Früher war eben doch nicht alles besser. Dessen wird man sich schmerzlich bewusst, wenn man das neue Rollenspiel »Elex« spielt. Das Essener Entwicklerstudio Piranha Bytes veröffentlichte 2001 »Gothic«, damals ein Hit, heute ein Klassiker, und beides völlig zu Recht. Bei »Elex« drängt sich der Vergleich mit dem gefeierten Vorgänger geradezu auf:
Gleich in den ersten Spielminuten wird der Protagonist von »Gothic« von einem Felsvorsprung in eine magisch abgeriegelte Gefängniskolonie geworfen, bekommt eine Faust ins Gesicht und muss sich fortan mit drei Fraktionen ziemlich harter Jungs herumschlagen. In »Elex« wird er angeschossen, fällt von einer Klippe, wird erst beklaut und bekommt dann die Faust ins Gesicht – vom bärtigen Vertreter einer der drei Gruppierungen, denen sich der Spieler im weiteren Verlauf anschließen kann. Wer vor 16 Jahren »Gothic« gespielt hat, wird also zunächst ein Gefühl von Nostalgie verspüren – und später dann Frust. Wenn er loslegt, die riesige, offene Spielwelt auf eigene Faust zu erkunden.
Dabei ist sie eigentlich das Highlight des Spiels: Ein Meteoriteneinschlag hat den Planeten Magellan verwüstet und die fortschrittliche Zivilisation ins Chaos gestürzt. Die Überlebenden haben sich neu organisiert: in drei Fraktionen, mit denen die Entwickler recht gelungen Fantasy-, Science-Fiction- und Endzeitmotive kombinieren. Sie erklären das plausibel damit, dass die drei Gruppen das außerirdische Material Elex, das der Meteorit mit sich brachte, unterschiedlich nutzen: Die Berserker wandeln es in Mana um und wollen so den Planeten heilen. Die Kleriker haben einen Gotteskult um die Technologie erschaffen, die sie mithilfe des Elex stetig weiter verbessern. Und die Outlaws nutzen Elex als Droge, lieben Sprengstoff und pfeifen auf Umweltschutz und Religion.
So abwechslungsreich wie die Fraktionen sind die Gegenden, in denen sie leben. Die Wälder der Magier im Südwesten bilden noch die typische Fantasykulisse, während die östlich angrenzende Wüste der Outlaws schon eher an die Endzeitszenarien von »Mad Max« oder »Fallout« erinnert. Dass die Welt visuell nicht mit großen Produktionen mithalten kann, verschmerzt man da gern. Dafür bietet sie zahlreiche Interaktionsmöglichkeiten – sozialer statt grafischer Realismus.
Aber warum machen es die Entwickler dem Spieler so verdammt schwer, diese interessante Welt zu erkunden? Auf Magellan wimmelt es nur so von übermächtigen Gegnern, die den Helden in der Luft zerreißen. Oft reicht ein Angriff und man ist tot – die verbuggten Wildschweine aus »Gothic 3« lassen grüßen. Weil auch Belohnungen in Form von neuer Ausrüstung oder neuen Fähigkeiten spärlich verteilt werden und es keine Hinweise gibt, für welches Level eine Quest geeignet ist, läuft man in den ersten Spielstunden viel weg, stirbt viel und lädt viel. Das geht wenigstens schnell, aber auf Dauer macht sich Frust breit, wenn eine Quest nach der anderen in einer Sackgasse endet. Auch »Gothic« hat sich damals durch einen hohen Schwierigkeitsgrad ausgezeichnet, und ja, Spiele von heute tendieren dazu, es dem Spieler zu leicht zu machen. Aber es gibt doch bitteschön einen Mittelweg zwischen Händchenhalten und einem Faustschlag ins Gesicht.