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Politik

Meinungsstarker Opportunist

Leipziger Bundestagskandidaten im Portrait: Thomas Feist, CDU, Wahlkreis Süd

  Meinungsstarker Opportunist | Leipziger Bundestagskandidaten im Portrait: Thomas Feist, CDU, Wahlkreis Süd

Am 24. September ist Bundestagswahl. Bis dahin stellen wir hier die wichtigsten Bundestagskandidaten aus den beiden Leipziger Wahlkreisen vor. Heute: Thomas Feist. Der CDU-Bundestagskandidat für den Wahlkreis Leipzig Süd präsentiert sich selbstbewusst und bürgernah.

Nein, es soll hier nicht schon wieder um den Streit über das Badewannenrennen am Völkerschlachtdenkmal gehen und darum, wieso Thomas Feist ein Spaßverderber ist. Vielleicht kann er sogar ganz witzig sein. Zum Beispiel, wenn er sich zum Fototermin von seinem Mitarbeiter auf einem Bürostuhl durch sein Wahlbüro in der Innenstadt rollen lässt. Denn Feist weiß, wie man performt. Das Motto des CDU-Abgeordneten, der für den Wahlkreis Leipzig-Süd antritt, lautet: »Offen und wertebewusst. Mehr als konservativ.« Und tatsächlich offenbart er sich als differenzierter als nur konservativ. Gut gemeint hieße das: meinungsstark. Böse gemeint könnte man sagen: opportunistisch.

Der 1965 in Leipzig geborene dreifache Familienvater spricht über Themen so, wie es ihm gerade passt. Beispielsweise setzt er sich für Geflüchtete ein, indem er Bildungsprogramme fördert, erschwert es fliehenden Menschen aber, indem er die schnellere Abschiebung in »sichere Herkunftsländer« fordert. Die angebliche Sicherheit einiger Länder begründet er mit dem populistischen Argument: »Nach Marokko und Tunesien, dahin fahren die Leute in den Urlaub.« Schnell spannt er den Bogen zu Kriminalitätsraten und Missbrauch von Asylrecht und pendelt damit vom Flüchtlingsverteidiger zum gewohnt konservativen CDU-Sprecher. Auch den steigenden Antisemitismus, ein Herzensthema für den vehementen Israel-Verteidiger, schiebt Feist vor allem den Einwanderern in die Schuhe, die »aufgrund des Bildungsproblems« Stereotype nach Deutschland »importieren« würden.

Die Argumentation passt zur Parteilinie. Die CDU rückt im Zuge des Rechtsrucks rund um Pegida und in Ausblick auf die Bundestagswahl immer weiter nach rechts. Fragen nach Pegida weicht Feist gekonnt aus, betont aber: »Dem Volk aufs Maul schauen ist wichtig, aber das heißt nicht, dem Volk nach dem Maul zu reden.« In der Konsequenz bedeutet das für ihn auch, sich von einer möglichen Koalition mit der AfD klar abzugrenzen, denn das sei für ihn »kein Rechtspopulismus, sondern ein erneuter Aufguss eines falsch verstandenen Sozialismus, wie er in der DDR gelebt worden ist«.

Überhaupt ist die DDR ein großes Thema für den Politiker. Feist, der sonst immerzu professionell freundlich lächelt, scheint bei diesem Thema das Blut in den Adern zu kochen. Im Vergleich zur DDR seien die heutigen Probleme »Wohlstandsdiskussionen«. Immer wieder zieht der evangelisch-lutherisch erzogene Leipziger Negativreferenzen zum sozialistischen Staat, ob AfD–SED-Vergleich oder die Ablehnung der Bezeichnung des 8. Mai als »Tag der Befreiung«. Feist verbindet viele negative Sozialisationserfahrungen mit der DDR, nicht zuletzt deshalb ist er ein großer Freund der deutschen Einheit. Folgerichtig erzürnt er sich über die Proteste gegen die Einheitsfeier in Dresden vergangenen Oktober und die damit verbundene Informationsveranstaltung im Kulturzentrum Conne Island mit der Begründung: »Auch die Freiheit der Kultur im Conne Island ist ein Geschenk der deutschen Einheit.« Es sei unangemessen, gegen diese Freiheit nun zu demonstrieren, die Feier zu stürmen inakzeptabel.

Er selbst sagt, er »verdanke der Einheit sehr viel«, die Wende scheint das prägende identitätsbildende Ereignis für den konservativen Politiker gewesen zu sein. »Ich bin in einem Land groß geworden, in dem mir immer gesagt wurde, was ich zu denken habe.« Ein Grund für ihn, sich strikt auf Informationen aus erster Hand zu verlassen. Und auch wenn man seine Meinungen nicht teilt, so kommt man nicht umhin zuzugestehen, dass er diese selbstbewusst verteidigt, auch gegen Mehrheitsmeinungen seiner Partei.

So hat Feist als einer von lediglich fünf Abgeordneten gegen den Mindestlohn gestimmt. Sein Argument: Er nehme den Leuten den Ansporn, einen Abschluss zu machen. Auch dies ein Relikt seiner DDR-Erfahrungen: Der heutige Musik- und Kulturwissenschaftler konnte aufgrund fehlender FDJ-Mitgliedschaft damals weder Abitur machen noch studieren. Umso mehr will er jetzt, dass in Deutschland »jeder einen Abschluss« hat, ein leistungsorientierter Lohn sei der richtige Hebel dafür gewesen.

Feist macht Politik so, wie er es für richtig hält. Seine Argumente schwanken dabei zwischen dem rechten Rand der CDU und dem neoliberalen Spektrum. Doch er ist auch durch und durch Politiker: bürgernah, freundlich, wortgewandt. Und um dem Volk wortgerecht »aufs Maul zu schauen«, will er im Wahlkampf je nach Stadtteil unterschiedliche Themenschwerpunkte setzen, zentral bleiben die Arbeitsbereiche Bildung und Kultur.

Feist betont, dass es für ihn keinen Unterschied mache, ob Wahlkampf ist oder nicht. Und dennoch macht er schon jetzt auf Twitter Stimmung gegen den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz, denn er ist »überzeugt davon, dass Rot-Rot-Grün unserem Land nicht guttut«. Nicht zuletzt deshalb will er in den Bundestag. Doch Feist bleibt heimatverbunden, oder, wie er selbst sagt, ein »Lobbyist für Leipzig«.


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