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Kultur

Jung schaut auf Alt

Das Bildermuseum zeigt, wie Jugendliche die DDR-Kunst finden

  Jung schaut auf Alt | Das Bildermuseum zeigt, wie Jugendliche die DDR-Kunst finden

Hans-Werner Schmidt hat die letzte Ausstellung als Direktor im Museum der bildenden Künste eröffnet. Sie wurde von Schülern zum Thema »DDR an den Wänden« kuratiert. Ist das eine gute Idee?

Mittwochabend im Museum der bildenden Künste: Im Gegensatz zu sonstigen Veranstaltungen stehen und sitzen viele junge Leute im Foyer und umrahmen die traditionell ältere Besucherschaft. Und auch das Eröffnungsritual unterscheidet sich von den sonstigen. Der Museumsdirektor betritt nicht als Erster das Podium und führt in die Ausstellung ein, sondern Hans-Werner Schmidt spricht als letzter Redner und seine Stimme ist dabei merklich etwas benommen bei seiner letzten Eröffnungsrede als Direktor vor seinem baldigen Ruhestand. Die Worte kreisen um den Beginn seiner Erwerbsbiografie als Kunsterzieher an einem Marburger Gymnasium vor 40 Jahren, an dem er gemeinsam mit der Schülerschaft eine Ausstellung zum 400. Schuljubiläum organisierte, hin zur Gegenwart und der Eröffnung einer Schau mit dem sehr holprigen Titel »DDR auf Wänden. Junge Perspektiven auf die Leipziger Malerei nach 1949«. Jung meint in dem Fall recht banal das biologische Alter der Oberschüler einer Leipziger Schule, die die Ausstellung vorbereiteten, zu der sie Malereien aus dem Museumsdepot bargen und in Texten interpretierten.

Überschwängliche Freude bereitete Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke diese Kombination aus Jugendlichen und bildender Kunst wie sie in ihrer Rede verriet. Wobei sie selbst festhielt, dass sie sich eine derartige Auseinandersetzung als sie selbst 16 Jahre alt war, nicht hätte vorstellen können.

Was ist nun das außergewöhnliche an der »jungen Perspektive auf Leipziger Malerei«?

Zuerst einmal garantiert die Schau bis Mitte Juni, dass Museumsbesucher einen größeren Einblick in das künstlerische Geschehen vor 1989 erhalten als in der herkömmlichen Dauerausstellung. Dort sind lediglich in zwei kleinen Kabinetten Werke zu sehen. Das ist recht mager für einen Standort, dessen Kunstgeschehen als »Leipziger Schule« seit den siebziger Jahren in Nah und Fern eine neue Popularität erreichte.

Mit Hilfe der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur begann vor acht Monaten das Projekt mit den Schülern, die sich so nicht nur ein Bild zur Kunst in der DDR machen sollten, sondern ihre eigenen Gedanken zu den Kunstwerken formulierten und mit Zeitzeugen und Museumsangestellten diskutierten.

Die nun aneinandergereihten Gemälde sind in vier Gruppen eingeteilt, die sich unter die Stichworte Lust bis Sehnsucht über Macht und Freiheit aufteilen.

So schön es ist, dass die Geschichte der DDR und deren Bildwerke einer jungen Generation nahegebracht werden (was offensichtlich im allgemeinen Lehrplan nicht der Fall ist), zeigt die Schau eine Reihe von Problemen auf, die diese von Schülerhand zusammengestellte Ausstellung von einer wissenschaftlich aufgearbeiteten – wie sie ein Museum gemein für die Öffentlichkeit aufbereiten sollte – erheblich unterscheidet.

Fangen wir ganz profan bei der Auswahl an: Unter »Leipziger Malerei« sind 41 Werke zu sehen, die von Jost Braun bis Doris Ziegler reichen und der figurativen Malerei huldigen. Dem aufmerksamen Betrachter fällt auf, dass Wolfgang Mattheuer mit fünf Werken sehr umfangreich vertreten ist. Die Anzahl kann als Referenz auf sein Geburtsjahr 1927 gelesen werden, denn eine eigenständige Mattheuer-Ausstellung sieht das Museum anlässlich dieses Jubiläums nicht vor. Andere gezeigte Maler – wie die Hallenser Willi Sitte oder Lothar Zitzmann oder auch der Dresdner Hans Grundig – hätten sich sicherlich gegen das Leipzig-Label zur Wehr gesetzt. Passiert, könnte man sagen – sind halt Schüler und keine Wissenschaftler. Aber die Projektbegleiter aus dem Museum hätten vielleicht dazu etwas sagen können.

Ignoriert wurde zudem die Frage, wo denn die Arbeiten sind, die sich nicht in figurativer Manier auf Leinwand ausdrücken. Zudem entstehen Kunstwerke nicht im Vakuum, sondern Kunst- und Sozialfeld wirken immer aufeinander ein ebenso Musik, Film, Theater, Literatur.

Das mag etwas pingelig klingen, aber es wäre sicherlich allen etwas mehr geholfen gewesen, wenn statt einer Ausstellung in dieser Art im Haus selbst die Arbeiten von 1949 bis 1989 präsenter wären einschließlich der Querverbindungen ihrer Entstehung und Informationen zu Ankauf und bisherigen Präsentationen. Ein Vermittlungsformat – wie das vor zwei Jahren abgeschaffte Kinder zeigen Kindern ihre Lieblingsbilder – hätte für Teenager sicherlich auch seinen Reiz.

Und nicht unwichtig wäre auch der Vergleich mit heutigen Bildwelten. Das ist dann zwar nicht mehr so schön übersichtlich und abgeschlossen – dafür aber realistisch.


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