Seit 2013 ist das DOK Leipzig regelmäßig zu Gast im Knast. Eine Auswahl des Festivals wird alljährlich im Rahmen der Dokwoche auch in der Jugendstrafvollzugsanstalt Regis-Breitingen gezeigt. Filmemacher begleiten ihre Werke. Die Gespräche im Anschluss zählen zu den spannendsten Momenten des Festivals. In diesem Jahr gab es zum ersten Mal auch eigene Filme der Insassen zu sehen.
Initiiert hat dies der gemeinnützige Verein Ostpol gemeinsam mit Schwarwel. Von Juli bis Oktober entstanden so sechs Kurzfilme, in denen die Jugendlichen ihre Situation beschreiben und wie sie dorthin gekommen sind. Mit Fotos und Pappcollagen, Zeichnungen und Sprechgesang erzählen sie von Fehlern und folgenschweren Entscheidungen, reflektieren ihre Vergangenheit. Am 5. Februar gibt es die sechs Filme nun zu sehen. Im Anschluss kann man im Publikumsgespräch mit den Projektmachern und Workshopteilnehmern über ihre Erfahrungen reden.
»Servus Freiheit – Ostpol schickt Schwarwel in den Knast«: 5.2.,19 Uhr, Cinémathèque in der Nato
Film der Woche: Arthur Millers Theaterstück »Der Tod eines Handlungsreisenden« stand Pate für Asghar Farhadis neues Drama. Die Handlung des Stücks durchzieht die Handlung seines eigenen Films. Miller erzählt darin meisterhaft vom Scheitern des Amerikanischen Traums. Für die Menschen in Teheran liegen die Träume einer goldenen Zukunft längst in Trümmern. So wie das Haus von Ranaa und Emad. Eines Tages müssen sie ihre Wohnung Hals über Kopf verlassen. Die marode Bausubstanz droht einzustürzen. Ihre Habseligkeiten können sie noch retten, aber ein neues Appartement muss her. Ein Freund in der Schauspielkompanie bietet ihnen eine leerstehende Wohnung an. Das gut situierte Paar zieht dankbar ein. Doch schon bald kommt es zu einem gewaltsamen Übergriff in den neuen vier Wänden und es stellt sich heraus, dass die Vormieterin eine dunkle Vergangenheit hat. Bei seiner Uraufführung im Rahmen des Filmfestivals in Cannes ist von einigen Kritikern moniert worden, das neue Werk des gefeierten iranischen Filmemachers lasse die gewohnte regimekritische Haltung vermissen. Ganz im Gegenteil, Farhadi verpackt sie nur wesentlich subtiler. Der marode Staat, eine Gesellschaft, die Ehre und Ansehen vor alles stellt, die Rolle der Frau in der iranischen Öffentlichkeit – all das ist in »The Salesman« zu finden und spiegelt sich wider in der Aufführung des Stücks von Miller, das allabendlich die Emotionen verdichtet. Wieder einmal ist das alles meisterhaft erzählt, komplex und packend, und exzellent gespielt. Der Regisseur kann sich nach dem Goldenen Bär für »Nader und Simin« und der Goldenen Palme für das Drehbuch von »The Salesman« nun auch erneut Hoffnungen auf einen Oscar machen. Ausführliche Kritik von Frank Brenner im aktuellen kreuzer.
»The Salesman«: ab 2.2., Passage Kinos
Irgendwo im amerikanischen Nirgendwo wächst Francesca mit ihren Eltern auf. Eine Eskalation grausamer und zunehmend verstörender Ereignisse beginnt, als ein Fremder während der Abwesenheit des Vaters auf dem Farmland der Familie auftaucht und Francescas Mutter ermordet. In Nicolas Pesces Regiedebüt deutet sich das Grauen schon vor dieser Urszene der Gewalt an, im Grunde mit der ersten Einstellung, einer horrorfilmtypischen Vorausschau auf einen späteren Zeitpunkt der Handlung: eine Frau in Ketten auf einer schnurgeraden Landstraße, die Augen verbunden, ihr Gang apathisch-schwer. Als ein einsamer Lastwagen auf sie zufährt und warnend das Horn betätigt, sinkt sie zu Boden in einer schwer zu deutenden Geste der Hoffnungslosigkeit. Wer ist diese Frau und was ist ihr widerfahren?
An die eigentlichen Qualitäten dieses Arthouse-Horrorfilms gelangt man allerdings mit solchen Fragen nicht. Die Geschichte erscheint bloß als ein Vehikel für die hypnotische Bildsprache (Kamera Zach Kuperstein): mithilfe einer elliptischen Montage und in konstrastreichem Schwarz-Weiß gefilmt, mit immer wieder dynamischen Schatteneffekten und überwiegend langen Einstellungen, in welchen die Weite dieser unbewohnten Gegend, ihre bedrohlichen Wälder und die sich darin verlierenden, verschwindend kleinen menschlichen Kreaturen zum Vorschein kommen. Francescas Psychopathologie – denn es handelt sich um die Geschichte einer Wahnsinnigen – steht ganz im Dienste dieser Bilder, und was der Horrorfilmfan aufgetischt bekommt (zwischen Folter, Kannibalismus und Nekrophilie ist alles dabei), verbleibt etwas beliebig und würde in einem weniger exquisit bebilderten Film weniger glaubwürdig rüberkommen. Konzeptionell bleibt Vieles behauptet, etwa auch die im Genre beliebte Meta-Reflektion über die Sichtbarkeit von Gewalt, die Pesce schon durch die im Titel prominent platzierte Augen-Allegorie abruft. Ausführliche Kritik von Johannes Schade im aktuellen kreuzer.
»The Eyes Of My Mother«: ab 2.2., Luru Kino in der Spinnerei
Weitere Filmtermine der Woche
Mr. Rudolpho's Jubilee
Das fahrende Musiker-Filmemacher-Duo Bright Blue Gorilla aus Los Angeles ist zurück in Leipzig. Ihr sechster Film »Mr. Rudolpho's Jubilee« ist eine musikalische surreale Komödie, an der über 300 Künstler aus 36 Ländern beteiligt waren. Unter anderem auch die frischgebackene Emmy-Gewinnerin Christiane Paul. Anfang Februar gibt es die Premiere mit den Regisseuren Michael Glover und Robyn Rosenkrantz und einem anschließenden Konzert.
3.2., »Mr. Rudolpho's Jubilee« mit Konzert, Luru Kino in der Spinnerei
Der Ost-Komplex
Wie funktionieren Zuhören, Gespräch, Verständigung, Streit und Konfrontation auf dem Minenfeld deutsch-deutscher Geschichtsaufarbeitung, welches noch heute mit Tabus und Redeverboten durchsetzt scheint? Dieser Frage geht der Film am Beispiel der Biografie von Mario Röllig nach und breitet vor dem Kinozuschauer ein Spannungsfeld zwischen subjektiver Geschichte und historischer Wahrheit aus. Der Regisseur und Produzent Jochen Hick wird ab 19 Uhr persönlich zu Gast sein und über seinen Dokumentarfilm sprechen.
8.2., 19 Uhr, Cinémathèque in der Nato
Menschen am Sonntag
Ein Film von jungen Berliner Filmamateuren, gedreht in den Jahren 1929/30 in Berlin und Umgebung. Der Film schildert halbdokumentarisch das Leben von vier jungen Menschen in Berlin Ende der zwanziger Jahre. – Stummfilm mit Live-Begleitung: Matthias Eisenberg (Orgel)
3.2., 20 Uhr, Paul-Gerhardt-Kirche Connewitz
Pünktchen und Anton
Pünktchen kommt aus reichem Elternhaus, aber ihre Eltern haben nie Zeit für sie. Befreundet mit Anton, der mit seiner kranken Mutter in ärmlichen Verhaltnissen lebt, versucht sie zu helfen wo sie kann. Kinderfilmklassiker nach Erich Kästner von 1953.
5.2., 15 Uhr, Schauburg
Der Ilses Erika Film Film
Die Wärmehalle Süd existiert nicht mehr, doch die Shows oder eben der liebgewonnene Filmabend mit Klassikern der Filmgeschichte bleiben erhalten. Im Keller im Haus der Demokratie finden sie den passenden Rahmen – der sogar mit einem Doppel zur Wiedereinführung aufwartet. Dort trifft SciFi-Horror von »The Thing from Another World« aus dem Jahr 1951 auf John Carpenters Remake »The Thing« von 1982.
7.2., 20 Uhr, Ilses Erika
One More Time With Feeling
Berührende Dokumentation über die Entstehung von Nick Caves Album »The Skeleton Tree«, nach dem tragischen Unfalltod seines Sohnes.
8./9.2., 21 Uhr, UT Connewitz
King Cobra
Aufstieg und Fall einer Porno-Ikone. Eine dreckige Geschichte um Liebe, Sex und Tod, um Gier und Erfolg, um Schönheit, Jugend und Alter. – Gay Film
9.2., 21 Uhr, Kinobar Prager Frühling (OmU)