplett grundlose Glücksminute, die der Text am Ende uns allen wünscht oder zu der wir alle aufgefordert werden.

B: Da ist dann nichts mehr von der Ironie und dem Zynismus zu spüren, die zwischendurch aufblitzten. Aber das war gar nicht das Ende, sondern der Anfang des Büffets.

A: Stimmt. Auf das doppelte Süppchen folgten ein Salat von Spitzkohl, Möhre und Apfel, ein gemischter Salat aus Radicchio und Rucola mit sehr gutem Kräuterdressing, gebratenes Hühnchen mit Oliven und getrockneten Tomaten …

B: … da würde mich mal interessieren, wie sie die leicht gewickelte Form des Fleisches hinbekommen haben.

A: Das Kartoffelgratin mit Lauch und Thymian war geschmacklich enorm dicht und hat schön mit den unterschiedlichen Texturen von festen Kartoffeln und cremiger Füllung gespielt.

B: Ein interessantes Zusammenspiel hatten auch die Beeren und die Mousse au Chocolat.

A: Was wiederum zeigt: In der Küche kann es kein Solo geben, es braucht immer mehrere Mitspieler, die sich ergänzen, auffangen, verstärken.

B: Deshalb war es eine gute Idee, Ms. X mit dem stummen Chefkellner (Carsten Schmidt) noch jemanden an die Seite zu stellen, der neben kleinen Handreichungen auch eine weitere humoristische Ebene in die Inszenierung einführt.


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