Am Dienstag startet das 13. Neiße Filmfestival im Dreiländereck Deutschland, Tschechien, Polen mit über 100 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilmen. Bis zum 15. Mai wird in den Kinos in Großhennersdorf, Zittau, Görlitz, Mittelherwigsdorf und Löbau, im tschechischen Hrádek nad Nisou, Varnsdorf, Liberec und Rumburk sowie im polnischen Zgorzelec ein Querschnitt aus deutschen und osteuropäischen Produktionen geboten. Fokus und Schwerpunkt des Festivals sind diesmal die Minderheiten in Osteuropa. Ihnen widmen sich unter anderem eine eigene Filmreihe und eine Lesung mit dem deutsch-sorbischen Autor Kito Lorenc. Daneben bietet das Festivalprogramm historische Filmvorstellungen in 70-mm-Technik, Ausstellungen, Workshops, Konzerte und Partys. Eröffnet wird das Festival am Dienstag mit dem in diesem Jahr auf der Berlinale preisgekrönten Drama »24 Wochen« von Anne Zohra Berrached.
13. Neiße Filmfestival, 10.–15.5., www.neissefilmfestival.de
Film der Woche: »Warum tust du mir das an?«, klagt mit verschmierter Schminke und rotgerotzter Nase die »Königin« des Titels in einem Close-up, welches den visuellen und dramatischen Ton des Films vorgibt. Das Psycho-Drama zwischen zwei besten Freundinnen birst vor verbaler Aggressivität und narzisstischer Selbstrechtfertigung. Nach dem Suizid ihres Vaters und dem Zerbrechen einer Beziehung besucht Catherine ihre Freundin Virginia im Ferienhaus der Eltern am See, genau wie im Jahr zuvor, in dem es allerdings Virgina war, die in einer Lebenskrise steckte. »Queen of Earth« verschwendet kaum eine Szene daran, das einstmalige Paradies enger Freundschaft zu etablieren. Der Film beginnt dort, wo schon nichts mehr zu retten ist. Jeder skeptische Augenaufschlag, jeder zynische Kommentar dreht am Rädchen der Eskalation. Natürlich sind wir als Zuschauer in diesen teuflischen Pakt eingeschlossen, was auch erklärt, warum »Queen of Earth« wider Erwarten so faszinierend ist. Ausführliche Kritik von Johannes Schade im aktuellen kreuzer.
»Queen of Earth«: ab 5.5., Luru Kino in der Spinnerei
Die frühen 1970er Jahre in einer ländlichen Region Frankreichs: Delphine ist das einzige Kind auf dem Bauernhof der Eltern, möchte der Landidylle aber am liebsten entfliehen. Sie geht nach Paris und macht dort die Bekanntschaft mit einer Frauengruppe, die sich für die Gleichberechtigung stark macht. Sie verliebt sich in die militante Spanischlehrerin Carole, die zwar mit einem Mann zusammen ist, sich aber kurz darauf ebenfalls in das stürmische Landei verliebt. Als Delphines Vater einen Schlaganfall erleidet, muss sie in ihr Heimatdorf zurück, um den elterlichen Betrieb am Laufen zu halten. Carole verlässt ihren Freund und reist ihr nach. Die Liebe zwischen den beiden Frauen wird von Delphine aber vor ihrer Familie und der redseligen Gemeinde geheim gehalten. Catherine Corsini (»Die Affäre«) erzählt nüchtern und doch emotional von einer die Weichen stellenden Liebe. Ausführliche Kritik von Frank Brenner im aktuellen kreuzer.
»La belle saison – Eine Sommerliebe«: ab 5.5., Passage Kinos
Der neunjährige Junior wohnt mit seiner Mutter Marta in einer Hochhaussiedlung in Caracas. Als Mischlingskind hat er gekräuselte Haare, die in Venezuela abfällig als »pelo malo« (dt.: schlechtes Haar) bezeichnet werden. Für ein Schulfoto möchte er sich die Matte glatt föhnen und sich als Schlagerstar verkleiden. Seine Mutter Marta versucht die Familie irgendwie durchzubringen und will die, aus ihrer Sicht, weibischen Avancen ihres Sohnes im Keim ersticken. Am Ende der Ferien trifft Junior eine bittere Entscheidung. Der venezolanischen Regisseurin Mariana Rondón ist mit »Pelo Malo« ein raues und ungeschöntes Drama gelungen, das Juniors Ringen um die eigene Identität und um die mütterliche Zuneigung nachzeichnet ohne dies zu bewerten. In fast dokumentarischen Bildern zeigt Rondón die erbarmungslose Trostlosigkeit der Wohnblöcke, in der Kinder keinen Platz haben. Auch der alltägliche Kampf im Moloch der Hauptstadt Caracas verdeutlicht, wie sich die Menschen verhärten. Im Spannungsfeld von fehlenden sozialen Aufstiegschancen, Gewalt und dem Wunsch, dass es dem Nachwuchs besser gehen möge, ist für Warmherzigkeit kein Raum. Jedes zusätzliche Problem, wie die von der Mutter vermutete, homosexuelle Orientierung von Junior, macht das Leben noch komplizierter. Für ihren Film »Pelo Malo« bekam Rondón, die bereits mehrere international preisgekrönte Filme gedreht hat, im Jahr 2013 die »Concha de Oro« (Goldene Muschel) für den besten Film bei den Filmfestspielen im spanischen San Sebastian sowie weitere sechzehn internationale Preise verliehen. Ausführliche Kritik von Carolin Wilms im aktuellen kreuzer.
»Pelo Malo«: ab 5.5., Cineding
Flimmerzeit_März 2016
Der Dokumentarfilm gewährt intime Einblicke in das Leben und Arbeiten des israelischen Ausnahme-Choreographen Ohad Naharin. Der Film zeigt in kraftvollen Bildern die überwältigende Schönheit seines expressiven Tanzes und lässt die Zuschauer exklusiv in den kreativen Prozess hinter den einzigartigen Performances der israelischen Compagnie eintauchen. Naharin entwickelte als künstlerischer Leiter des israelischen Ensembles eine komplett neue Bewegungssprache: „Gaga“. Dabei werden bekannte Bewegungsmuster durchbrochen, „Gaga“ sucht nach der Interaktion zwischen den Beteiligten, die sich gemeinsam einen Bewegungsraum von Freiheit und Wohlbehagen erarbeiten. Für Naharin geht es dabei um Leidenschaft, herausbrechende Kraft, das Extreme, um die Lust des Moments und darum, Grenzen zu brechen.
»Mr. Gaga«: ab 12.5., Passage Kinos
kreuzer verlost Freikarten. EMail an film@kreuzer.leipzig.de (Betreff: »Tanzen«)
Mr. Gaga - A film by Tomer Heymann - Trailer from Heymann Brothers Films on Vimeo.
Weitere Filmtermine der Woche
Marina Abramovic: The Artist is present
Seit über 40 Jahren widmet die Performance-Künstlerin Marina Abramovic ihr Leben der Kunst. 2010 widmete ihr das MoMA eine umfangreiche Einzelausstellung, die mehr als eine halbe Million Besucher anzog. In der Ausstellung war Abramovic selbst präsent: Drei Monate lang, während der gesamten Ausstellungsdauer, saß sie sechs Tage die Woche jeweils sieben Stunden in der Mitte des Atriums bewegungslos auf einem Stuhl. Einzeln konnten Zuschauer sich ihr gegenüber setzen, um mit ihr in einen »geistigen Dialog« zu treten. - Reihe: Künstlerinnenportraits
6./7.5., Schaubühne Lindenfels
Richtig autistisch
Die Crimmanns sind eine facettenreiche Familie. Hier leben sechs Menschen zusammen, von denen vier die Diagnose aus dem Autismus Spektrum haben. Im Film geht es um das Erleben dieser besonderen Konstellation und deren Familienleben. In den Interviews sprechen Tina und ihr Mann über Autismus, von Förder- und Unterstützungsmaßnahmen für ihre autistischen Kinder sowie die Hürden in Gesellschaft und Schule.
6.5., 13.15 Uhr, 8.5., 11.30, 13.15 Uhr, 9.–11.5., 14.30 Uhr, Passage Kinos
Hunter X Hunter: Phantom Rouge
Japanischer Animé-Film um Kurapika, die einzigartige Augen hat. Diese werden bei emotionaler Unruhe rot und gelten als besonderer Schatz. Ihre Familie wurde aufgrund dieser Augen getötet und nun hat es die kriminelle Organisation Phantom Troupe auf sie abgesehen.
8.5., 14.30 Uhr, CineStar
Coming out
Einfühlsam gestalteter Film über die Konflikte eines jungen Lehrers, der sich mit seiner verdrängten Homosexualität konfrontiert sieht.
9.5., 19 Uhr, Zeitgeschichtliches Forum
Hope for All
Der Dokumentarfilm macht auf die Wichtigkeit einer Veränderung der westlichen Ernährung aufmerksam. – Am 9.5. Premiere mit Regisseurin Nina Messinger
9.5., 19 Uhr, Passage Kinos
Preview: Nur Fliegen ist schöner
Sehr charmante französische Kömodie über einen Mann, der in der zweiten Hälfte seines Lebens beschließt, zu neuen Ufern aufzubrechen. Wunderbar warmherzig, witzig und mit wundervollen, sonnendurchfluteten Naturaufnahmen garniert.
Preview am 11. und 17.5., 19 Uhr, Passage Kinos
kreuzer verlost Freikarten. eMail an film@kreuzer-leipzig.de (Betreff: »Zu neuen Ufern«)
Polish Shit
Eine alte Rockband will es noch mal wissen und zieht mit dem Bandbus in die wilde Welt aus Sex, Drugs und Rock'n'Roll hinaus. In Form eines lauten, wilden und bunten Musicals wird hier die Wahrheit über das polnische Showbusiness erzählt. Mit einer Einführung von Rainer Mende.
11.5., 20 Uhr, Cinémathèque in der naTo (OmeU)
Yellow Earth
Frühwerk von Chen Kaige um einen kommunistischen Soldaten, der aufs Land geschickt wird, um Volkslieder für die Revolution zu sammeln.
11.5., 19 Uhr, Konfuzius-Institut Leipzig
Kalaschnikow und Doppelkorn - Männer im DEFA-Film
Nach »Petticoat und Planerfüllung - Frauen im DEFA-Film« nun der zweite Teil der MDR-Reihe zum 70. Geburtstag der DEFA Studios. Anschließend Gespräch mit dem Regisseur André Meier
12.5., 19 Uhr, Zeitgeschichtliches Forum
Pichuco
Eine musikalische Zeitreise über das Schaffen der Bandoneon-Legende Anibal Troilo. Im Anschluss Konzert mit Finisterre Tango.
12.5., 19.30 Uhr, Luru-Kino in der Spinnerei
Almanya – Willkommen in Deutschland
Die junge Generation einer türkischen Einwandererfamilie sieht sich im München von heute mit der Tatsache konfrontiert, dass der alternde Familienpatriarch ein Haus in Anatolien gekauft hat und die ganze Sippe mit zum Umbau in die Pampa fahren soll. Die Reise dorthin birgt einige Überraschungen, aus Vergangenheit und Gegenwart. – Willkommenskultur und Integration in Deutschland
12.5., 18 Uhr, Kinobar Prager Frühling
Totschweigen
Der Film begleitet die Suche nach einem Massengrab ungarisch-jüdischer Zwangsarbeiter, die im März 1945, wenige Tage vor dem Eintreffen der Roten Armee, in der Nähe des österreichischen Ortes Rechnitz hingerichtet wurden. Im Rahmen des Projekts »Asynchron - Dokumentar- und Experimentalfilme zum Holocaust. Aus der Sammlung des Arsenal«
12.5., 20 Uhr, Cineding
A Bowie Oddity
Als Schauspieler ebenso ein Chamäleon wie als Musiker, sind die Auftritte von David Bowie rare Schätze. Das UT Connewitz zeigt vier Filme mit Bowie im Rahmen des Wave-Gotik-Treffens.
13.5., 21 Uhr, UT Connewitz
Frauen im Mainstreamfilm – Spiegel unserer Gesellschaft?
Zu Gast ist die Medienwissenschaftlerin Dr. Alice Fleischmann, die Auszüge aus ihrer kürzlich veröffentlichten Dissertation vorstellt und zur anschließenden Diskussion einlädt.
Thema der Arbeit ist eine ausführliche Bestandsaufnahme des zeitgenössischen Mainstreamkinos. Über 160 Filmtitel werden mit Hinblick auf ihre weiblichen Figuren und verschiedene Einflussfaktoren untersucht. Dabei wird auch die Wirkung des Films anhand einer umfangreichen Zuschauerbefragung berücksichtigt. Es stellt sich heraus: Frauenfiguren sind noch immer massiv unterrepräsentiert – obwohl das nicht dem Zuschauerwunsch entspricht. Ein befremdliches Ergebnis, definiert sich der Blockbuster doch über seine hohen Zuschauerzahlen und Einspielergebnisse.
Zugleich sind die Konsequenzen dieses Status quo bedenklich, schließlich dient der Mainstreamfilm nicht nur als Spiegel der Gesellschaft, sondern auch als großer Einflussfaktor auf seine Millionen von Zuschauenden. Speziell die Frage, wieso althergebrachte Klischees und Stereotype in unserer ansonsten so aufgeklärten Gesellschaft bis heute nicht an Rückhalt verlieren, lässt sich in diesem Kontext neu bewerten. Der Themenkomplex, der hinter der scheinbar rein filmwissenschaftlichen Fragestellung steht, ist somit ein hochaktueller und bietet viel Gesprächsstoff – nicht nur in medienwissenschaftlicher, sondern auch in gesellschaftspolitischer Hinsicht.
12.5., 19 Uhr, SPD-Denkbar, Zentralstraße