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Stadtleben

Ballspielen verboten

Beim Jahrtausendfeld gibt’s Ärger um die Nutzung der Fläche

  Ballspielen verboten | Beim Jahrtausendfeld gibt’s Ärger um die Nutzung der Fläche

Ein Beachvolleyballfeld bildete den Stein des Anstoßes oder ein Aushang – je nach Lesart. Nachdem auf Jahrtausendfeld Unbekannte Sand aufschütten und ein Netz installierten, freuten sich Anwohner über die neue Sportstätte. Die Stadtbau AG, Eigentümerin der Brachfläche, reagiert weniger amüsiert.

UPDATE: Am 29. Juni wurde das Beachvolleyballfeld von der Stadtbau AG zugeschüttet. Der Freundeskreis Jahrtausendfeld lädt daher am Freitag, den 30. Juni 2017 um 18 Uhr zu einem offenen Gespräch am Beachvolleyballplatz der Brachfläche.

 

Sie ließ folgende Notiz dort aushängen: »Dieses Spielfeld ist trotz des ausdrücklichen Verbots der Grundstückseigentümerin illegal errichtet worden. Wir fordern die Erbauer/Betreiber auf, die Spielfläche spätestens bis zum 16.06.2017 rückstandslos zurück zu bauen.« Bei Nichtbeachtung wird einer »Strafanzeige gegen die Erbauer, Betreiber und Nutzer« angekündigt. Prompt zirkulierte ein Foto des Textes samt Besetzungsaufrufen in den sozialen Netzwerken. Das hat die Existenz des Volleyballfelds erst richtig bekannt gemacht. Legal, illegal, scheißegal? Der kreuzer hat mit beiden Parteien gesprochen.

Das Jahrtausendfeld ist nach dem Wilhelm-Leuschner-Platz (s. kreuzer 11/2016) Leipzigs bekannteste Brache. Das circa 29.000 Quadratmeter große Areal am Karl-Heine-Kanal, von dem der Stadtbau-AG 23.000 Quadratmeter gehören, wurde immer mal wieder für Kunstprojekte genutzt, anvisierte Bebauungspläne wurden noch nicht umgesetzt. Die Stadtbau AG möchte hier Schul- und Wohngebäude errichten, konnte den Plan aber »aufgrund von Verzögerungen innerhalb der Stadtverwaltung noch nicht realisieren«, wie die Stadtbaupressesprecherin Ildikó Jakisch gegenüber kreuzer online erklärte.

Für Anwohner ist die Freifläche vor der Tür natürlich attraktiv – nicht nur als Hundewiese. Das sieht auch die Gruppe der Männer um die 30 so, die den kreuzer zum Gespräch am Schattenplatz am Kanal lädt. »Freundeskreis Jahrtausendfeld« soll man sie nennen. Sie sprechen natürlich nicht für alle, sagen sie, aber für Menschen, die sich um die Brache kümmern. »Wir sind eine lose Gruppe aus der Nachbarschaft, die sich um das Jahrtausendfeld kümmern. Wir gestalten den Ort, bepflanzen ihn, wollen ihn nutzen. Warum sollen wir das Feld brach liegen lassen, wenn es ein Freiraum für alle sein kann?« Jedermann solle sich dazusetzen und mitmachen können, meint einer und lobt, dass Leute aus »vielen gesellschaftlichen Kontexten« – vom Alkoholkranken bis zur Ärztin – hier zusammenkommen. Jeder steuere etwas für die Pflege des Feldes bei. »Natürlich ist das nur ein Ideal«, sagt ein anderer, »aber der Ort hier soll so frei und inklusiv wie möglich sein, für jeden zugänglich.« Ein Dritter resümiert knapp: »Ist halt ein kleines Paradies.«

»Das Grundstück ist nicht unproblematisch«, warnt hingegen Pressesprecherin Jakisch. Die Gebäude des ehemaligen Industriegeländes seien nur oberflächlich abgerissen worden. »Es befinden sich auf dem Areal nicht vollständig verfüllte Keller und Schächte, die jederzeit einbrechen können und dadurch ein Gefahrenpotenzial darstellen.« Entsprechende Sicherungsmaßnahmen und Hinweisschilder seien immer zerstört worden. »Zudem erreichten uns in den vergangenen Wochen verstärkt Beschwerden der umliegenden Nachbarschaft«, so Jakisch, »die sich über die Lärm- und Geruchsbelästigung, unter anderem durch illegale Feuerstellen, sowie über die Vermüllung auf dem Grundstück beklagten. Die Belange der Anwohner sind uns äußerst wichtig und wir nehmen jede Beschwerde sehr ernst. Die Entsorgung des durch die illegale Nutzung hinterlassenen Mülls verursacht erhebliche Kosten, die durch die Eigentümer getragen werden müssen.«

»Der Müll und der Lärm nerven uns doch auch«, sagt der Freundeskreis. »Wenn von Nachbarn zu hören bekommen: ›Die Böller letzte Nacht, das wart doch ihr!‹ ist das blöd. Das waren wir aber gar nicht. Nur können wir nicht immer hier sein. Von uns aufgestellte Müllereimer wurden auch schon auseinandergenommen«. Man habe schon mehrere Aufräumaktionen durchgeführt, auf eigene Kosten Containerfuhren organisiert.

Das Volleyballfeld kann man als Symbol nehmen für die Selbstorganisation und den Mitmachcharakter. Ein einzelner, gar nicht im Freundeskreis umtriebig hatte die Idee. »Alle dachten, das geht nicht. Und er hat es einfach gemacht.« Plötzlich fing er an, Sand anzukarren. »Und wenn du da jemanden schippen siehst, lässt du ihn das doch nicht allein machen, während du zuschaust.« Und der habe sich zum Anziehungspunkt entwickelt, auch Familien hier, da spielten schon mal 20 Leute gleichzeitig.

Einer Zwischennutzung entzieht sich die Stadtbau AG nicht gänzlich. Es brauche aber klare Ansprechpartner, gerade hinsichtlich der Sicherheits-, Müll- und Lärmsituation. »Wir haben in der Vergangenheit immer wieder die vorübergehende Nutzung des Jahrtausendfeldes genehmigt«, sagt die Sprecherin, »unter der Voraussetzung, dass uns ein Ansprechpartner für Haftungsfragen, Versicherung und Müllentsorgung zur Verfügung steht. Wenn kein Verantwortlicher seitens der Benutzergruppen benannt werden konnte, mussten wir die Nutzung untersagen.« Der Freundeskreis zeigt sich verständig: »Klar, wir müssen mit den Behörden und Zuständigen reden. Wir sind nicht anti. Es war nur die Zettelaktion und die Art, wie uns gedroht wurde, die uns aufgeregt hat.« Die erste Wut scheint vom Tisch, der reagierende Facebook-Text wurde abgemildert, die Besetzungsandrohung gelöscht. »Wir suchen den Dialog, sind an einer sinnvollen Lösung interessiert.«

Damit steht die Gruppe vor einem klassischen Probleme solcher selbstorganisierten Projekte vom Gemeinschaftsgarten bis besetztem Haus: Wie soll man sich institutionalisieren? Das weiß sie auch: »Wir müssen sicherere Strukturen schaffen, uns organisieren und das aktive Bürgerschaftsengagement hier im Viertel stärken.« Dafür würden schon Ideen für ein Nutzungskonzept im Raum schwirren. Eine Vereinsgründung könnten sich einige vorstellen und insgesamt soll der Blick über das Feld hinaus auf andere Brachen geweitet werden. Letztens erst fand eine Demo für eine Freifläche in der Eisenbahnstraße statt, wohin der Freundeskreis seine Fühler ausstrecken will. Mit dem Netzwerk Stadt für alle stünde man in Verbindung. Für den Samstag ruft der Freundeskreis Interessierte zum »Beisammensein«, um einander kennenzulernen. Vertreter von Behörden und Stadtbau AG seien herzlich eingeladen.

Letztere bleibt bei ihrer Position: »Wird für den Beachvolleyballplatz nicht innerhalb der von uns gesetzten Frist ein Verantwortlicher für Haftungs- und Versicherungsfragen sowie für die Müllentsorgung benannt, muss dieser leider geräumt werden. Anderenfalls sehen wir uns gezwungen, aufgrund der illegalen und selbstgefährdenden Nutzung Strafanzeige zu erstatten.« Beim kreuzer-Besuch am Montag konnte man noch mit nacktem Fuß im Sand wühlen und den Aufschlag üben.


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