Heinz Emigholz ist vor allem für seine stark reduzierten Architekturdokumentationen wie »Loos Ornamental« oder »Goff in der Wüste« bekannt, in denen er sich den erhaltenen Bauwerken eines Architekten in chronologischer Reihenfolge, statischen, mit ungewohnten Blickwinkeln operierenden Einstellungen und zumeist ohne erläuterndem Off-Kommentar widmet (die sogenannte »Architektur als Autobiographie«-Reihe). »Streetscapes«, der auf der diesjährigen Berlinale seine Premiere feierte, nimmt eine filmische Ausrichtung wieder auf, die zuletzt in »Der zynische Körper« von 1990 anzutreffen war: Ein komplexes, in seiner Form sehr eigenständiges Ineinander von Spielfilm samt Darstellern und Dialog und filmischer Architekturreflexion, wie sie in den besagten dokumentarischen Arbeiten verdichtet erfahrbar wird. Neben der Premiere des neuen Films in Anwesenheit des Regisseurs zeigt das Luru daher auch eine 35mm-Kopie von »Der zynische Körper« im Anschluss.
»Streetscapes & Der zynische Körper – Heinz Emigholz im Gespräch«: 23.6., 19 Uhr, Luru Kino in der Spinnerei
Film der Woche: Die Kamera fährt durch die engen Gänge der verwinkelten Wohnung. Hier, auf wenigen Quadratmetern wohnen zehn Menschen. Hier sitzen sie fest, denn draußen herrscht Krieg. Die Mutter Oum Yazan harrt mit ihrem Schwiegervater, ihren drei Kindern Yara, Aliya und Yazan und der philippinischen Haushaltshilfe Delhani in ihrer Wohnung im zweiten Stock eines Mehrfamilienhauses aus. Sie gewähren dem jungen Paar aus der zerstörten Nachbarswohnung, Samir und Halima, und ihrem Baby Zuflucht. Ebenso Yaras Freund Karim, der bei einem Besuch von schweren Gefechten überrascht wurde. Die Isolation zehrt an den Nerven der Bewohner. Regeln sind essentiell, sonst gerät das Leben aller in Gefahr. »Innen Leben« ist ein klaustrophobischer Thriller des belgischen Regisseurs Philippe Van Leeuw. Der Gewinner des diesjährigen Publikumspreises auf der Berlinale entwirft ein höchst realistisches Szenario einer Belagerung in Kriegszeiten. Inspiriert durch die Erlebnisse eines Freundes in Aleppo schafft Van Leeuw eine intensive Atmosphäre von unerträglicher Spannung. Seine hervorragenden Darsteller – allen voran Hiam Abbass als kämpferisches Muttertier – unterstützen ihn dabei. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.
»Innen Leben«: ab 22.6., Passage Kinos
Owen Suskind und sein älterer Bruder Walt wachsen behütet in einer liebevollen, gut situierten Familie in den USA auf. Alles scheint normal, bis Owen sich kurz vor seinem dritten Geburtstag massiv zurückzieht und aufhört zu sprechen. Die Diagnose der Ärzte ist niederschmetternd: der Junge leidet an Autismus, der Entwicklungsstörung, die sie damals nur aus dem Film »Rain Man« kannten und bei der die Betroffenen große Mühe haben, soziale Codes zu verarbeiten und anzuwenden. Was Owen jedoch innig liebt, sind die Animationsfilme aus dem Hause Disney. Per Zufall glückt es dem Vater vier Jahre später, seinem Sohn spielerisch mit einer Papageienpuppe zu »Aladdin« erstmals wieder ein paar Worte zu entlocken. Darauf aufbauend nähern die Suskinds sich behutsam Owens Innenleben an, merken, dass er mit Hilfe der Filmfiguren und -geschichten sein eigenes Werte- und Gefühlsverständnis kreiert hat und finden so endlich Zugang zu ihm. Die Doku begleitet das Publikum in die farbenfrohe Welt des inzwischen 25-Jährigen. Vor allem die Nebencharaktere der Disneyfilme sind es, die es Owen angetan haben und die sein Selbstverständnis widerspiegeln: er ist bescheiden, nicht einer der großen Helden der Geschichte, aber wichtig für deren Vorankommen. Beim Anblick der animierten Zwischensequenzen der Doku, in denen er selbst mit jenen Sidekicks gegen einen Schurken antritt, der ihren Verstand verwirren will, soll Owen sich dem Filmteam mit Freudentränen um den Hals geworfen haben. Zumindest ansatzweise so gerührt wird man auch als Zuschauer nach dem Erlebnis von »Life, Animated« sein. Ausführliche Kritik von Peter Hoch im aktuellen kreuzer.
»Life, Animated«: ab 15.6., Passage Kinos
Pierre Richard war in den frühen Achtzigern für viele die erste Berührung mit dem französischen Kino. Sein stilles, körperbetontes Spiel stand im Gegensatz zum aufbrausenden Naturell seines Landsmannes Louis de Funès. „Der lange Blonde mit dem schwarzen Schuh“ machte ihn zur Legende. In den folgenden Jahrzehnten wurde es ruhig um ihn. Stéphane Robelin holte ihn für seine Ensemblekomödie „Und wenn wir alle zusammenziehen?“ zurück ins Kino. Richard versprach ihm damals eine erneute Zusammenarbeit und so schrieb ihm Robelin den Monsieur Pierre auf den Leib. Der Witwer lebt einsam in seiner Pariser Wohnung. Seine Tochter Sylvie bemuttert ihn, seine Enkel meiden den grummeligen Alten. Pierre hat seit dem Tod seiner Frau das Haus kaum verlassen. Deshalb hält es Sylvie für eine gute Idee, ihrem Vater die Welt des Internets zu offenbaren. Da der arbeitslose Autor und Freund ihrer Tochter Juliette gerade bei ihnen wohnt, ist er das perfekte Opfer. Alex lässt sich widerwillig darauf ein, hat er doch nicht einmal das Rückgrat, Nein zu sagen. Die beiden Männer freunden sich an und Pierre findet gefallen an den Möglichkeiten der Onlinewelt. Der 79-Jährige meldet sich bei einem Datingportal an, fest entschlossen, sich noch einmal zu verlieben. Dabei flunkert er allerdings ein wenig mit dem Alter und nutzt kurzerhand Alex' Bild. Als es zum Treffen mit Flora kommt, muss der Schwiegersohn in spe einspringen. Das Problem: Pierre weiß noch nicht, dass Alex mit Juliette liiert ist. So entspinnt sich eine amüsante Hommage an Cyrano de Bergerac, um einen heimlich Verliebten, der einem anderen Mann als Ghostwriter dient, in der vor allem Richard mit seinem zurückhaltenden Spiel glänzt. Yaniss Lespert als Alex wirkt allerdings den gesamten Film über wie ein »geprügelter Hund«, wie Pierre es auf den Punkt bringt und steht beim etwas hingebogenen Ende dieser charmanten Ménage à Trois vielleicht etwas zu gut da.
»Monsieur Pierre geht online«: ab 22.6., Passage Kinos
Flimmerzeit_Mai
Weitere Filmtermine der Woche
Kalte Probe
Filmpräsentation und Gespräch mit Constanze Ruhm, Christine Lang und Barbara Büscher
22.6., 18 Uhr, Galerie für Zeitgenössische Kunst
Spur der Steine
Die exzellente Gesellschafts-Satire von Frank Beyer, die bürokratische Schlamperei und Unfähigkeit von Parteigenossen kritisierte, wurde 1966 nach organisierten Unruhen mit Stoßtrupps nach nur drei Tagen wieder aus den Kinos genommen und verschwand daraufhin für 23 Jahre in den DEFA-Archiven. Nahaufnahme DEFA - Filmreihe zu 40 Jahre Grünau
22.6., 18 Uhr, Stadtgeschichtliches Museum/Neubau
Surf Film Nacht
North of the Sun (NOR 2011), Slow Dance (USA 2013)
22.6., 21.30 Uhr, Sommerkino auf der Feinkost
28.6., 21 Uhr, Kinobar Prager Frühling
Zwischen den Stühlen
Der Dokumentarfilm, der auf dem DOK Leipzig 2016 mit drei Preisen ausgezeichnet wurde, begleitet drei höchst unterschiedliche Charaktere auf dem spannungsreichen Weg zur Lehrerausbildung. Dok Leipzig Nachlese - anschließend Gespräch mit Vertreterinnen der Initiative Kritisches Lehramt Leipzig - Kritische Lehrerinnen Leipzig
22.6., 19.30 Uhr, Cinémathèque in der Nato
Taxi Teheran
Der iranische Regisseur Jafar Panahi wurde in seiner Heimat mit einem Arbeitsverbot für die nächsten 20 Jahre belegt und dreht trotzdem weiter. Sein neues, überraschend heiteres Werk, eine Taxifahrt durch Teheran mit allerlei illustren Gästen, erhielt auf der Berlinale den Goldenen Bären. - Sommerkino im Meyouwedo vor dem Grassi-Museum
23.6., 21.30 Uhr, Grassi-Museum Leipzig (OmU)
In this World
Filme Immigrierter Regisseure: Regie-Exilanten in Leipzig. Diesmal stellt der gebürtige Marokkaner Fouad Boutahar zwei seiner Werke vor. »Nachtschwärmer« und «Ein Sachse in Marokko und die anderen«
24.6., 19 Uhr, Schaubühne Lindenfels
Ida
Polen 1962. Die 18-jährige Novizin Anna bereitet sich auf ihr Gelübde vor. Doch bevor sie dieses ablegen darf, stellt die Äbtissin die als Waise aufgewachsene Anna vor eine überraschende Aufgabe: Sie soll ihre letzte verbliebene Verwandte treffen. Oscargekröntes, stilles Drama von Pawel Pawlikowski. - Cinema Schalom - Im Rahmen der Jüdischen Woche in Leipzig - anschl. Gespräch mit Dr. Hans-Christian Trepte
25.6., 19 Uhr, Cinémathèque in der Nato (OmU)
Ronja Räubertochter
Ronja, die Tochter des Räuberhauptmanns Mattis, trifft auf Birk, Sohn des Erzfeindes ihres Vaters, Borka. Mattis ist außer sich vor Wut, als er erfährt, dass dessen Bande im anderen Teil der Burg lebt. Gegen den Willen ihres Vaters werden Ronja und Birk große Freunde und sie verlässt die Burg.
25.6., 15 Uhr, Schauburg
Anime Night: Fairy Tail - Dragon Cry
Basierend auf dem Manga von Hiro Mashima reist Natsu Dragneel mit seinen Freunden auf das Inselkönigreich Stella, wo sie dunkle Geheimnisse aufdecken, neue Feinde treffen und wieder einmal die Welt retten.
27.6., 20, 22.15 Uhr, Cineplex, 20 Uhr, CineStar
Filmriss Filmquiz Open Air
Der Vorhang hebt sich, die Titelmusik beginnt, ein Geistesblitz und ihr seid um ein T-Shirt reicher. Ein Auto fährt vor, Bruce Willis steigt aus, ihr wisst Bescheid und die DVD gehört euch. Ihr singt die Bond-Songs unter der Dusche und werft eurem Spiegelbild nen Schwarzenegger-Spruch entgegen, wenn keiner hinhört? Dann seid ihr hier genau richtig! Wir belohnen euer Talent mit Bergen voll Goodies, Merch und Krempel aktueller Kinoproduktionen. Wir feiern Film und schwelgen in Erinnerung an unvergessliche Szenen, Sets und Zeilen. Auf der großen Leinwand, in Technicolor und Dolby Stereoton.
27.6., 20.30 Uhr, 2cl Sommerkino auf Conne Island
UHabitat
An den Ufern des größten künstlichen Sees in Deutschland nahe Leipzig, zeigt der Film die Lebenswelten ehemaliger Bergleute, Naturbeobachterinnen und Asylsuchender verschiedener Herkunft. - in Anwesenheit der Regisseure Emerson Culurgioni und Jonas Matauschek
27.6., 19 Uhr, Luru-Kino in der Spinnerei
Dil Leyla
Leyla Imret, aufgewachsen in Deutschland, wird mit 26 Jahren die jüngste Bürgermeisterin der Türkei. Als sie fünf Jahre alt ist, wird ihr Vater, ein PKK-Aktivist, bei einem Gefecht mit dem türkischen Militär getötet, ihre Mutter verhaftet und gefoltert. Verwandte nehmen sie mit nach Deutschland, sie wächst bei ihnen in Bremen auf. Nach über 20 Jahren kehrt Leyla in ihre kurdische Heimatstadt zurück.- Türkei: Zensur und Widerstand - anschl. Gespräch mit der Regisseurin Asl? Özarslan
28.6., 19.30 Uhr, Cinémathèque in der Nato
The Dream Children
Steven Evans arbeitet beim Fernsehen und ist auf der Suche nach Glück und Erfüllung in seinem Leben. Die künstliche Welt, die er erschafft, und die oberflächliche Gesellschaft, in der er sich bewegt, bringen ihm einfach keine Befriedigung. - Queerblick
28.6., 19.30 Uhr, Passage Kinos