Die Halle 14 zeigt die 2017 vom Freistaat angekauften Kunstwerke. Darunter sind für Leipziger Verhältnisse viele Bekannte – aber auch eine echte Überraschung
Einmal im Jahr kauft Sachsen durch die Kulturstiftung des Freistaates zeitgenössische Kunstwerke auf. Dafür gab sie in diesem Jahr 171.000 Euro aus und erhielt Werke von 27 Künstlern und Künstlergruppen. Eine win/win-Situation, wie die Kulturstiftung und der Freistaat finden. Der Künstler bekommt Geld, Anerkennung sowie Mut zugesprochen, um weiter Kunst zu schaffen, und der Staat Kunstwerke. Gemäß diesem Verteilungssystem heißt die Ausstellung, die bis zum 2. Juli die Ankäufe in der Halle 14 der Öffentlichkeit vorstellt auch »Win/Win«.
Nach Ausstellungsende wandert die Kunst in die Sammlung des Dresdner Kunstfonds. Hier können sich die Ministerien ebenso mit Kunstwerken ausstatten wie sächsische Museen ihren geringen bis gar nicht vorhandenen Ankaufsetat für zeitgenössische Kunst durch Leihen kompensieren.
Dieses Geben und Nehmen praktiziert der Freistaat durch das Ministerium für Wissenschaft und Kunst bereits seit 1992. Und so nahm sich die Ministerin Eva-Maria Stange auch am Montag die Zeit, um sich die auserwählten Kunstwerke anzuschauen. Die Ministerin selbst bevorzugt Kunstwerke mit klaren Aussagen in ihrem Arbeitsumfeld und hat dafür aus einem vergangenen Ankauf die Serie »15 Blicke« von Matthias Weischer ausgewählt.
Gleich zu Beginn des 2017er-Jahrgangs stellte sie die entscheidenden Fragen: »Wie findet man die Kunstwerke und nach welchen Kriterien sucht man aus?«
Den Fragen muss sich der für die Ankäufe verantwortliche Fachbeirat Bildende Kunst, der von der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen berufen wird, jedes Jahr stellen und den 360°-Blick auf Sachsen nicht versäumen. Zwei von den fünf Beiratsmitgliedern stammen aus Dresden: Die Direktorin des Albertinums Hilke Wagner sowie Simone Heller, die Vorsitzende des Landesverbandes Bildende Kunst Sachsen. Mit Michael Arzt von der Halle 14, Franciska Zólyom (GfZK) und Oliver Kossack (HGB) ist Leipzig vertreten.
Dieses Verhältnis spiegeln dann auch die künstlerischen Positionen: 16 stammen aus Leipzig, sieben aus Dresden und eine aus Wurzen.
Und genau diese stellt innerhalb der Auswahl eine besondere Überraschung dar, denn es handelt sich um die Künstlerin Ruth Wolf-Rehfeldt. Sie wurde 1932 in Wurzen geboren und lebt seit 1950 in Berlin. Seit den 1970er-Jahren stellt sie auf der Erika-Schreibmaschine Grafiken (Typewritings) her. Gemeinsam mit ihrem Ehemann – dem Mail-Art-Künstler Robert Rehfeldt (1931-1993) – zeigte sie bis 1989 im In- und Ausland ihre Arbeiten und beschloss 1990 ihre künstlerische Produktion, weil sie keinen Bedarf mehr dafür sah. Anlässlich ihres 80. Geburtstages ehrte sie das Weserburg Museum für moderne Kunst in Bremen mit einer Einzelausstellung und in diesem Jahr ist Wolf-Rehfeldt auf der documenta 14 vertreten. Dadurch wurde die Jury auf sie aufmerksam und schloss nun mit einigen Typewritings der siebziger und achtziger Jahre ihr Nichtvorhandensein in den sächsischen Sammlungen und gibt dem Besucher jetzt die Möglichkeit diese feinen Arbeiten selbst in Augenschein zu nehmen.
In der Schau – kuratiert von Claudia Gehre und Denis Bury – nehmen sie einen Extraplatz ein, denn obgleich sie an ihrer Poesie bisher nichts einbüßten, unterscheiden sie sich doch stark von den Arbeiten aus der Generation der 1960- bis Mitte der 1980er-Jahre Geborenen, die gemeinhin für zeitgenössische Kunstproduktion stehen.
Erstaunlich wenig Fotografie kaufte Sachsen in diesem Jahr auf. Mit der Arbeit »Erbstücke« von Mandy Gehrt gelangte eine Dokumentation aus Fotografien und Texten in die Sammlung, die sich mit den Spuren von Zwangsarbeit am Equipagenweg in Markkleeberg auseinandersetzt. Ebenfalls mit der lokaler Geschichte beschäftigte sich Sven Bergelt, der in seiner Installation »53 Kommentare« (2013, 24-Kanal-Soundinstallation) die LVZ-Kommentarspalten zur Völkerschlacht und deren Reinszenierung zum Jubiläum im Jahr 2013 vorlesen lässt.
Auf dem Gebiet der Malerei überzeugt Henriette Grahnert mit ihrem bewährten Humor bei »Alter Schachtel« und der im Dezember als LVZ-Kunstpreisträger zu feiernde Benedikt Leonhardt ist mit einer seiner typischen Farbverlaufsleinwand zu sehen. Arbeiten, wie etwa der Film »Beaver« von Carsten Tabel, die Installation »Play by rules (Budapest)« von Timo Herbst und Marcus Nebe oder »Day of Light II« von Claus Georg Stabe waren in den letzten Monaten bereits auf der Spinnerei zu sehen. Schon einige Jahre auf dem Buckel hat von der Reinigungsgesellschaft (Henrik Mayer und Martin Keil)
die Vater-Mutter-Kind-Holzfiguren mit dem Titel »Einig Vaterland«. Als erzgebirgische Räuchermännchen sind sie mit Deutschlandflaggen ausgestattet und sollen an die Leipziger Herbstdemonstrationen 1989 erinnern. In Leipzig waren sie erstmals 2000 anlässlich der Expo-Ausstellung »Neues Leben« zu sehen sowie ein Jahr später in der GfZK bei der Ausstellung »Heimaten«.
Wer sich noch einen Eindruck von den bereits angekauften Filmen und Projektionen machen möchte, dem sei eine Reise nach Dresden empfohlen. In der Motorenhalle des Riesa Efau sind bis zum 2. Juli 15 Arbeiten aus 15 Jahren sächsischer Kunstankaufspolitik zu sehen. Mit Tilo Baumgärtel, Luise Schröder und Anna Baranowski, Maya Schweizer, Clemens von Wedemeyer oder Matthias Zielfeld liegt Leipzig wieder ganz vorn.