An dieser Stelle veröffentlichen wir das Editorial der Oktober-Ausgabe des kreuzer. Chefredakteur Andreas Raabe berichtet, was es im neuen Heft zu lesen gibt.
Es gibt Geschichten, die drängen sich auf, die wollen erzählt werden – und dann muss man sie eben aufschreiben. Die des Künstlers Klaus Hähner-Springmühl ist so eine Geschichte. Anfang Juni dieses Jahres klopfte ein Autor namens Roland Kirberg bei uns in der Redaktion an die Tür. Er hätte den Nachruf auf den großen Straßenphilosophen und Kneipengänger 1069 (oder kurz: One Zero) im kreuzer gelesen (Heft 09/2015) und meinte nun, solch eine Story müsste es auch über Hähner-Springmühl geben. Der Künstler war 2006 in Leipzig gestorben, es wäre also sein zehnter Todestag gewesen. Und als wir uns hier beschäftigten mit diesem Mann, zu DDR-Zeiten eine lebende Legende, nach dem Wandel von vielen abgeschrieben und von der Öffentlichkeit weitgehend vergessen, dieser Typ, der mit seiner Freiheit, seinem Talent, seinem Scheiß-auf-Konventionen, seiner Konsequenz, seinem Einfach-Machen, seinem Witz, seinen Ideen, seiner Radikalität eine ganze Künstlergeneration beeinflusste – da war schnell klar, dass in dieser Geschichte, die so um die Ecke geflattert kam, unglaublich viel steckt, viel mehr, als wir hier im kreuzer leisten können. Wir haben trotzdem mal einen Anfang versucht, die Story des Klaus Hähner-Springmühl zu erzählen. Wir sprachen mit Bekannten, Gefährten und Experten und widmeten uns der Frage, warum er denn am Ende nun vergessen wurde, während andere – man denke an die Künstler der Galerie Eigen+Art – berühmt wurden.
Ein Menge spannendes Zeugs gibt es wie immer auch auf den anderen Seiten dieses Heftes zu entdecken, da schreibt Theaterredakteur Prüwer über Klaus Theweleits megakluge Sätze – lesen Sie das unbedingt, es wird nämlich das Wesen des Legidisten und seiner Verwandten so schön wie nie erklärt. Außerdem war Prüwer bei Stadtförster Andreas Sickert zu Besuch, das Interview gibts auf Seite 28. Clemens Haug befasst sich mit dem Gerichtsprozess gegen einen Mann, der festgenommen wurde, als im Juni des letzten Jahres ein Mob randalierender Linksautonomer vom Johannapark zum Rathaus und zurück zog – und stellt die Frage, was das relativ deutliche Urteil in diesem Fall für die Prozesse gegen die 215 festgesetzten Neonazis bedeutet, die im Januar dieses Jahres in Connewitz randalierten. Und damit Sie mal eine ungefähre Ahnung davon bekommen, wer da ganz konkret am Start war in Connewitz, haben wir auf Basis der Daten aller dort Festgesetzten eine Karte erstellt, die räumliche und organisatorische Zusammenhänge zeigt und einige besonders schlimme Gewalttäter und organisierte Neonazis heraushebt. Sehen kann man auf der Karte auch, dass einige der Connewitz-Randalierer – obwohl sie in unterschiedlichen Städten wohnen – schon früher gemeinsam an Randale und Straftaten beteiligt waren. Es gibt die Netzwerke, das wird hier mal wieder deutlich.
Den wohl weisesten Mann Leipzigs traf unsere Autorin Raja Kraus derweil auf dem Plagwitzer Bauspielplatz. Ja, wirklich! Hören Sie mal, was er sagt: »Mir ist gleichwertiges Miteinander, Draußensein und Ausschlafen sehr wichtig.« Ein schlauer Typ, nicht wahr? Gucken Sie nach, wer das erzählt und wie er sein Ideal umsetzt.
Eine gute Lektüre wünscht
Andreas Raabe
chefredaktion@kreuzer-leipzig.de