Andreas Voigt ist ein Meister darin, zeitliche Abläufe zu dokumentieren. Beim DOK Leipzig im letzten Jahr feierte »Alles andere zeigt die Zeit«, der vorläufige Abschluss seiner Nachwendechronik, Premiere. Darin verknüpft er wie in seinen früheren Filmen souverän Material aus dem Jahr 25 der deutschen Wiedervereinigung mit jenem der Lethargie des Ostens, des '89er Aufbruchs und der Nachwende-Ankunft. Die Schaubühne zeigt vor dem Bundesstart alle sechs Filme, die zwischen 1986 und 2015 entstanden.
26.–30.1., Schaubühne Lindenfels
»Dies ist die Zeit, die man beschreiben muss« – Andreas Voigt im Interview
Film der Woche: Charlie Kaufman ist nicht ganz richtig im Kopf – das hat uns in der Vergangenheit immerhin so wundervoll andersartige Filme wie »Being John Malkovich« oder »Eternal Sunshine of the Spotless Mind« beschert. Nun legt der Ausnahmeregisseur seinen ersten Animationsfilm vor und er ist nicht weniger schräg, eigen und meisterhaft. Mit unfassbarer Detailverliebtheit formte Kaufman die seltsame Welt des Michael Stone. Der englische Motivationstrainer reist als Gastredner zu einem Seminar nach Cincinnati. Sein gewöhnliches Leben mit Frau und Sohn lässt er zuhause. Im Hotel trifft er sich mit seiner früheren Liebe, aber auch sie kann die Leere in ihm nicht füllen. Bis er in den Hotelfluren plötzlich eine Stimme vernimmt, die ihn in ihren Bann zieht. Michael macht die Bekanntschaft mit Lisa, die anders ist als die anderen. Im Film wird das Besondere der Stimme auf ebenso einfache wie geniale Weise symbolisiert: außer Michael und Lisa werden alle anderen Charaktere von ein und derselben männlichen Stimme gesprochen. Dies unterstreicht die Verlorenheit von Michael in der Welt und ist ein genialer Kniff in einem von Symbolen reichen, meisterhaft animierten Trickfilm, der zu recht als bester Animationsfilm ins Oscarrennen geht. Ein Glücksfall fürs Kino. Ausführliche Kritik von Frank Brenner im Februar-kreuzer.
»Anomalisa«: ab 21.1., Luru Kino in der Spinnerei, 11.–14., 16.–21., 23./24.2., Schaubühne Lindenfels
An einem Tag im November checkt Isabelle (Isabelle Huppert) in einem Motel im Death-Valley-Nationalpark an der Grenze von Kalifornien und Nevada ein. Im Tal des Todes ist es brütend heiß. 50 Grad Celsius. Und die Zeit dort scheint still zu stehen. Wenig später trifft dort auch Gérard (Gérard Depardieu) ein. Isabelle und Gérard waren einmal verheiratet, sind aber längst geschieden. Aus dieser Ehe haben die beiden einen Sohn, Michael. Und genau dieser Sohn ist der Grund dafür, dass sich das Ex-Ehepaar nach vielen Jahren in dieser Wüstengegend wiederbegegnet. Michael, ein junger Fotograf aus San Francisco, hat sich nämlich vor sechs Monaten umgebracht. Er war erst 31 Jahre alt. Und er hat seinen Eltern jeweils einen Brief geschrieben, in dem er darum bittet, dass sie sich zu einer ganz bestimmten Zeit im November im Tal des Todes treffen sollen, um dort eine Woche lang zusammen zu verbringen. Mehr noch: Sie sollen dort eine Reihe von Plätzen aufsuchen und sich gemeinsam auf seine Spuren begeben. Und er verspricht ihnen, dass sie sich an einem dieser Tage begegnen werden. Trotz der Absurdität der Situation beschließen Isabelle und Gérard, dem „Programm“ zu folgen, das Michael entworfen hat. Doch die Annäherung zwischen Isabelle und Gérard ist nach all den Jahren – und vor allem nach dem tragischen Selbstmord ihres Sohnes – nicht gerade einfach. Die beiden großen französischen Mimen haben sich auf ein Wagnis eingelassen. Irgendwo in der amerikanischen Wüste agieren sie auf sich selbst zurückgeworfen vor der Kamera von Guillaume Nicloux (»Die Nonne«). Die reduzierte Inszenierung lässt den Akteuren viel Raum für ihr Spiel. Das Ergebnis ist so faszinierend, aber auch so abweisend wie die Landschaft, die sie umgibt.
»Valley of Love«: ab 21.1., Passage Kinos
Die junge Eilis Lacey (Saoirse Ronan) ist eine irische Immigrantin, die in den 1950er Jahren versucht, in Brooklyn Fuß zu fassen. Von den Versprechungen Amerikas angelockt, verlässt Eilis nicht nur schweren Herzens Irland, sondern auch ihre Mutter und Schwester, um in New York ein neues Leben zu beginnen. Mit Hilfe eines irischen Priesters (Jim Broadbent), der in Brooklyn eine Gemeinde betreut, kommt Eilis nach der langen Überfahrt auf einem Ozeandampfer in New York an und findet... dort nicht nur eine Unterkunft in einer Pension für junge, unverheiratete Frauen, sondern auch schnell einen Job als Verkäuferin in einem Kaufhaus. Anfangs leidet Eilis unter großem Heimweh - doch das verfliegt schnell, als sie bei einem Tanzabend den italienisch-stämmigen Klempner Tony Fiorello (Emory Cohen) kennenlernt, der ihr schüchtern – aber bestimmt - den Hof macht. Langsam und sehr zärtlich beginnen die beiden eine Liebesromanze. Doch da erreicht Eilis eine bestürzende Nachricht ihrer Familie und sie beschließt, noch einmal in ihre irische Heimat zu reisen. Während dieses Aufenthaltes lernt Eilis den irischen Rugby-Spieler Jim Farrell (Domhnall Gleeson) näher kennen, der sich Hals über Kopf in sie verliebt. Und auch sie beginnt langsam Gefühle für Jim zu entwickeln. Mit der Zeit wird Eilis immer klarer, dass sie sich nicht nur zwischen zwei Ländern, sondern auch zwischen zwei ganz unterschiedlichen Lebensentwürfen entscheiden muss.
»Brooklyn«: ab 21.1., Passage Kinos (auch OmU)
Flimmerzeit Dezember
Weitere Filmtermine der Woche
Every Thing will be fine
Drama mit James Franco als Schriftsteller, der den Tod eines von ihm angefahrenen Kindes verarbeitet. Spannend und raffiniert erzählt. – Psychoanalyse trifft Film
22.1., 19.30 Uhr, Passage Kinos
Schauspieler, Stars und Superstars
Die Methode von Robert de Niro – in ihrem Vortrag blickt Claudia Cornelius tief in die Arbeitsweise des Method Actors, angereichert mit zahlreichen Filmbeispielen. Im Anschluss gibt es wieder ein Quiz zum Thema.
22.1., 20 Uhr, Memento
Premiere: Sebastian und die Feuerreiter
Fortsetzung von »Belle und Sebastian« nach den Kinderbüchern von Cécile Aubry. Premiere mit Regisseur Christian Duguay und Hauptdarsteller Félix Bossuet
23.1., 15 Uhr, Passage Kinos
South –Shackletons Todesfahrt zum Südpol
Nachdem Roald Amundsen 1911 den Südpol erobert hat, plant der britische Polarforscher Sir Ernest Shackleton die komplette Durchquerung der Antarktis. Am 1. August 1914 sticht die »Endurance« mit 27 Männern in See. Mit an Bord ist der Kameramann Frank Hurley, der den Expeditionsalltag filmisch dokumentiert, den täglichen Kampf gegen das Packeis - und dann das endgültige Scheitern des Vorhabens, das monatelange Ausharren und schließlich die verzweifelte Flucht von dem vom Eis zermalmten Forschungsschiff. Ein dramatischer Kampf ums Überleben nimmt seinen Lauf, der erst am 30. August 1916 ein glückliches Ende nimmt. Spannende zeitgenössische Dokumentation der letzten klassischen Polarexpedition.
23.1., 18 Uhr, Grassi-Museum Leipzig
Das Leben der Anderen
Im Ost-Berlin der 1980er Jahre wird ein linientreuer Stasi-Hauptmann mit der Überwachung eines erfolgreichen Künstlers betraut, wobei im Laufe dieses Auftrags einige Veränderungen in dem Staatsdiener beginnen. Zum Teil durchaus kontrovers diskutierter, auch international sehr erfolgreicher deutscher Debütfilm mit Ulrich Mühe in seiner letzten großen Rolle.
24.1., 20 Uhr, Schaubühne Lindenfels
Freedom Bus
Ashraf El Sharkawy ist auf einer einzigartigen Mission: Er will Freiheit für Ägypten. Mit seinem Freedom Bus ist er in Ägypten unterwegs.
25.1., 20 Uhr, Cineding (OmeU)
Der Leipzig-Zyklus von Andreas Voigt:
Alfred & Leipzig im Herbst
Die zwei ersten Filme des Leipzig-Zyklus von Andreas Voigt. Alfred, ein Leipziger Einsiedler, der aus seinem Leben erzählt, und die Ereignisse von »Leipzig im Herbst« 89.
26.1., 19 Uhr, Schaubühne Lindenfels
Letztes Jahr Titanic
Der dritte Film in Andreas Voigts Leipzig-Zyklus erzählt von Dezember 1989 bis Dezember 1990 von fünf Menschen im letzten Jahr der DDR und den Anfängen des vereinten Deutschlands.
27.1., 21 Uhr, Schaubühne Lindenfels
Glaube, Liebe, Hoffnung
Der vierte Film des Leipzig-Zyklus von Andreas Voigt begleitet eine Gruppe radikaler Jugendlicher.
28.1., 21 Uhr, Schaubühne Lindenfels
Große weite Welt
Der fünfte Film des Leipzig-Zyklus von Andreas Voigt kehrt zurück zu einigen Protagonisten aus den früheren Filmen, um zu sehen, was aus ihnen geworden ist.
29.1., 21 Uhr, Schaubühne Lindenfels
Bottled Life – Nestlés Geschäfte mit dem Wasser
Wie verwandelt man Wasser in Geld? Es gibt eine Firma, die das Rezept genau kennt: Nestlé. Dieser Konzern dominiert den globalen Handel mit abgepacktem Trinkwasser. Der Schweizer Journalist Res Gehriger macht sich auf, einen Blick hinter die Kulissen des Milliardengeschäfts zu werfen. – Filmvorführung und Gespräch mit Prof. Dr. Dr. Dietrich Borchardt und Prof. Dr. Erik Gawel
26.1., 19 Uhr, Zeitgeschichtliches Forum
Filmriss Filmquiz
... denn sie quizzen nicht, was sie tun! Die Rateshow rund ums Thema Film geht in eine neue Runde mit Fragen, Clips und Spielen und reichlich Preisen zu aktuellen Kinoproduktionen. André Thätz und Lars Tunçay servieren euch Clips und Facts aus der Filmgeschichte.
26.1., 20.30 Uhr, Conne Island
Inbetween – Isang Yun in North and South Korea
KV Film und Tischgespräch von und mit Maria Stodtmeier
26.1., 20 Uhr, KV – Verein für zeitgenössische Kunst Leipzig
Ayaktakimi
»Ayaktakimi« (dt. Fußballmannschaft) nimmt seine Zuschauer mit auf eine farbenfrohe Reise in Fankurven von Istanbul bis Diyarbakir und zeigt eine Mischung aus Protest, Hoffnung und Leidenschaft der verschiedenen Charaktere. – Filmvorführung und Diskussion
27.1., 19.30 Uhr, Conne Island
Boulevard
Ein Mann, der sich in seinem Eheleben eingerichtet hat, entdeckt die Liebe zu einem Stricherjungen. Letzter Film mit dem 2014 verstorbenen Robin Williams. – Queerblick
27.1., 19.30 Uhr, Passage Kinos
Po-lin – Spuren der Erinnerung
Polnische Juden, die in die USA ausgewandert waren, besuchten in den 1930er Jahren ihre Verwandten in Polen. Ihre Filmaufnahmen sind die einzigen Dokumente der vernichteten Welt der polnischen Juden.
27.1., 16 Uhr, Kinobar Prager Frühling
Shorts Attack
Im Fokus der Kurzfilmrolle: »Arbeit und Ekstase« – 10 Filme in 90 Minuten.
27.1., 21 Uhr, UT Connewitz
The Continent
Drei Männer begeben sich auf eine Reise, um ein neues Leben fernab der Insel zu finden, auf der sie lebten.
27.1., 19 Uhr, Konfuzius-Institut Leipzig (OmeU)
Metropolis
Proletarier-Revolte in der Zukunftsstadt Metropolis. Expressionistischer Science-Fiction- und Stummfilm-Klassiker von Fritz Lang, dessen Architektur und Gestaltung seither oft zitiert und kopiert wurde. Stummfilm mit Live-Begleitung von Tobias Rank (Klavier) und Gunthard Stephan (Geige)
28.1., 18 Uhr, Grassi-Museum Leipzig