»Immer wieder kommt es in Connewitz zu Straßenschlachten mit angereisten Rechtsextremen, die im Stadtteil provozieren wollen.« Leipziger, die am 6. September die ZDF-Dokumentation »Radikale von Links« einschalteten, werden sich gewundert haben. Da wird Connewitz zum Aufmarschort von Nazis stilisiert, reicht bis hoch zur Deutschen Bücherei und dient einmal mehr als Projektionsfläche für das, was sich weltfremde Sendeanstalten als »Linksextremismus« vorstellen. Als Stichwortgeber und Experte agiert ausgerechnet ein AfD-Politiker, der im Film schlicht als »Politologe« bezeichnet wird.
Doch der Reihe nach: »Die unterschätzte Gefahr« lautet der Untertitel der ZDF-Doku des TV-Autors Rainer Fromm. Diese These bildet auch den Ariadnefaden durch das filmische Labyrinth der Irrungen und Wirrungen, das vor allem durch die Kraft der Suggestion zusammengehalten wird. Da müssen ernsthaft die RAF und die Proteste gegen die Startbahn West bemüht werden, um angeblichen »Linksextremismus« anno 2017 zu dämonisieren. Auch hier wird jene Extremismustheorie als Folie herangezogen, die in der Politikwissenschaft kaum Anerkennung findet. Zu simpel ist das Hufeisenmodell, das rechts und links gleichsetzt und zur äquivalenten Gefahr für eine imaginierte Mitte der Gesellschaft erklärt. Dafür ist der Theorieverschnitt ein medialer Renner, weil er so einleuchtend erscheint. Darum auch darf sich in der ZDF-Doku ein »Extremismus-Experte« wundern, dass die Gesellschaft rechte Parolen mehr ächten würde als linke.
Dass dieser Experte nicht nur zum »Linksextremismus« forscht, sondern im neurechten Lager als Vortragsredner unterwegs war und für die AfD in einem Kreistag sitzt, war dem Filmemacher kein Wort wert. Dabei ist jener Karsten Dustin Hoffmann einschlägig dafür bekannt, nicht nur Politologe zu sein. Darauf angesprochen, reagiert das ZDF mit einer Mischung aus Ausrede und Einsicht. Auf kreuzer-Anfrage teilte die Pressestelle mit: »Wegen der Kürze der Zeit und des geringen Platzes bei den Namenseinblendungen ist es oft nicht möglich, mehr als den Namen und die dazugehörige Institution zu nennen. Im Fall von Karsten Dustin Hoffmann wäre in der Tat eine zusätzliche Einordnung hilfreich und nötig gewesen.« Tatsächlich hätte es gereicht, bei der Einblendung des Namens schlicht drei weitere Buchstaben einzufügen: »AfD«.
Wie unsauber der Journalist Rainer Fromm vorging, soll exemplarisch die Thematisierung von Leipzig zeigen: Ein paar Bilder von Graffiti-Wänden und Menschen in Punkoptik stimmen das Publikum auf die Connewitzer Szene(n) ein. So stellt man sich auf dem Mainzer Lerchenberg diese »Autonomen« vor. Dann wird geraunt: »Immer wieder kommt es in Connewitz zu Straßenschlachten mit angereisten Rechtsextremen, die im Stadtteil provozieren wollen.« Vom organisierten Nazi-Angriff auf das Viertel im Januar 2016 kein Wort – oder sieht der Filmemacher darin auch nur eine »Provokation«? Beispiele für die Behauptung, zig Naziaufmärsche hätten im Quartier stattgefunden, führt er nicht an. Der Grund ist einfach: Es gibt sie auch nicht.
Dafür arbeitet der ZDF-Autor mehrfach mit einer Text-Bild-Schere, um seine These linker Gefahr am Leipzig-Beispiel zu untermauern. Gezeigt werden Bilder der Demonstration von der Kleinstpartei Die Rechte vom 18. März 2017 sowie von Gegendemonstranten. Zu diesem Geschehen am Deutschen Platz im Stadtteil Zentrum-Südost heißt es: »In Leipzig-Connewitz stehen sich Neonazis und Linke direkt gegenüber.« Gegendemonstranten sind in den Aufnahmen vor der Deutschen Bücherei zu sehen, die Nazis stehen auf der Semmelweisstraße, sie trennen Polizeireihen, Hamburger Gitter und mindestens hundert Meter Distanz. »In Connewitz« und »direkt gegenüber« müssen hier sehr metaphorisch gemeint sein. Natürlich: »Es kommt zur Eskalation«, lautet der Kommentar aus dem Off, als einige Polizisten an einem Transparent ziehen, vermutlich, weil es Gesichter der Gegendemonstranten verdeckt. Der Filmemacher interpretiert dies als Versuch, die Polizeikette zu durchbrechen – absurd, sieht man sich die Demonstranten ringsum an. Wer damals dabei gewesen ist, wird ohnehin den Kopf schütteln über diese Beschreibung der Ereignisse.
Gern hätten wir den verantwortlichen Journalisten Rainer Fromm zu Wort kommen lassen. Laut ZDF will er Stellung nehmen, befindet sich aber derzeit im Urlaub. Wir haben ihm unsere Fragen zukommen lassen und werden berichten, sobald wir Antwort erhalten.