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Filmkritik

Kino zum Lesen

Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

  Kino zum Lesen | Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

Buch und Film stehen längst nicht mehr in Konkurrenz zueinander. Nahezu jede Woche kommt irgendeine Produktion in die Kinos, die auf einem (Comic-)Buch basiert – und das ist okay. Natürlich vermissen wir die originellen Geschichten, die genuin fürs Kino geschrieben wurden. Aber im besten Fall macht der Regisseur seine ganz eigene Geschichte aus der Vorlage. Wie andersherum Filme Bücher inspirieren, kann man während der Buchmesse zum Beispiel im Luru erleben: Hitler, Schneewittchen und die sieben Zwerge – einen Einblick in des Führers Lieblingsfilme bietet das Buch von Volker Koop »Warum Hitler King Kong liebte, aber den Deutschen Micky Maus verbot«, aus dem er zur Buchmesse lesen wird. Im Anschluss gibt es die Mutter des Monsterfilms zu sehen: »King Kong und die weiße Frau« aus dem Jahr der Machtergreifung, 1933. 19.3., 21 Uhr, Luru-Kino in der Spinnerei

Film der Woche: Ein Berg aus Fleisch und Muskeln steht vor dem Spiegel im Bad, die Haare frisch rasiert, bereit für die Nacht. Einst war er der »Stolz von Leipzig« – geachtet und respektiert. Heute versucht Herbert mit Gelegenheitsjobs als Geldeintreiber oder Türsteher zu überleben. Nebenher trainiert er den talentierten Eddy. Mit ihm will er endlich die Erfolge feiern, die ihm damals verwehrt blieben. Spät nachts prügelt er selbst auf den Sandsack ein, bis das Licht ausgeht. Doch dann macht sein Körper plötzlich nicht mehr mit. Zunächst beginnt seine Hand unmerklich zu zittern, dann krampft sich sein rechter Arm zusammen und schließlich auch sein Bein. Herbert liegt hilflos unter der Dusche. Der Gang zum Arzt ist unausweichlich, die Diagnose brutal: ALS – eine degenerative Erkrankung des motorischen Nervensystems mit tödlichem Verlauf. So steht es Schwarz auf Weiß vor seinen Augen. Doch Herbert will sich nicht aufgeben und sucht den Kontakt zu seiner Tochter. Sandra möchte nichts von ihm wissen und wendet sich von ihm ab, genauso wie Eddy und sein Chef – mit einem Krückstock ist er wertlos als Trainer und Schläger. Aber als Boxer weiß Herbert einzustecken und dass es das Wichtigste ist, den Ring stehend zu verlassen. Thomas Stuber und Clemens Meyer schufen eine kraftvolle Geschichte, deren pulsierendes Herz Peter Kurth ist, der Herbert eine eindrucksvolle Präsenz verleiht und dessen körperlichen Verfall überzeugend deutlich macht. »Herbert« ist Boxfilm und Drama, ein Leipziger »The Wrestler« und ein beeindruckendes Spielfilmdebüt. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.

»Herbert«: ab 17.3., Passage Kinos

Die lange Arbeitslosigkeit ist Thierry Taugourdeau anzumerken. Bart und Haarfrisur haben schon lange keine Schere mehr gesehen, die Körperhaltung ist schlaff, die Stimme kaum hörbar, das Selbstwertgefühl im Keller. So verliert er, vor allem in Bewerbungsgesprächen, deutlich an Marktwert. Diverse Umschulungen hat er schon durchlaufen, doch nichts, aber auch gar nichts und schon gar nicht der neu aufgestellte Lebenslauf, führen zu einer Stelle im ehemaligen Beruf. Als Maschinist kann er mit der Kieran-Maschine 7 umgehen, nun sind aber Kenntnisse der 8er-Generation gefragt. Die Arbeitslosigkeit zehrt an seinen Nerven – oder wie er es selbst auf den Punkt bringt: »Sie frisst dein Leben auf.« Thierry reagiert empfindlich, wenn die Bankangestellte ihn, von oben herab behandelnd, zu seinem Privatleben ausfragt. Nein, die Eigentumswohnung will er für sich und seine Familie behalten. Der Arbeitskampf seiner ehemaligen Kollegen interessiert ihn nicht. Die gegenwärtigen Probleme haben Vorrang. Thierry muss Geld verdienen und so kommt es, dass er schließlich einen Job als Wachmann in einem Großmarkt annimmt. Die Körperhaltung richtet sich auf, das Leben wird für einen Moment leichter. Nun folgt auch er den Gesetzen des Marktes, doch die machen ihm bald moralisch zu schaffen. Thierry wird sehr präzise von Vincent Lindon verkörpert. Vieles drückt er mit seinem Körper, einem Blick oder einer Geste aus. Für diese Leistung hat der französische Mime die Goldene Palme auf den Internationalen Filmfestspielen in Cannes erhalten. Ausführliche Kritik von Claudia Cornelius im aktuellen kreuzer. »Der Wert des Menschen«: ab 17.3., Kinobar Prager Frühling

»Viele haben vergessen, was uns passiert ist«, sagt Abdulla Özkan. Vor elf Jahren wurde Özkan von einem Nagel im Hals getroffen. 2004 in Köln war das, in der Keupstraße, also dort, wo viel Türken ihre Geschäfte haben. Sieben Jahre lang haben die Ermittler versucht, die Täter hinter dem Nagelbombenattentat zu finden – unter den Türken, unter den Opfern. Bis sich herausstellte, dass hier die rechtsextreme Terrororganisation NSU ihren Fremdenhass mit Gewalt herausgelassen hat. Der Dokumentarfilm »Der Kuaför aus der Keupstraße«, der im vergangenen Jahr beim DOK Leipzig Weltpremiere feierte, rekonstruiert weniger das Attentat selbst, sondern vielmehr das Hinterher. Spricht mit den Friseurinhabern, dessen Laden zerstört wurde, und mit ihren Nachbarn. Zeigt den Skandal, dass die Ermittler den Opfern nicht glauben wollten. Das ist das Interessante und das Bewegende an dem Film: Dass die Opfer ausführlich zur Sprache kommen und ihre Version erzählen können. Zudem sprechen Schauspieler die Verhörprotokolle nach, die schon allein durch die angewandten Verhörmethoden erschrecken. In denen die, die eigentlich die Opfer sind, als Hauptverdächtige getrennt voneinander vernommen und verunsichert werden – sieben Stunden am Stück. »Die erste Frage der Polizei, als sie am Tatort ankam, war, ob ich versichert sei«, sagt der Besitzer des Friseursalons, an dem die Bombe hochging. Ein gelungener Kniff des Regisseurs Andreas Maus ist, dass er zwischen die Erzählungen der Opfer auch die Bilder von dem großen Fest zum zehnten Jahrestags des Attentats zeigt. Wo sich Tausende versammeln, Musiker spielen und Bundespräsident Gauck eine Rede hält und mit viel medialem Getöse auch bei den Friseuren vorbeischaut. »Die meisten waren wahrscheinlich wegen Maffay hier«, sagt Özkan, der selbst nicht auf die Bühne durfte. Anstrengend an Maus’ Film ist die gewählte Art der Inszenierung. So fallen immer wieder Nägel in Zeitlupe auf den Boden, begleitet von anstrengender, eintöniger Musik, die wohl Dramatik betonen soll und die auch die sehr langen Einstellungen begleitet, in den die Protagonisten nur stumm in die Kamera gucken. Immer wieder. Selbst die Schauspieler, die in einer Fabrikhalle, in der Requisiten aus der Keupstraße stehen, die Verhöre nachspielen, schauen lange schweigend geradeaus. Doch – und das macht den Film sehr empfehlenswert – werden dank »Der Kuaför aus der Keupstraße« alle, die den Film sehen, nicht mehr vergessen, was Özkan und den anderen passiert ist. (JULIANE STREICH) »Der Kuaför aus der Keupstraße«: ab 17.3., Cineding

Flimmerzeit_Februar 2016

 

Weitere Filmtermine der Woche

Heinz-Strunk-Filmnacht Zu Ehren des genialen Musikers, Autors, Schauspielers, Kolumnisten Heinz Strunk gibt es einen Abend nur für ihn beziehungsweise mit ihm – mit der Komödie »Immer nie am Meer« und »Drei Eier im Glas« von Regisseur Antonin Svoboda. 18.3., 20 Uhr, Luru-Kino in der Spinnerei

Die Bestimmung Triple Teil I-III der Jugend-SciFi-Dystopie nach den Romanen von Veronica Roth: Divergent, Insurgent, Allegiant Part 1 19.3., 11.30 Uhr, Cineplex

King Kong Hitler, Schneewittchen und die sieben Zwerge: Einen Einblick in des Führers Lieblingsfilme bietet das Buch von Volker Koop »Warum Hitler King Kong liebte, aber den Deutschen Micky Maus verbot«, aus dem er zur Buchmesse lesen wird. Im Anschluss gibt es die Mutter des Monsterfilms zu sehen: »King Kong und die weiße Frau« aus dem Jahr der Machtergreifung, 1933. 19.3., 21 Uhr, Luru-Kino in der Spinnerei (OmU)

Folge meiner Stimme Türkisches Drama, in dem sich eine Großmutter und ihre Enkelin auf eine gefahrvolle Reise begeben, um den Vater der Familie aus den Händen der Polizei zu befreien. 20.3., 15 Uhr, LURU-Kino in der Spinnerei

Freitag Endlich ist Freitag und die Hoffnung auf einen Tag, der alles möglich machen kann, lebt auf. An einem solchen Freitag im Sommer lehrt das Schicksal einer Gruppe von Menschen so einiges. Russisches Kino im Original. 20.3., 17.30 Uhr, Cineplex (OF)

Wenn ein Mensch lebt Talk, Musik, Filmszenen – Astrophysiker Prof. Dr. Dieter B. Herrmann befragt den Filmkomponisten Peter M. Gotthard über seine Arbeit 20.3., 11.30 Uhr, Passage Kinos

Wer Rettet Wen? Seit fünf Jahren werden Banken und Länder gerettet. Politiker schaffen immer neue Rettungsfonds, während mitten in Europa Menschen wieder für Hungerlöhne arbeiten. Es wird gerettet, nur keine Rettung ist in Sicht. – Die Krise als Geschäftsmodell auf Kosten von Demokratie und sozialer Sicherheit. 20.3., 17 Uhr, Kinobar Prager Frühling

Po-lin – Spuren der Erinnerung Polnische Juden, die in die USA ausgewandert waren, besuchten in den 1930er Jahren ihre Verwandten in Polen. Ihre Filmaufnahmen sind die einzigen Dokumente der vernichteten Welt der polnischen Juden. 21.3., 17 Uhr, Kinobar Prager Frühling

Filmriss Filmquiz ... denn sie quizzen nicht, was sie tun! Die Rateshow rund ums Thema Film geht in eine neue Runde mit Fragen, Clips und Spielen und Preisen zu aktuellen Kinoproduktionen. André Thätz und Lars Tunçay servieren kurzweilige Clips und witzige Facts aus der Filmgeschichte. 22.3., 20 Uhr, Conne Island

The Awakening The Awakening (das Erwachen) ist ein Zustand der Lebensrealität von Roma, die abgeschoben wurden. Welche psychologischen Folgen hat die Abschiebung auf die Menschen? Wie ergeht es den Kindern und Jugendlichen, die in Deutschland aufgewachsen sind und sich nun in einem fremden Land wiederfinden, fern von ihrem gewohnten Umfeld? Anschl. Gespräch mit Kenan Emini (Antidiscrimination Network RAN) und Patrick Irmer (Sächsischer Flüchtlingsrat) 22.3., 19.30 Uhr, Cinémathèque in der naTo

La Buena Vida – Das gute Leben Ein kolumbianisches Dorf muss einem Kohletagebau weichen, damit Europa seine Energieversorgung sichern kann. Anschließend Filmgespräch mit Regisseur Jens Schanze und Laura Weis von PowerShift e. V. 23.3., 13 Uhr, Cinémathèque in der naTo

Auf der Seite der Braut Ein syrischer Dichter und ein italienischer Journalist helfen fünf syrischen und palästinensischen Flüchtlingen. Auf der Reise erzählen die Protagonisten ihre Geschichten und Träume in der Hoffnung auf eine Zukunft ohne Kriege und Grenzen. Anschl. Gespräch mit dem Psychologen Eben Louw (OPRA Berlin) und dem Geschäftsführer des Landesnetzwerkes Migrantenorganisationen in Sachsen-Anhalt 23.3., 19 Uhr, Cinémathèque in der naTo

Shorts Attack: Auf der Flucht Kurzfilme vom Flüchten. 24.3., 21 Uhr, UT Connewitz

Wochen des Entwicklungspolitischen Engagements Workshops rund um das Thema Nachhaltigkeit und persönliches Engagement. Den Auftakt bildet ein mehrtägiger Workshop für entwicklungspolitisches Projektmanagement, in dem der Verein Sudaca die grundlegenden Kenntnisse und Methoden vermittelt, um eigene Projekte erfolgreich zu entwickeln und durchzuführen. Mehr Infos unter https://wee2016blog.wordpress.com 23.3.–1.4., Schaubühne Lindenfels

Landraub Boden lässt sich nicht vermehren. Ackerland wird immer wertvoller und seltener. Jedes Jahr gehen etwa 12 Millionen Hektar Agrarfläche durch Versiegelung verloren, immer weniger Ackerfläche steht für die Ernährung jedes einzelnen Menschen zur Verfügung und mittlerweile haben insbesondere europäische Investmentfonds und Banken die Äcker der Welt als Geschäftsfeld entdeckt. »Landraub« porträtiert die Investoren und die Opfer dieser Entwicklung. 23.3., 19.30 Uhr

10 Milliarden – Wie werden wir alle satt Dokumentarfilm des Regisseurs von »Taste the Waste«, der die industrielle, globale und die ökologische, regionale, traditionelle Landwirtschaft einander gegenüberstellt. 23.3., 21.30 Uhr


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