»Ankommen und sich wohlfühlen« – so beginnt am Mittwoch der Aufmacher auf der Lokalseite. Ankommen und wohlfühlen soll man sich im Foyer des LVZ-Gebäudes. Dort befindet sich nun das neue Café Satz. Dass das am Mittwoch eröffnet hat, ist DIE Meldung des Tages. Womit die LVZ nicht mal nur Schleichwerbung macht, sondern völlig offensichtlich Werbung und redaktionelle Inhalte vermischt – die Todsünde des Journalismus.
»LVZ eröffnet Café Satz«, prangt es fast halbseitig auf der Titelseite und so von jedem Kiosk. »Wir sind jetzt ein Haus, das Leser anlächelt und willkommen heißt«, wird dort LVZ-Geschäftsführer Björn Steigert zitiert.
Und die Leserin fragt sich, ob sie mit einem Brechen ihren Kaffee wieder willkommen heißen muss. Ja, Printmedien und vor allem Tageszeitungen haben es seit Jahren schwer: Abokündigungen, Anzeigeneinbrüche, das Internet, die Postmoderne, die Postfakten. Löblich also, dass die Geschäftsführung kreativ wird, um irgendwie Geld in den Laden zu kriegen und weitere Kündigungen zu verhindern. Löblich sogar, dass sie ein Café eröffnet – schließlich ist nichts einzuwenden gegen ein gutes Käffchen. Doch dass sie den Leser mit dieser Information im redaktionellen Teil (statt in einer Werbebeilage) zuballert, als wäre in der Stadt nichts anderes Berichtenswertes passiert, scheint recht dreist – und ist kein Journalismus, sondern Werbung. Selbst gegen Werbung an sich wäre nichts einzuwenden, schließlich finanziert sie in vielen Fällen den Job des Journalisten. Aber sie muss als solche gekennzeichnet sein.
Für die Rettung des Journalismus ist es dringend notwendig, dass Reklame und Redaktion völlig getrennt voneinander existieren. Wo ist der Nachrichtenwert einer Café-Eröffnung? Noch dazu im eigenen Haus? Verkündet auf dem Titelblatt und fast ganzseitig im Lokalteil? Was ist es anderes als Werbung, wenn in kleinen Beiträgen vier Leute erzählen, wie »hochwertig«, »hell und lebendig« das Café sei und dass es Quiche gibt (»Sie hat geschmeckt und war sehr preiswert.«)? Neben dieser exklusiven Umfrage unter Besuchern darf auch die LVZ-Autorin eine ausführliche Lobpreisung von Design, Kuchen und Veranstaltungsmöglichkeiten des neuen Cafés schreiben, die in der Unterüberschrift gut zusammengefasst wird: »Peterssteinweg 19: Neues Foyer des Medienhauses wird zur guten Stube für Leser und Journalisten«. Da freut sich der Marketing-Chef, dass die Adresse des Etablissements an prominenter Stelle mitgeliefert wird.
Dabei dürfte der aufmerksame LVZ-Leser noch wissen, wo es sich befindet: in »Leipzigs neuer Gastro-Meile« nämlich. Jene hatte die Zeitung vor einer Woche gekürt, nachdem sie noch einen Hotdog-Laden, eine Weinbar und ein Feinkost-Geschäft in der Nähe ihrer Redaktion ausfindig gemacht hatte, um die Eröffnung ihres eigenen Cafés gebührend anzukündigen. Zufälligerweise gehört dieses nämlich nun auch zu dieser »neuen Gastro-Meile«.
Leider ist die Eigenwerbung kein Einzelfall. Auf der ersten Seite des Sportteils sieht man, wie sich der RB-Trainer mit zwölf LVZ-Lesern trifft. Für LVZ-Verhältnisse mutet es fast bescheiden an, dass »Chefreporter« Guido Schäfer nicht auch noch abgebildet wurde. Ein weiterer Bericht über die Leser-Aktion folgt am nächsten Tag. Dies alles versetzt den Leser in ähnliche Spannung wie der LVZ-Glühweintest letztens und in all den Jahren davor.
Wenn die Leipziger Volkszeitung immer mehr zu einem Werbeblatt ihrer eigenen Produkte und Veranstaltungen wird, dann braucht man irgendwann nur noch die Produkte, aber nicht mehr die Zeitung. Kaffeetrinken wird nicht aussterben, die LVZ vielleicht schon. Die kann dann gänzlich in Hannover hergestellt werden und die Leipziger Redakteure gehen kellnern. Zum Beispiel im Café Satz, dort soll es schön sein, hört man. Da kann man ankommen und sich wohlfühlen.