An dieser Stelle veröffentlichen wir das Editorial der September-Ausgabe des kreuzer. Chefredakteur Andreas Raabe berichtet, was es im neuen Heft zu lesen gibt. Und berichtet aus Mecklenburg, wo am Sonntag gewählt wird.
Sommerzeit ist Urlaubszeit ist Reisezeit – und so waren viele bestimmt mal wieder für längere Zeit draußen auf dem Lande. Ich auch, nämlich in Mecklenburg, wo ich herkomme (wobei Rostock nicht wirklich zu Mecklenburg gehört, aber das steht auf einem anderen Blatt). Es gibt dort einen Zeltplatz, inmitten der Seenplatte, da bin ich schon als Kind mit meinen Eltern hingefahren, er liegt in der Nähe des Städtchens Mirow. Ich kenne den Landstrich wie meine Westentasche und war auch in den letzten Jahren immer mal wieder dort. Klar, es ist eine Nazigegend, das weiß man ja, und manchmal sah man die Typen auch rumstehen auf dem Parkplatz mit ihren Autos. Doch in diesem Jahr war es anders: Jetzt laufen sie da überall rum, so offen und offensiv wie zuletzt in den neunziger Jahren. Nazis, kostümiert mit T-Shirts und Sprüchen wie »Gute Heimreise!«, »I love Pegida«, »Ein Volk, eine Nation«, »Abschiebär« oder sogar »N.A.Z.I. – Nicht an Zuwanderung interessiert«. Allein acht solcher Leute zählte ich morgens um acht beim Brötchenholen. Sie spazieren da ganz offen auf der Hauptstraße rum, geben in der Kaufhalle ihre Flaschen ab und keiner sagt was, keiner wundert sich. Das war ganz schön gruselig.
Also, lange Rede, kurzer Sinn: Herzlichen Dank an die Antifa und an alle, die sich in linken Strukturen engagieren, für euren Widerstand und dafür, dass es so was hier nicht gibt.
Doch nun zum aktuellen Heft: Wir haben uns diesmal in die Welt der klassischen Musik begeben, genauer gesagt: in die der Musikstudenten und ihrer Chancen beim Übergang in die Berufswelt. Letztere sind nämlich ausgesprochen mies – ein wenig war es schon immer so, doch der Zustand ist in den letzten Jahren dramatischer geworden, denn während Orchesterstellen abgebaut werden, steigt die Zahl der Absolventen. Für Studenten klassischer Instrumente gibt es nach dem Ende ihres Studiums im Grunde zwei Optionen: Entweder bekommen sie eine der raren Orchesterstellen oder sie schlagen sich – meist für den Rest ihres Lebens – auf äußerst prekärem Niveau als Musiklehrer durch, vielleicht, mit etwas Glück, landen sie als freier Lehrbeauftragter an der Universität. Besonders tragisch ist die Fallhöhe zwischen beiden Perspektiven. Orchesterstellen sind relativ gut bezahlt und sie gelten quasi als Jobs auf Lebenszeit, wer eine ergattert, kann sein Berufsleben ruhig und in Würde bewältigen. Auf der anderen Seite sieht es leider ganz anders aus – und hier liegt das Problem. Es beginnt mit dem enormen Druck, dem Studenten am Ende ihres Studiums ausgesetzt sind, wenn vielleicht ein Vorspiel darüber entscheidet, welchen Weg man gehen darf oder muss. Wie genau es in Leipzig – einer Stadt mit gleich zwei großen Profiorchestern und einer renommierten Musikhochschule – aussieht, erzählt kreuzer-Autorin Sophie Aschenbrenner in unserer Titelgeschichte. Und wo vielleicht Lösungsansätze liegen könnten, klären wir in zwei Interviews gleich nebenan.
Tja, und zuletzt sei erwähnt, dass Sie, liebe Leserinnen und Leser, gerade den dicksten kreuzer der letzten Jahre in den Händen halten (vorausgesetzt Sie kaufen ihn sich): 120 Seiten haben wir für Sie vollgeschrieben. Ja, sapperlot! Da gibt es natürlich eine ganze Menge zu entdecken. Lesen Sie mal alles durch und schreiben Sie mir, wie es war!
Viel Spaß dabei!
ANDREAS RAABE
chefredaktion@kreuzer-leipzig.de
Was sonst noch im Heft steht: Inhaltsverzeichnis, Monatstipps und Einblicke zeigt die Leseprobe unseres ePapers.